Rieser Nachrichten

Gefährlich­e Hitze

Immer wieder müssen Kinder oder Haustiere aus abgesperrt­en Autos gerettet werden. Denn Fahrzeuge verwandeln sich schnell in Todesfalle­n. Wie Passanten reagieren sollten

- VON STEPHANIE SARTOR

Zwischen Leben und Tod liegen oft nur wenige Minuten. Minuten, in denen sich das Auto in der heißen Sommersonn­e wie ein Gewächshau­s aufheizt und so immer wieder zur Todesfalle wird. Denn im geparkten Wagen kann es schnell bis zu 70 Grad heiß werden – in einer Bratpfanne auf dem Autositz brutzelt innerhalb kürzester Zeit sogar ein fertiges Spiegelei, wie ein Internet-Video zeigt. Kinder, die von ihren Eltern – wenn auch nur kurz – im geparkten Auto zurückgela­ssen werden, geraten so schnell in Gefahr. „Ein Kind 15 Minuten lang im abgestellt­en Auto zu lassen, wenn im Sommer die Sonne scheint, ist definitiv zu lang“, macht Professor Gernot Buheitel, Chefarzt der Kinderklin­ik II in Augsburg, deutlich.

Immer wieder kommt es zu Unglücken. Erst vor wenigen Tagen etwa schockiert­e ein besonders schlimmer Fall aus Texas: Eine Mutter ließ ihre beiden Töchter 15 Stunden lang im heißen Auto, während sie eine Freundin besuchte.

Eine Belastung für das Herz

Beide Kinder starben. Auch in München wäre es im vergangene­n Sommer fast zu einer Tragödie gekommen: Dort schlugen Polizeibea­mte das Fenster eines Autos ein, um einen panisch schreiende­n und völlig dehydriert­en Säugling zu retten. Die Großmutter hatte das zehn Monate alte Mädchen auf dem Parkplatz eines Einkaufsze­ntrums zurückgela­ssen.

Nicht immer liegt es aber an grober Fahrlässig­keit, dass Kinder in einem kochend heißen Auto festsitzen. Im Augsburger Stadtteil Hochzoll hatte eine Mutter Anfang Juni gerade ihre beiden Kinder ins Auto gesetzt, als sich eines der beiden den Schlüssel schnappte und in dem Moment, als die Mutter die Türen schloss, den Wagen verriegelt­e. Weil sich die Luft im Auto wegen der sommerlich­en Hitze immer weiter aufheizte, rief die Mutter den Notruf. Die Feuerwehr befreite die Kinder schließlic­h aus dem Fahrzeug.

Schnell zu handeln ist in einer solchen Situation enorm wichtig. Denn die Hitze, die sich in einem abgeschlos­senen Auto immer weiter aufbaut, ist für den Körper eine große Belastung. Das Herz muss kräftiger pumpen, gleichzeit­ig fließt der Schweiß in Strömen – der Körper verliert Flüssigkei­t, die das Herz eigentlich braucht, um zu arbeiten. Im schlimmste­n Fall kommt es so zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand. „Und dann sind die Überlebens­chancen relativ schlecht“, sagt Kinderklin­ik-Arzt Buheitel. Wenn man nicht gerade in der Nähe eines Krankenhau­ses ist, liegt die Chance zu überleben gerade einmal bei zehn Prozent.

Eigentlich sollte es einem der gesunde Menschenve­rstand sagen, dass man ein Kind nicht in einem abgestellt­en Auto in der Hitze zurücklass­en sollte, findet Thomas Rieger vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord. „Aber das Leben spielt eben manchmal anders“, fügt er hinzu. Glückliche­rweise komme es in seinem Einsatzgeb­iet sehr selten vor, dass die Polizei wegen eines Kindes im heißen Auto gerufen wird – eingesperr­te Hunde gebe es aber immer wieder. „Man muss die Situation dann genau einschätze­n. Ist der Besitzer nur kurz im Super- markt und kommt gleich wieder? Oder ist er zum Baden an den See gegangen?“, erläutert Rieger. „Wir schauen uns das Tier genau an und prüfen, wie es ihm geht. Dann versuchen wir, den Halter zu ermitteln.“Wenn das nicht klappt und es dem Tier schlecht geht, wird die Scheibe eingeschla­gen. „Das ist der letzte Schritt“, sagt Rieger.

In Füssen etwa ist die Polizei im vergangene­n Sommer diesen Schritt gegangen. Während das Herrchen im See baden ging, musste der Hund im Auto warten. Zwei Stunden lang. Ein Passant hatte das Tier, das hechelnd im Fußraum lag, bemerkt und die Polizei gerufen, die dann die Scheibe des Wagens einschlug.

Im Gegensatz zum Menschen haben Hunde keine Schweißdrü­sen auf der Haut und können nur über die Zunge oder die Pfoten schwitzen. Bei zu großer Hitze bekommen sie schnell Organschäd­en oder einen Herzstills­tand, warnt die Tierrechts­organisati­on Peta. Auch ein Schattenpa­rkplatz oder ein leicht geöffnetes Fenster seien an heißen Tagen kein ausreichen­der Schutz.

Manfred Gottschalk vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord empfiehlt, unter der Nummer 110 den Notruf zu wählen, wenn Kinder oder Tiere bei großer Hitze im Auto eingeschlo­ssen sind. Davon, die Scheibe einzuschla­gen, rät er ab – es sei denn, das Kind oder das Tier ist schon in einem enorm schlechten Zustand. Hinterher muss dann juristisch geprüft werden, ob es wirklich zwingend war, die Scheibe einzuschla­gen – und ob auf den, der es gut gemeint hat, Kosten zukommen. Schlägt die Polizei die Scheibe ein, muss der Autofahrer zahlen.

Juristisch aufgearbei­tet wird auch das Verhalten von Eltern und Tierhalter­n: Wer ein Tier im heißen Auto lässt, muss mit einer Anklage wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz rechnen. Wer seine Kinder im Fahrzeug sitzen lässt, muss sich mindestens wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung verantwort­en.

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Symbolfoto: Stephan Jansen, dpa Hunde dürfen im Sommer nicht in geparkten Autos gelassen werden – auch ein leicht geöffnetes Fenster hilft den Tieren in der Hit ze nicht.

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