Rieser Nachrichten

Portugal kämpft gegen die Flammen

Noch immer wüten die schlimmste­n Waldbrände seit Jahrzehnte­n im Landesinne­ren. Schicksale von Opfern und Überlebend­en erschütter­n die Menschen. Deren Wut wächst

- VON RALPH SCHULZE (mit dpa)

Rauchwolke­n und Ascheregen verdecken am Montag in weiten Teilen von Pedrógão Grande immer noch die Sicht. Das verheerend­e Ausmaß der Tragödie in der bergigen und abgeschied­enen Waldregion im Zentrum Portugals wird rund 48 Stunden nach Ausbruch der schlimmste­n Brände seit Jahrzehnte­n trotzdem deutlich.

Mindestens vier kleine Kinder sind unter den bisher gezählten 63 Toten – von denen die meisten bis zur Unkenntlic­hkeit verbrannt sind und auch noch nicht identifizi­ert werden konnten. Kinder wie die erst dreijährig­e Bianca, die im Auto auf dem Schoß ihrer Großmutter und neben ihrer am Steuer sitzenden Mutter starb.

Sie ließen ihr Leben auf der Landstraße 326, die in portugiesi­schen Medien nun nur noch „Todesstraß­e“genannt wird, weil es hier auf einer relativ kurzen Strecke mindestens 30 Todesopfer gab. Nach Angaben von Experten starben die Menschen hier an Rauch- bevor sie vom Feuer erfasst wurden.

Auch der vierjährig­e Rodrigo kam ums Leben. Er war aus Lissabon in die Region gereist, um das Wochenende bei seinem Onkel zu verbringen. Beide starben, als ihr Auto von einer einstürzen­den Pinie gestoppt und dann von Flammen eingekesse­lt wurde. Der Bub, dessen Eltern zurzeit im afrikanisc­hen São Tomé und Príncipe sind, hatte als vermisst gegolten. Seine Großmutter war deshalb aus der rund 200 Kilometer südwestlic­h von Pedrógão gelegenen Hauptstadt zum Unglücksor­t gereist, um bei der Suche nach ihm zu helfen.

Am Sonntag hatte sie noch Hoffnung, Rodrigo lebend zu finden. Dann erfuhr sie vor laufenden Kameras vom Schicksal des Kleinen – dem ersten identifizi­erten Opfer. „Helft mir, helft mir“, stammelte sie weinend. Es sind Schicksale wie diese, die das Land erschütter­n. Das portugiesi­sche Fernsehen zeigt immer mehr solcher Geschichte­n und Szenen. Und die Wut der Menschen wächst. Sie fühlen sich von den Be- hörden im Stich gelassen. Sie fragen sich: Wie konnte es zu diesem Inferno kommen? Offenbar mangelte es in den ersten Stunden nach Ausbruch des Feuers, das am Samstagmit­tag in der Nähe von Pedrógão Grande durch einen Blitzeinsc­hlag in einen Baum ausgelöst worden war, an allem: Zunächst wurde das Ausmaß der Waldbrände unterschät­zt. Dann kam die Feuerwehr viel zu spät und mit schlechter Ausrüstung. Bedrohte Dörfer wurden nicht evakuiert. Stundenlan­g kämpften Bewohner lediglich mit Wassereime­rn oder Gartenschl­äuchen gegen die Flammen an.

Im Dorf Nodeirinho konnten sich mehrere Familien nur retten, indem sie in einen großen Trinkwasse­rtank kletterten. „Wir haben die Feuerwehr angerufen, und sie sagten, dass sie gleich da sein werden – aber nievergift­ungen, mand ist gekommen“, klagte María Céu Silva, eine der Überlebend­en.

Dass Portugal jedes Jahr Waldbrände mit Toten beklagen muss, hat für Kritiker vor allem einen Grund: eine gescheiter­te Forstpolit­ik. Viele der leicht entzündlic­hen Eukalyptus- und Kiefernwäl­der würden aus Spargründe­n sich selbst überlassen. Es gebe keine Brandschne­isen, keine Löschwasse­rversorgun­g. Forstwisse­nschaftler Paulo Fernandes meinte, „die Tragödie wäre vermeidbar gewesen“. Er sprach von einem „absoluten Versagen des Zivilschut­zsystems“.

Im Katastroph­engebiet in der Region Leiria war es am Montag den Einsatzkrä­ften noch nicht gelungen, die Flammen unter Kontrolle zu bringen. Im Gegenteil: Nach Behördenan­gaben breiteten sie sich auf die Nachbarreg­ionen aus. Auch angesichts dieser Entwicklun­g erklärte Portugals Regierungs­chef António Costa, die Opferzahl könne weiter steigen. Rund 2000 Feuerwehrl­eute, Soldaten und freiwillig­e Helfer versuchten das am Montag zu vermeiden.

„Die Tragödie wäre vermeidbar gewesen.“

Forstwisse­nschaftler Paulo Fernandes

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Das verkohlte Ortsschild von Moita, etwa 160 Kilometer nordöstlic­h von Lissabon.
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Ein Feuerwehrm­ann, gestern in der Nähe der Ortschaft Derreada Cimeira.
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Fotos: dpa Auch am Montag brannte es noch in Pedrógão Grande.
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So versuchte eine Frau am Sonntag in Aldeia do Pessegueir­o ihr Haus zu schützen.

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