Rieser Nachrichten

Das unstete Leben des Gunter Gabriel

Der Countrysän­ger war in seinen guten Zeiten ein starker Musiker. Aber er war auch einer, der viel Mist gebaut hat. Im Alter von 75 Jahren ist er nun gestorben

- VON WOLFGANG LANGNER RTL-Dschungelc­amp Vox RTL-Dschungelc­amp

Es war irgendwie tieftrauri­g, wie Gunter Gabriel im Lauf der vergangene­n Jahre immer tiefer die Karrieretr­eppe hinunterst­ürzte. Schockiere­nd, weil Gabriel einmal ein ganz Großer der deutschen Musikszene war. Einer mit einer sensatione­ll starken, sonoren Stimme; einer, der plötzlich den Countrysou­nd im Land wieder salonfähig machte; und einer, der oben auf der Bühne gegen das Establishm­ent wetterte.

Jedoch wenn man in den vergangene­n Jahren über Gabriel sprach, hatte das nichts mehr mit Musik zu tun. Da ging es dann darum, dass er – wie so viele andere Dumpfbacke­n – im hockte. Da ging es um Alkoholexz­esse, um finanziell­e Pleiten oder darum, dass er gegenüber einer Freundin handgreifl­ich wurde. Er hatte ein schönes und zugleich unschönes Leben.

Seine Agentur hat nun mitgeteilt, dass der Sänger am 10. Juni, am Abend vor seinem 75. Geburtstag, auf einer Steintrepp­e gestolpert ist. Gestern sei er gestorben. Bei dem Sturz habe er einen Bruch des ersten Halswirbel­s erlitten. Obwohl er an- schließend dreimal in einem Krankenhau­s in Hannover operiert worden sei, hätten die Ärzte sein Leben nicht mehr retten können.

Leicht hatte es Gabriel, der 1942 in Bünde (Westfalen) geboren wurde, noch nie. Bereits vier Jahre nach seiner Geburt starb seine Mutter an den Folgen einer Abtreibung. Vom Vater setzte es regelmäßig Prügel. Vielleicht ein Indiz dafür, dass Gabriel später mit der eigenen Vaterrolle nie zurechtkam. Für seine vier Kinder Yvonne, Patricia, Lisamarie und Gabriel war er, wie er einmal sagte, ein „Scheißvate­r“. Seine älteste Tochter Yvonne versuchte sogar einmal, im Rahmen einer Dokumentat­ion des Fernsehsen­ders mit ihrem Vater das schlechte Verhältnis aufzuarbei­ten.

Von seinem eigenen Vater konnte er sich durch die Musik befreien. Gabriel wollte raus aus dem Sumpf, aus diesen ärmlichen Verhältnis­sen – und Talent dazu hatte er zur Genüge. 1955 bei einer Klassenfah­rt hatte ihn ein Jugendherb­ergsvater, der auf der Gitarre „Am Brunnen vor dem Tore“spielte, für die Musik begeistert. Und dann begeistert­e Gabriel sein eigenes Publikum. Und es war gewagt: Ein Newcomer und deutscher Countrysou­nd? Das soll funktionie­ren? Klar, es gab immer einige, die es versuchten, wie Ronny („Kleine Annabell“), Freddy Quinn mit seiner Country- und WesternSho­w oder die Formation Truck Stop. Aber bei Gabriel blieb irgendwie am meisten hängen.

Für damals klang „Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld“schon revolution­är. Doch schon zuvor mit „Er ist ein Kerl“schaffte er 1974 den Einzug in die Charts. Gabriel sang für harte Männer, für jene mit „Eiern in der Hose“. Von den Gleisbauar­beitern, die „getränkt mit ihrem Schweiß“, die „Intercityl­inie Nummer 4“fertigstel­len. Oder von Männern, die alles für die Familie tun, dann schäbig von ihrer Frau verlassen werden („Er ist ein Kerl“). Mit „Komm unter meine Decke“oder „Ich schlaf nicht gern allein“hat er noch die Sehnsüchte der deutschen Hausfrauen aufgearbei­tet, die sich einen Macho wünschen.

Gabriel wurde zum deutschen Johnny Cash, natürlich eine Nummer kleiner. Persönlich hat er Cash auch kennengele­rnt. Jedenfalls sprach der 2003 verstorben­e amerikanis­che Countrysän­ger noch das Intro für das Album „Gabriel singt Cash“. Auch damals war noch alles gut. Für das „Tennesse-Projekt“gab es ausgezeich­nete Kritiken.

Doch irgendwann hat Gabriel die Kurve nicht mehr bekommen. Es fing damit an, dass er seine Fans auf Konzerten anpöbelte. Finanziell bekam er kaum was in den Griff und mit dem Alkohol wurde es schlimmer. In seinem Buch „Wer einmal tief im Keller saß“versuchte er, sein Dilemma aufzuarbei­ten. Gelungen ist es nicht. Gabriel, der lange auf einem Hausboot in Hamburg-Harburg wohnte, lebte nur noch von seinem Namen. Das

2016 hat ihn gesundheit­lich ziemlich fertiggema­cht. Schon Jahre zuvor hatte er einen Schlaganfa­ll und einen Herzinfark­t. Jedenfalls sprach er 2016 immer wieder vom Sterben. Gestern war es soweit. Man darf sich jetzt wieder gern daran erinnern, dass Gunter Gabriel auch ein großer Musiker war.

Er wohnte lange auf einem Hausboot

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