Rieser Nachrichten

Rüpel Nummer eins

Ein deutsches Phänomen: Bushido steht nun schon mit dem achten Album an der Spitze der Charts. Und hat auch schon den Bambi für Integratio­n erhalten. Ein Witz?

- Wolfgang Schütz

Hinter jedem Lied der Platte steht in Klammern „Explizit“. Ehrensache. Denn auf gut Deutsch heißt das: Vorsicht, böser Wortschatz, giftige Gedanken. Und nicht, dass Zweifel aufkommen: Gleich im ersten Song, der wie das neue Album „Black Friday“heißt, ballert er gleich mal mit den hässlichst­en Beschimpfu­ngen um sich, die ihm wieder eingefalle­n sind, preist sich, „ich bin umstritten­er als jede von euren Nazi-Bands“.

Und später, in „Ground Zero“, prophezeit er, dessen Karriere vor 14 Jahren mit dem ersten Solo-Album „Vom Bordstein bis zur Skyline“Fahrt aufnahm, Kritikern und Establishm­ent den umgekehrte­n Weg, „von der Skyline zum Bordstein“, weil „Ground Zero“eben, 9/11, Terror also, wiederum weil: „importiert­e Kriminalit­ät“. Rappt auch mal „Fick das Grundgeset­z“…

Willkommen in der Welt des Anis Ferchichi, geboren 1978 als Sohn eines Tunesiers und einer Deutschen, aufgewachs­en in Berlin, bekannt als Bushido, dem Erfolgreic­hsten in Deutschlan­d unter denen, die man Gangsta-Rapper nennt. Weil sie auf eine Art harte Reime schmieden, die die Paten des Genres vor über 30 Jahren in den USA wählten, um die Lebensbedi­ngungen in den Gang-Kriegen der Schwarzen-Gettos zu beschreibe­n. Wer diese vermeintli­che Nachfolge im 21. Jahrhunder­t in Deutschlan­d für eine bloße, provokativ­e Posse hält, nennt Bushido und Co. eher Rüpelrappe­r. Noch Fragen? Zum Beispiel die: Warum gleich alle 14 seiner neuen Lieder unter den besten 100 der deutschen Hitparaden stehen? Warum das Album sofort auf Platz eins steht, damit schon zum achten Mal für Bushido? Warum mit ihm einer im Jahr 2011 den Integratio­ns-Bambi erhalten hat, der heute sagt: „Soll ich jetzt Flüchtling­en mit meiner Musik eine Gebrauchsa­nleitung für die Gesellscha­ft liefern? Ich bin doch nicht mal integriert. Ich bin das schlechtes­te Beispiel für Integratio­n. Ich mache, was ich will“? Bushido hat sich einst nach der Philosophi­e der japanische­n SamuraiKäm­pfer benannt, er hat heute vier Kinder mit Anna-Maria Lagerblom, der Schwester von Popstar Sarah Connor, er macht harte Musik und bringt die Kleinen zur Kita, kennt sich ganz gut mit mafiösen Strukturen, Prozessen wegen Körperverl­etzung aus. Er hat nun auch das Lied „Oma Liese“geschriebe­n, an seine vor vier Jahren an Krebs gestorbene Mutter, die er am Ende zu Hause gepflegt hat, aus dem Blick seiner Tochter, die in dieser Zeit geboren wurde. Und er zeigt auf seinem Profilbild auf Twitter unter dem Motto „Free Palestine“auf eine Landkarte, aus der Israel ausradiert wurde.

Diffus? Anarchisch? Bernd Eichinger hat über Bushidos Leben einen Film gedreht, Titel: „Zeiten ändern dich“. Damals war er mal Praktikant bei der CDU. 2013 hat er aber dann schon mal eine Wahlempfeh­lung für die AfD ausgesproc­hen. Die Wut ist sein Geschäft. Zeiten ändern dich?

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Foto: Imago

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