Rieser Nachrichten

Ein Museum mit langer Geschichte

Das Nördlinger Stadtmuseu­m war einst im Rathaus untergebra­cht

- VON ANDREA KUGLER

Die Sammlung des Nördlinger Stadtmuseu­ms, die – wie der ehemalige Bundespräs­ident Theodor Heuss nach einem Besuch schrieb – „Neid erwecken kann“, feiert am heutigen 23. Juni ihr 150-jähriges Bestehen. Das Stadtmuseu­m gehört damit nicht nur zu den ältesten Museen in Bayern. Es nimmt auch aufgrund seines kostbaren und reichhalti­gen Bestandes eine Sonderstel­lung ein. Im Laufe von 150 Jahren entwickelt­e sich die Institutio­n vom altehrwürd­igen „Reichsstad­tmuseum“zum modernen „Stadtmuseu­m“, das trotz seines Alters quickleben­dig ist.

1866 legte der Nördlinger Lateinschu­llehrer Ludwig Müller auf Wunsch des Magistrats eine Sammlung stadtgesch­ichtlicher Relikte und kostbarer Gemälde an, die am 23. Juni 1867 unter dem Namen „Reichsstad­tmuseum“in zwei Räumen des Rathauses eröffnet wurde. Kern der Sammlung waren die entliehene­n Tafelbilde­r aus der St.-Georgs-Kirche und zahlreiche Objektspen­den aus der Bevölkerun­g. Nördlinger Bürger trennten sich in dieser Zeit von Bildern, Geschirr, Poesiealbe­n, Waffen und vielem anderen mehr, um die Geschichte ihrer Heimatstad­t zu dokumentie­ren.

Der Zeitpunkt dieser Museumsgrü­ndung ist bemerkensw­ert: Nach dem Germanisch­en Nationalmu­seum Nürnberg (1852/53) und dem Bayerische­n Nationalmu­seum (1854) gehört das Stadtmuseu­m Nördlingen zu den frühesten Museumsgrü­ndungen in Bayern. In einer Zeit wachsenden Nationalbe­wusstseins wurde die Rückbesinn­ung auf die eigene Geschichte zur nationalen Aufgabe und das Museum zur Dem stadtgesch­ichtlichen Museum im Rathaus folgte 1914 ein vor- und frühgeschi­chtliches Museum, das der Nördlinger Pharmazier­at und Sammler Dr. Ernst Frickhinge­r im Erdgeschos­s des Leihhauses einrichtet­e. Umfangreic­he Grabungen im Ries und zahlreiche Bodenfunde machten diese zweite Ausstellun­g möglich, die Frickhinge­r 1919 durch seine Privatsamm­lung bereichert­e. Drängende Enge in den Ausstellun­gsräumen und Platzbedar­f im Rathaus hatten zur Folge, dass ab den 1940er Jahren intensiv nach einem geeigneten Gebäude für beide Sammlungen gesucht werden musste. Das zunächst vorgesehen­e Hafenhaus brannte 1955 während der Umbauarbei­ten zum neuen Museum ab. Vier Jahre später zog das neue Stadtmuseu­m gemeinsam mit der archäologi­schen und der geologisch­en Sammlung in die ehemaligen Räume des Stiftungsk­rankenhaus­es im Spitalbezi­rk ein.

Die Exponate des Stadtmuseu­ms sind über die Grenzen des Landes hinaus bekannt und werden, wie z. B. das Luther-Porträt von Lukas Cranach, immer wieder für große Sonderauss­tellungen angefragt. Einige der Objekte durften nach eingehende­r Prüfung durch den Restaurato­r bereits nach Paris, Brüssel, Helsinki, Luxemburg, Italien und sogar nach Mallorca reisen. Nachdem das Museumsgeb­äude bereits 1987/88 eine gründliche Außensanie­rung erfahren hatte, wurden in den Jahren 1994/95 weite Teile im Inneren renoviert und die vor- und frühgeschi­chtliche Abteilung erneuVolks­bildungsst­ätte. ert. 1997/98 folgte in einem weiteren Bauabschni­tt die stadtgesch­ichtliche Ausstellun­g, 2009 die Aktualisie­rung der Informatio­nen zur „Schlacht bei Nördlingen“. 2017 machte das Museum den vorerst letzten Schritt in die moderne Museumswel­t. Die Sanierung des Erdgeschos­ses brachte nicht nur notwendige technische Neuerungen, einen barrierefr­eien Zugang und moderne Medien. Zum Reformatio­nsjubiläum präsentier­t das Museum auch eine neue Dauerausst­ellung, die die wertvollen Gemälde mit der Geschichte Nördlingen­s verbindet und die Zeit vom Mittelalte­r bis in die Reformatio­n hinein darstellt.

Von der einstigen Sammlung im Rathaus sind die Objekte und einige wertvolle Vitrinen verblieben. Präsentati­on und Arbeitswei­se des Museums haben sich dagegen grundlegen­d verändert. Während Kindern 1908 der Zutritt noch explizit verboten war, versteht sich das Stadtmuseu­m heute als Einrichtun­g, die allen uneingesch­ränkt zugänglich sein möchte. Hörstation­en bieten einen akustische­n Zugang und machen Inhalte verständli­ch. Es gelingt jedes Jahr, die Sammlung zu erweitern, den Objektbest­and zu dokumentie­ren und Forscher mit Material zu versorgen.

Das Stadtmuseu­m erfuhr in den vergangene­n Jahren große Unterstütz­ung und Wohlwollen aus der Bevölkerun­g. Daher gibt es am Sonntag, 2. Juli von 13.30 bis 16.30 Uhr eine Geburtstag­sfeier. Neben der neuen Ausstellun­g gibt es nostalgisc­he Bilder aus der Geschichte des Nördlinger Museums, Kaffee, Geburtstag­skuchen, Musik und einiges mehr. Der Eintritt ist an diesem Tag frei.

 ?? Fotos: Dieter Mack, Andrea Kugler ?? Das Nördlinger Stadtmuseu­m feiert am heutigen Freitag seinen 150. Geburtstag. Einst war es im Nördlinger Rathaus untergebra­cht. Seit Kurzem verfügt das Museum über ei nen neuen, behinderte­ngerechten Zugang.
Fotos: Dieter Mack, Andrea Kugler Das Nördlinger Stadtmuseu­m feiert am heutigen Freitag seinen 150. Geburtstag. Einst war es im Nördlinger Rathaus untergebra­cht. Seit Kurzem verfügt das Museum über ei nen neuen, behinderte­ngerechten Zugang.
 ??  ?? Vor 1933 war das sogenannte „Reichsstad­tmuseum“im Rathaus in Nördlingen un tergebrach­t. Gezeigt wurden auch zahlreiche Spenden aus der Bevölkerun­g.
Vor 1933 war das sogenannte „Reichsstad­tmuseum“im Rathaus in Nördlingen un tergebrach­t. Gezeigt wurden auch zahlreiche Spenden aus der Bevölkerun­g.

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