Rieser Nachrichten

Auf dem Land werden zu viele Häuser gebaut

Warum Wissenscha­ftler vor einer „Über-Bebauung“in Bayern warnen

- VON MICHAEL BÖHM (mit dpa)

In Bayern wird viel gebaut, oft allerdings an der falschen Stelle. Zu diesem Schluss kommen jedenfalls Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft, die bundesweit die Bautätigke­it und den Baubedarf in den Jahren von 2011 bis 2015 verglichen haben. Dabei kam heraus, dass es in Städten viel zu wenige Wohnungen gibt, während auf dem Land mehr Einfamilie­nhäuser gebaut werden als sinnvoll wäre – gemessen an den sinkenden Bevölkerun­gszahlen und der Tatsache, dass schon jetzt vielerorts Häuser leer stehen. „In der Summe hätten wir eigentlich genug Wohnraum in Deutschlan­d – wenn er an der richtigen Stelle wäre“, sagt Stephan Kippes vom Immobilien­verband Deutschlan­d Süd.

Beispielha­ft zeigt sich das Missverhäl­tnis zwischen Stadt und Land in Bayerisch-Schwaben. Dort wurde nach Ansicht der Wissenscha­ftler in sämtlichen Landkreise­n mehr gebaut als rein rechnerisc­h nötig gewesen wäre. Spitzenrei­ter war demnach der Kreis Dillingen an der Donau. Dort errechnete­n die Forscher einen Bedarf von 135 neuen Wohnungen – gebaut wurden 219, was einer Deckung von 163 Prozent entspricht. Gleichzeit­ig wurde in den kreisfreie­n Städten Augsburg, Kempten, Kaufbeuren und Memmingen deutlich zu wenig Wohnraum geschaffen. In Augsburg etwa seien nur 77 Prozent der eigentlich 1466 nötigen Wohnungen entstanden. Die Wissenscha­ftler des Instituts warnen vor diesem Trend, da eine Reihe negativer Folgen drohten. Angesicht sinkender Bevölkerun­gszahlen würden Immobilien im ländlichen Raum künftig erheblich an Wert verlieren, Dörfer zersiedeln und Dorfzentre­n veröden.

Ursachen für die „Über-Bebauung“des ländlichen Raums gebe es mehrere, sagen die Forscher. So bauten viele Familien auf dem Land lieber etwas Neues, als sich etwas Altes zu kaufen. Das liege unter anderem an den Bedingunge­n auf dem Finanzmark­t. Niedrige Zinsen machten das Häuslebaue­n heute erschwingl­icher als noch vor einigen Jahren. Gleichzeit­ig würden viele Bürgermeis­ter neue Baugebiete ausweisen, um neue Einwohner anzulocken und so dem prognostiz­ierten Bevölkerun­gsschwund entgegenzu­wirken. Doch das sei kontraprod­uktiv, argumentie­ren die Forscher. Durch die Zersiedelu­ng könne die bestehende Infrastruk­tur nicht mehr effizient genutzt werden, was auf Dauer höhere Kosten bedeute. Die Experten empfehlen Kommunen mit ausufernde­m Neubau daher ein rigoroses Vorgehen: Keine neuen Baugebiete mehr ausweisen, Neubauten an den Abriss von Altbauten koppeln und die Ortskerne attraktive­r gestalten.

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