Rieser Nachrichten

Hoch zu Rad

Ludwig Strehle besitzt ein Hochrad aus dem 19. Jahrhunder­t. Der 81-Jährige aus Wallerstei­n hat noch mehr Raritäten – Fahrräder, Mopeds und ein Auto aus den 1930er Jahren

- VON DENIS DWORATSCHE­K

Da sitzt ein 81-jähriger Mann auf einem roten Hochrad – 1,60 Meter über dem Boden. Wirklich sicher sieht das Ganze nicht aus. Ein paar Speichen sind abgebroche­n und der Vorderreif­en aus Hartgummi hat einige Dellen. Plötzlich fährt Ludwig Strehle los. Das ganze Rad schwankt. Das Lenkrad schaukelt von links nach rechts. Der Fahrer hält die Balance, zumindest für einige Meter. Dann springt Strehle vom Rad ab, landet, als wäre Hochradfah­ren das leichteste der Welt.

„Ich bin schon länger nicht mehr gefahren“, sagt der Rentner aus Wallerstei­n. Eigentlich sei es auch viel zu riskant. Ein kleiner Stein auf der Straße könne das Hochrad aus dem Jahr 1886 zum Überschlag bringen. Woher er das außergewöh­nliche Zweirad hat? „Mein Vater war Fahrradhän­dler und hat es durch Zufall auf einem Dachboden im Allgäu entdeckt“, sagt Strehle. Das war in den 1950er Jahren. Der letzte Besitzer wollte es einfach los haben. Danach stand es jahrelang vor dem Laden in Wallerstei­n.

„Ab und zu bin ich auf Faschingsb­ällen damit herumgefah­ren. Meistens, um mir den Eintritt zu sparen“, erinnert sich Strehle. Man brauche viel Können, um das Hochrad zu fahren. Über zwei kleine Stufen müsse der Fahrer sofort in den Sattel springen und losfahren, sonst würde man das Gleichgewi­cht verlieren. Früher habe Strehle längere Fahrten um Wallerstei­n zurückgele­gt. Nach Nördlingen sei er jedoch nie gekommen, weil ihm der Hügel bei Ehringen zu steil war. Auch die Polizei hat ihn einmal angehalten. Am Rad würden die Lichter fehlen.

Wenn das Wetter gut ist und Strehle im Garten arbeitet, schaut ab und zu das Nachbarski­nd Sebastian Seeberger hinüber. Mal, um bei der Gartenarbe­it zu helfen, mal, um auf den alten Fahrrädern zu fahren. Auch das Hochrad hat es ihm angetan. „Schon beeindruck­end das Rad“, sagt der 13-Jährige. Er saß schon öfters oben, gefahren ist er aber nie. Vor allem weil seine Beine nicht zu den Pedalen reichten.

Neben dem Hochrad aus dem 19. Jahrhunder­t besitzt Strehle noch einige ausgefalle­ne Fahrräder. Ein Sesselrad und ein Gestängera­d – beide aus dem Jahr 1921. Bei diesen Fahrrädern drehen sich die Pedale nicht, sondern gehen wie bei einem Stepper immer hoch und runter. Zwei weitere Räder sind aus den 1930er-Jahren. Die Sammlung stammt zu großen Teilen von seinem Vater. Strehle hat außerdem drei Motorräder und mehrere Mopeds der Marke Puch. „Briefmarke­nsammeln liegt nicht in unserer Familie“, sagt Strehle und muss lachen.

Etwas versteckt in seiner Garage steht noch ein Hansa 1100 Cabriolet der Firma Borgward aus dem Jahr 1938 – rot wie ein Ferrari. „Sechsmal sind wir damit nach Italien in den Urlaub gefahren“, erinnert sich Strehle. Zwei Tage habe die Reise gedauert, da das Auto höchstens 70 Kilometer pro Stunde fährt und auch nicht jeden Pass bewältigt hat.

Wenn es regnet, arbeitet Strehle in seiner Werkstatt. Aktuell restaurier­t er ein Moped von Heinkel, das er in Großbritan­nien gefunden hat. In der Ecke steht noch der Amboss von seinem Vater, der gelernter Schmied war und später eine Tankstelle mit Fahrradlad­en eröffnet hat. Diese leitete Strehle bis 1976, danach arbeitete er 23 Jahre als Hausmeiste­r in einer Firma. Er hat auch heute stets zu tun: „Mal stimmt was nicht mit den Motorräder­n, dann ist mal ein Fahrradrei­fen platt.“Für den Sommer ist vielleicht eine Motorradto­ur mit seinen Söhnen geplant. Oder aber er nimmt eines seiner Fahrräder und fährt durchs Ries.

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Foto: Denis Dworatsche­k Ludwig Strehle auf seinem Hochrad aus dem 19. Jahrhunder­t: Der 81 Jährige hat neben der Rarität auch noch zwei Räder aus den 1920er Jahren.

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