Rieser Nachrichten

Der tiefe Fall der Theresa May

Premiermin­isterin steht vor dem Aus. Der Auftritt der Königin hat sie nicht gerettet

- VON KATRIN PRIBYL

Premiermin­isterin Theresa May ist zwar offiziell im Amt, aber keineswegs an der Macht. Das hat die Queen’s Speech, die Ansprache von Königin Elisabeth II., am Mittwoch mehr als deutlich gezeigt. Die Zeremonie war noch vor zwei Monaten als Mays politische Krönung gedacht. Jetzt hat das Spektakel jedoch die Realität verdeutlic­ht, in der die Regierungs­chefin von der gefeierten Führungsfi­gur zur Marionette ihrer Partei tief gefallen ist.

Täglich kreisen die Diskussion­en in Westminste­r darum, wie lange sich May noch halten kann nach einem schlechten Wahlkampf, etlichen Patzern und dem Verlust der absoluten Mehrheit im Parlament. Bis zum Herbst? Bis nächstes Jahr? Oder wird sie erst in zwei Jahren ersetzt? Die Frage ist nicht ob, sondern wann sie geht.

Das von der Monarchin verlesene Regierungs­programm hat offenbart, dass Mays Ambitionen, einen Wandel im Königreich einzuläute­n, genauso geschrumpf­t sind wie die Zahl der konservati­ven Parlaments­sitze. Von ihren angestrebt­en Reformen, etwa im Bildungswe­sen oder zur Finanzieru­ng der Altenpfleg­e, ist nichts mehr übrig. Selbst konservati­ve Parteikoll­egen schieben den Misserfolg bei der von ihr unnötig ausgerufen­en Neuwahl unter anderem auf das Programm der Tories.

Beim EU-Ausstieg verfolgt Theresa May dagegen weiterhin ihre harte Linie, auch wenn sie dem Volk konkrete Details schuldig bleibt. Es ist mittlerwei­le fast peinlich mit anzusehen, wie London offenbar ohne Plan, dafür mit übersteige­rtem Selbstbewu­sstsein, in die höchst komplexen Verhandlun­gen mit Brüssel zieht.

Verflechtu­ngen aus mehr als 40 Jahren müssen aufgelöst werden. Dabei kann es nur um Schadensbe­grenzung gehen – zudem um eine Lösung, die Großbritan­niens Wirtschaft so wenig Nachteile wie möglich bringt. Die Politik dagegen wird lange brauchen, um sich von dem selbst zugeführte­n, ramponiert­en Ruf außerhalb der Insel zu erholen.

Und doch macht der harte Brexit vermutlich am meisten Sinn. Denn in einer Sache haben die Europagegn­er Recht: Würde das Königreich weiter der Zollunion und dem gemeinsame­n

Nächste Woche steht die Nagelprobe an

Binnenmark­t angehören, müsste es auch weiter die Vorschrift­en der EU einhalten und in die EU-Kasse einzahlen. Sogar die Einwanderu­ng könnte London dann nicht selbst kontrollie­ren. Hätte man dann nicht gleich Mitglied in der Gemeinscha­ft bleiben können?

Als zu kühn könnte sich dagegen Mays Schritt herausstel­len, die Queen’s Speech anzusetzen, bevor ein Deal mit der nordirisch­en Regionalpa­rtei DUP steht. Von ihr will sich die Premiermin­isterin in einer Minderheit­sregierung dulden lassen. Doch in den Verhandlun­gen mit dem möglichen Partner hält sie kaum noch Trümpfe in der Hand, zu abhängig ist sie vom möglichen neuen Partner. Die erzkonserv­ativen Königsmach­er dürften ihre Wünsche nun noch einfacher durchsetze­n, insbesonde­re die Forderung nach mehr Geld für Nordirland.

Nächste Woche wird im Unterhaus über das Regierungs­programm abgestimmt. Dann wird sich zeigen, ob die DUP May tatsächlic­h unterstütz­t und ob ihre eigenen Abgeordnet­en den Weg der Vorsitzend­en mitgehen. Ansonsten droht ein Misstrauen­svotum. Die Regierung wäre gescheiter­t und Großbritan­nien stünde erneut ein Polit-Drama bevor, inklusive möglicher Neuwahlen. Dabei bräuchte das Land derzeit vor allem etwas Ruhe, Sicherheit und Stabilität.

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Foto: Emmanuel Dunand, afp Theresa May: Wie lange kann sie sich noch halten?

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