Mittelalterliche Großbäckerei gefunden?
In der Henkergasse stoßen Archäologen auf einer Baustelle auf Überbleibsel einer anderen Epoche. Die Ausgrabungen geben den Experten Rätsel auf
Auf einer Baustelle in der Nördlinger Henkergasse finden Archäologen Backöfen aus vergangener Zeit. Mehr dazu auf
Es bleiben erstaunlich viele Leute stehen in der Nördlinger Henkergasse und versuchen einen Blick auf das Grabungsfeld von Dr. Manfred Woidich und seinem Team zu werfen. Es macht selbstverständlich neugierig, wenn ein Haus im Stadtgebiet abgerissen wird, was denn wohl „darunter“war, was sich vor seiner Zeit dort abgespielt hat. Es geht nicht nur den zufällig Vorbeikommenden so, sondern vor allem auch dem Landesdenkmalamt, das jeden, sie nennt das, „Bodeneingriff“in Nördlingen archäologisch begleiten lässt.
Das gesamte Nördlinger Stadtgebiet ist ein geschütztes Bodendenkmal und jeder Bauherr, der dort eine Veränderung vornimmt, muss sein Vorhaben zuerst von der Unteren Denkmalschutzbehörde untersuchen lassen. Der Bauherr muss die Maßnahme zulassen und auch bezahlen. Spezielle Archäologiefirmen wie die von Dr. Woidich rücken dann mit ihren Spezialisten an, untersuchen die Grundstücke gründlich und nehmen den Bestand auf. Sie sorgen auch dafür, dass die Bau- nach der Untersuchung „konservatorisch überdeckt“wird. Will sagen, dass alle Funde und Entdeckungen bis zur Ausgrabungstiefe wieder sorgfältig verfüllt werden. Und sollte, in ein paar Jahrzehnten, dann wieder ein Neubau entstehen und ein weiterer Bodeneingriff vorgenommen werden, kann dann in der entsprechenden Tiefe weitergeforscht werden. Doch das ist – zum Glück für den aktuellen Bauherren Zukunftsmusik – denn er will verständlicherweise so schnell wie möglich mit dem Bau beginnen. Deshalb bemüht man sich bei den Archäologen auch um eine möglichst rasche Vorgehensweise. Auch wenn man, wie jetzt in der Henkergasse, einen „überraschend dichten Siedlungsbefund“machen konnte. 67 interessante archäologische Objekte wurden bis jetzt gesichert, hauptsächlich Pfostengruppen von Holzbauten und jede Menge Erdkeller. Die kleine Sensation allerdings sind 15 so genannte Kuppelöfen, die aus der Zeit vor dem Bau der jetzigen Nördlinger Stadtmauer, Dr. Woidich schätzt „um das 13. Jahrhundert herum“, betrieben wurden. Er hat so etwas noch nicht gesehen und geht davon aus, dass sie nicht für den privaten Gebrauch gebaut wurden.
So viele Öfen auf so kleinem Raum („wenn wir weiter graben würden, würden wir sicherlich noch mehr finden“) lassen nur die Mutmaßung auf eine gewerbliche Nutstelle zung zu. Vor allem auch die Größe der Öfen ist beeindruckend, zum Teil mit bis zu anderthalb Metern Durchmesser. Das Team vermutet, dass seinerzeit das Brotbacken vor die alte Stadtmauer (dem heutigen inneren Ring) verlegt wurde. Wohl aus Brandschutzgründen. Und dann gleich für die gesamte Bevölkerung, denn man kann sich vorstellen, dass, wenn jeder damals sein eigenes Brot innerhalb der Mauern gebacken hätte, eine Feuersbrunst sehr viel wahrscheinlicher gewesen wäre.
Dass es an der Grenze von der frühen Neuzeit zum Mittelalter schon eine Großbäckerei gegeben hat, ist das eigentlich Überraschende an dieser Grabung. Dr. Woidich erklärt, dass damals alles, was man nicht in der Stadt haben wollte, vor die Tore verlegt wurde. So auch die Behausungen der Henker, deshalb wohl der Name der Straße. Er fügt aber gleich lachend hinzu, dass man in Sachen Hinrichtung nichts gefunden hätte, keine Galgen oder andere Utensilien und auch keine, in diesem Falle nicht mal sprichwörtlichen, „Leichen im Keller“. Nur Schlachtabfälle. Doch abschließend kann er noch nichts Konkretes sagen, er wird alle Funde nach der Bergung waschen, katalogisieren und wahrscheinlich dem Nördlinger Stadtmuseum zur Verfügung stellen, Andrea Kugler hat sich diesbezüglich schon bei ihm gemeldet.