Amerdingen sagt „Nein“zu Windpark
Die Gemeinde entscheidet sich gegen Windkraftanlagen im Kesseltal. Damit besteht für das Projekt kaum noch Hoffnung. Welche Gründe der Bürgermeister anführt
Bürgermeister Hermann Schmidt hatte schon erwartet, dass der Andrang zur Sitzung seines Gemeinderats diesmal größer sein würde als bisher. Schmidt hatte daher am Dienstagabend den geräumigeren Saal des Amerdinger Feuerwehrhauses herrichten lassen. Einziger Punkt auf der Tagesordnung: Die Windkraftanlagen, die südlich von Amerdingen entstehen könnten.
Zum Hintergrund: Der regionale Planungsverband für Windkraftanlagen hat in seinem aktuellen Atlas für die Region insgesamt fünf Gebiete im Landkreis Donau-Ries als mögliche Standorte für Windräder aufgeführt. Der einzige Bereich im Ries bildet ein sogenanntes Vorbehaltsgebiet südlich von Amerdingen. Das elf Hektar große Grundstück gehört Prinzessin Camilla zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Sie hatte als Befürworterin der Energiewende Interesse signalisiert, auf ihrem Grund einen Windpark mit zwei bis drei Anlagen zu errichten. Ob sie diesen mit ihrem Mann selbst betreiben würde oder eine externe Firma dafür zuständig wäre, sei laut Sayn-Wittgenstein-Berleburg noch nicht entschieden. Nun hat der Planungsverband die beteiligten Behörden zu Stellungnahmen aufgerufen, weil es für das Vorbehaltsgebiet, wie der Name schon verrät, eben einige Vorbehalte gibt.
Als Hermann Schmidt die Gemeinderatssitzung eröffnete, appellierte er an die 15 Zuhörer, während der Diskussion der Räte Ruhe zu bewahren. Der Bürgermeister führte aus, dass Amerdingen ohnehin einen großen Beitrag zur Energiewende leiste, etwa durch zahlreiche Photovoltaikanlagen, im Ort produziertes Biogas und eine Hackschnitzelheizung. Der aufmerksame Zuhörer konnte erahnen, in welche Richtung sich das Geschehen entwickeln würde.
Schmidt sagte, dass sich die Gemeinde seit Jahren mit dem Thema Windkraft befasse. Ein zunächst ins Auge gefasster Bereich sei wegen eines nahen Vogelschutzgebietes vom Planungsverband abgelehnt worden. „Wir waren sehr überrascht und gleichzeitig verwirrt, dass nun plötzlich ein Grundstück in unmittelbarer Nähe wieder zur Diskussion steht“, sagte Schmidt.
Der Bürgermeister betonte wiederholt, dass sich der Gemeinderat der Frage ergebnisoffen zugewandt habe. Es gebe Punkte für und wider das Projekt, die es nun gelte, gegeneinander abzuwägen. Für den Menschen, so Schmidt, gebe es durch die Windräder keine Nachteile, wohl aber für die Natur und Tiere. „Die Anlagen würden das wunderschöne Gebiet, durch das unter anderem ein beliebter Wanderweg führt, zerstören.“Auch für die Rotmilane, die in der Umgebung leben, würden die Windkraftanlagen eine Einschränkung bedeuten. Darauf hatte der Dillinger Vogelschützer Reimut Kayser bereits auf einer Informationsveranstaltung, die die Gemeinde für die Bürger zu den geplanten Windkraftanlagen kürzlich organisiert hatte, eindringlich hingewiesen.
Und auch vor Beginn der Gemeinderatssitzung hatte Kayser den Räten erneut dargelegt, welche Bedrohung für die Vögel durch die Windräder entstehen würde – bis der Bürgermeister dazwischen ging: „Keine Beeinflussung vor der Sitzung!“
Den Richtlinien des Winderlasses nach darf eine Windkraftanlage nicht in weniger als 1200 Meter Abstand zu europäischen Vogelschutzgebieten errichtet werden. Das ist in dem Gebiet südlich von Amerdingen Kaysers Rotmilan-Kartierungen nach jedoch der Fall. „Wir machen als Gemeinderat keine Gesetze, sondern müssen sie befolgen“, meinte Bürgermeister Schmidt und blickte seinen Ratsmitgliedern der Reihe nach in die Augen, bevor er nach Meinungen zu dem Thema fragte. So ergriff auch keiner der Gemeinderäte in der anschließenden Diskussion das Wort, sondern ein
„Keine Beeinflussung vor der Sitzung.“
Bürgermeister Hermann Schmidt
Amerdinger Bürger. Clemens Berchtenbreiter forderte, einen Teil zur Energiewende beizutragen. „Wenn wir uns der Windkraft jetzt verschließen, ist der Zug vielleicht abgefahren“, sagte Berchtenbreiter. Zuhörer Dr. Eberhard Stolz entgegnete, dass der Beitrag der Windkraft zur Energiewende nur marginal sei. Auch Reimut Kayser meldete sich zu Wort und sprach von immer größer werdenden Windrädern und warnte erneut vor den Gefahren für die Rotmilane.
Der Gemeinderat, so schien es, hatte die Entscheidung ohnehin längst gefällt. Mit 7:0 Stimmen entschieden sich die Räte gegen den möglichen Windpark. Und bestätigten damit die Bedenken, die schon die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts geäußert hatte (wir berichteten). Ein Vertreter der Familie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg war am Dienstagabend nicht anwesend. Die Entscheidung, ob Windkraftanlagen in Amerdingen gebaut werden dürfen, obliegt nun dem regionalen Planungsverband. Dieser wird sich den Stellungnahmen der Behörden nach voraussichtlich auch gegen den Windpark im Kesseltal entscheiden.
Die einzige Chance für die Befürworter wäre vermutlich ein neues Gutachten, das eine Beeinflussung der Tiere – oder deren Existenz – im Bereich der Windanlagen widerlegt.