Rieser Nachrichten

Videobewei­s sorgt für Verwirrung

Das elektronis­che Auge prägt den Auftakt des Confed Cups in Russland. Am ersten Spieltag ziehen es die Schiedsric­hter viermal zurate. Die Ergebnisse stellen zufrieden. Der Teufel aber steckt auch hier im Detail

- (dpa)

Am Ende des Spiels war die Verwirrung komplett. Bei der Partie Chile gegen Kamerun wendete Schiedsric­hter Damir Skomina aus Slowenien in der Nachspielz­eit zum zweiten Mal den Videobewei­s an. Erst hatte er ein Tor des früheren Bundesliga-Stürmers Eduardo Vargas nicht gegeben, dann ließ er sich von seinem Assistente­n am Bildschirm umstimmen. Die Spieler standen währenddes­sen ratlos auf dem Rasen des Moskauer SpartakSta­dions. Und viele Zuschauer dachten, dies sei der Schlusspfi­ff, als Skomina nach einer gefühlten Ewigkeit entschied: Tor für Chile, 2:0 durch Vargas. Dabei blieb es dann.

Jahrelang wurde der Videobewei­s im Fußball von Fans, Experten und Spielern gleicherma­ßen gefordert. Doch jetzt, wo er beim Confed Cup zum ersten Mal testweise eingesetzt wird, sind die Diskussion­en beinahe genauso groß wie vorher. „Es ist wahr: Dieses System kann eine Menge Atemnot hervorrufe­n“, sagte Chiles Trainer Juan Antonio Pizzi. „Am Ende wird die Technologi­e aber wahrschein­lich mehr Gerechtigk­eit in das Spiel bringen.“

Insgesamt vier Mal wurde die Frage „Tor oder kein Tor?“am Sonntag bei den beiden Spielen zwischen Chile und Kamerun (2:0) sowie Portugal und Mexiko (2:2) erst nach einer Befragung des Video-Referees Bei jedem Spiel verfolgen zwei Videore ferees und ein Linienrich­ter in einem Raum im Stadion die Partie auf mehre ren Bildschirm­en. Trifft der Schieds richter bei spielentsc­heidenden Szenen wie Tor, Elfmeter, Roter Karte oder der Bestrafung eines falschen Spielers eine aus ihrer Sicht falsche Entschei dung, kontaktier­en sie ihn über Funk.

Muss der Schiedsric­hter das Urteil der Videorefer­ees akzeptiere­n? Nein. Der Schiedsric­hter kann es sofort entschiede­n. Und damit wurden Stärken und Schwächen dieses Systems gleich am ersten Wochenende des Turniers offengeleg­t. In allen vier Fällen wurde durch den Videobewei­s am Ende eine korrekte Entscheidu­ng herbeigefü­hrt. Ein erster Treffer von Vargas gegen Kamerun wurde zunächst gegeben, aber dann wieder aberkannt (45.+1). Der Ex-Hoffenheim­er stand knapp im Abseits. Bei seinem Tor zum 2:0 (90.+1) lief es genau umgekehrt: Zunächst entschied der Schiedsric­hter auf Abseits. Dann gab er das reguläre Tor doch. Auch beim Spiel Portugal gegen Mexiko zahlte sich der Einsatz der Technologi­e annehmen oder sich die Szene auf einem Bildschirm am Spielfeldr­and nochmals anschauen. Letztlich trifft er auf dem Platz dann die letzte Ent scheidung. Beim Confed Cup folgten die Schiedsric­hter in allen vier Fällen sofort den Videorefer­ees und lagen damit richtig.

Nach dem Confed Cup wird das System in einigen nationalen Ligen weiter getestet, auch in der Bundesliga. Dabei wird sich der Videobewei­s im Fuß aus. Ein Abseits-Tor für den Europameis­ter wurde nach Rücksprach­e mit dem Video-Schiedsric­hter nicht gegeben (21.). Beim 2:1 durch Cedric Soares (86.) ergab die Befragung: alles korrekt. „Wichtig ist: Es wurden die richtigen Entscheidu­ngen getroffen“, sagte auch Kameruns Trainer Hugo Broos. „Der Videobewei­s kann etwas sehr Wichtiges werden. Das hat sich heute gezeigt.“

In allen vier Fällen dauerte die Entscheidu­ngsfindung allerdings auch sehr lange und stiftete dadurch viel Verwirrung. Nach Chiles vermeintli­chem Führungsto­r hatten die Südamerika­ner schon ausgiebig gejubelt ball Alltag bewähren müssen. Die Er gebnisse werden dann vom Interna tional Football Associatio­n Board (IFAB) bewertet. Nur die Regelhüter des Fußballs können entscheide­n, ob und in welcher Form der Videobewei­s dau erhaft Einzug in den Profifußba­ll hält.

Der Weltverban­d hatte vorab schon ge warnt. Das System ist noch in der Testphase, Holprigkei­ten sind nicht auszuschli­eßen. Statements waren vorerst aber nicht vorgesehen. (dpa) und auch Kameruns Team stand längst wieder zum Anstoß bereit. Erst dann entschied der Referee: doch kein Tor.

Gerade diese Szene zeigte zudem: Manchmal sind Abseits-Positionen selbst mithilfe bewegter Bilder nur schwer zu erkennen. Über die Frage „War der Treffer von Vargas regulär oder nicht?“ließ sich auch nach dem Videostudi­um noch weiterdisk­utieren. Einen anderen kritischen Punkt sprach Portugals Trainer Fernando Santos an: Wann wird der Videobewei­s eingesetzt und wann nicht? „Der Video-Referee wurde nur bei unseren Toren benutzt, obwohl die Szene vor dem 2:2 auch sehr komplex war“, sagte er. Mexikos Héctor Moreno (90.+1) hatte in der Nachspielz­eit noch den Ausgleich erzielt. Selbst Mexikos Stürmer Javier Hernandez von Bayer Leverkusen meinte hinterher: „Es ist etwas schwierig, sich daran zu gewöhnen.“

Noch befindet sich der Videobewei­s nur in der Testphase. Ob er in einem Jahr auch bei der Weltmeiste­rschaft in Russland eingesetzt wird, ist noch nicht entschiede­n. Per Funk sind die Schiedsric­hter mit einem Assistente­n vor einem Bildschirm verbunden. Eingegriff­en werden soll nur bei entscheide­nden Situatione­n wie Toren, Abseits, Roten Karten oder Elfmetern.

Die wichtigste­n Fragen zum Videobewei­s

Männerturn­ier in Halle 2. Tag

FUSSBALL U21 EM Sport1, 17.55 Uhr Serbien – Maze donien 20.40 Uhr Portugal – Spanien

 ?? Foto: dpa ?? Chiles Vargas (Nr. 11) erzielt aus der Ab seitsposit­ion ein Tor, das vom Schieds richter auf Grundlage des Videobewei­ses aberkannt wurde. Kleines Bild: der Mo ment des Zuspiels.
Foto: dpa Chiles Vargas (Nr. 11) erzielt aus der Ab seitsposit­ion ein Tor, das vom Schieds richter auf Grundlage des Videobewei­ses aberkannt wurde. Kleines Bild: der Mo ment des Zuspiels.

Newspapers in German

Newspapers from Germany