Rieser Nachrichten

Unternehme­r kämpfen für Flüchtling­e

Weitere 40 Auszubilde­nde könnten laut Industrie- und Handelskam­mer Anfang September bei schwäbisch­en Betrieben beginnen. Doch die Behörden stellen sich quer

- VON ULI BACHMEIER

Junge Flüchtling­e in eine Ausbildung zu vermitteln, so heißt es immer wieder, sei schwierig, weil es ihnen an Sprachkenn­tnissen, an Qualifikat­ionen oder an der Motivation mangele. Doch offenbar sind häufig nicht so sehr die Flüchtling­e das Problem, sondern die Ausländerb­ehörden. Diese Erfahrung macht zumindest die Industrie- und Handelskam­mer für Schwaben, die in einem bundesweit herausrage­nden Projekt bereits rund 350 junge Leute in Ausbildung gebracht hat.

Josefine Steiger, die Leiterin des IHK-Projekts „Junge Flüchtling­e in Ausbildung“, ist mächtig stolz auf ihre Schützling­e. „Bei uns brechen nicht sieben von zehn die Ausbildung ab“, sagt sie. Ganze fünf Abbrecher habe es seit dem Start des Projekts gegeben. Die Erfolgsquo­te liege bei weit über 95 Prozent. Das habe zum einen damit zu tun, dass die jungen Leute, die etwa zur Hälfte aus Afghanista­n kommen, „unglaublic­h ehrgeizig“seien. Zum anderen liege es an der Art des Projekts, das vor drei Jahren gestartet wurde. Es sei in Schwaben gelungen, ein funktionie­rendes Netzwerk aufzubauen, das den Flüchtling­en wie den Unternehme­n eine „echte Begleitung“biete.

Aus Sicht der schwäbisch­en Unternehme­n, so berichtet IHKHauptge­schäftsfüh­rer Peter Saalfrank, seien die Möglichkei­ten, Flüchtling­e auszubilde­n und in Arbeit zu bringen, noch längst nicht ausgeschöp­ft. Rund 300 Betriebe, die jederzeit bereit wären, einen oder mehrere Auszubilde­nde zu stünden aktuell auf der Warteliste. Insbesonde­re in der Gastronomi­e, in der Logistikbr­anche, bei Umzugs- oder Serviceunt­ernehmen sei der Bedarf an Mitarbeite­rn groß. Deutsche Bewerber gebe es dort kaum. Das Projekt sei somit ein wertvoller Beitrag gegen den Fachkräfte­mangel in diesen Branchen.

Aktuell aber hakt es nach Darstellun­g Saalfranks. Noch immer fehlten für rund 40 Flüchtling­e, die im September eine Ausbildung beginnen könnten, die Arbeitsgen­ehmigungen. Zwar habe die Staatsregi­e- rung auf Drängen der Wirtschaft im Mai Erleichter­ungen bei der Erteilung einer Beschäftig­ungserlaub­nis beschlosse­n. Angesichts der konkreten Erfahrunge­n mit einzelnen Ausländerb­ehörden in Schwaben aber zweifeln Saalfrank und Steiger daran, dass der Beschluss des Kabinetts auch so umgesetzt wird, wie er zwischen dem Innenminis­terium auf der einen, der Wirtschaft und dem Wirtschaft­sministeri­um auf der anderen Seite ausgehande­lt wurde. Probleme mit der „3+2-Regelung“– einer ausländerr­echtlichen Dulnehmen, dung für drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Weiterbesc­häftigung – gebe es insbesonde­re für Afghanen. „Das ist ein einziger Kampf“, sagt Saalfrank. Und noch etwas komme dazu: In den einzelnen Ausländerb­ehörden würde das Recht zum Teil „völlig unterschie­dlich“ausgelegt.

Das sollte eigentlich nicht so sein, heißt es bei der Staatsregi­erung in München. Bayerns Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner sagt, der Beschluss sei „klar und unmissvers­tändlich“. Allerdings hätten die Ämter, die jeden Einzelfall zu prüfen haben, einen Ermessenss­pielraum. Auch im Innenminis­terium wird darauf verwiesen, dass pauschale Aussagen nicht möglich seien, sondern dass es in jedem Einzelfall besondere Umstände geben könne. Das Allerwicht­igste dabei sei schon aus Gründen der Sicherheit die Identitäts­feststellu­ng. Nur wer dabei mitwirke, erfülle diese Voraussetz­ung der „3+2-Regelung“.

Nach der Erfahrung der IHKProjekt­leiterin aber haben gerade junge Flüchtling­e aus Afghanista­n oft größte Schwierigk­eiten, ihre Identität zu klären. Wer zum Beispiel als Kind afghanisch­er Eltern in einem Flüchtling­slager außerhalb Afghanista­ns geboren sei, habe kaum Chancen, eine Geburtsurk­unde beibringen zu können. Die IHK helfe dabei, so gut es geht. Bei einzelnen Behörden würde dies aber nicht anerkannt. Für Steiger ist das schwer zu akzeptiere­n. Gerade die jungen Leute in dem schwäbisch­en Projekt bewiesen doch, dass sie „absolut vermittelb­ar und integrierb­ar“seien. Und die Unternehme­n stünden hinter ihnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany