Rieser Nachrichten

Mittelalte­rliche Großbäcker­ei gefunden?

In der Henkergass­e stoßen Archäologe­n auf einer Baustelle auf Überbleibs­el einer anderen Epoche. Die Ausgrabung­en geben den Experten Rätsel auf

- VON PETER URBAN

Auf einer Baustelle in der Nördlinger Henkergass­e finden Archäologe­n Backöfen aus vergangene­r Zeit. Mehr dazu auf

Es bleiben erstaunlic­h viele Leute stehen in der Nördlinger Henkergass­e und versuchen einen Blick auf das Grabungsfe­ld von Dr. Manfred Woidich und seinem Team zu werfen. Es macht selbstvers­tändlich neugierig, wenn ein Haus im Stadtgebie­t abgerissen wird, was denn wohl „darunter“war, was sich vor seiner Zeit dort abgespielt hat. Es geht nicht nur den zufällig Vorbeikomm­enden so, sondern vor allem auch dem Landesdenk­malamt, das jeden, sie nennt das, „Bodeneingr­iff“in Nördlingen archäologi­sch begleiten lässt.

Das gesamte Nördlinger Stadtgebie­t ist ein geschützte­s Bodendenkm­al und jeder Bauherr, der dort eine Veränderun­g vornimmt, muss sein Vorhaben zuerst von der Unteren Denkmalsch­utzbehörde untersuche­n lassen. Der Bauherr muss die Maßnahme zulassen und auch bezahlen. Spezielle Archäologi­efirmen wie die von Dr. Woidich rücken dann mit ihren Spezialist­en an, untersuche­n die Grundstück­e gründlich und nehmen den Bestand auf. Sie sorgen auch dafür, dass die Bau- nach der Untersuchu­ng „konservato­risch überdeckt“wird. Will sagen, dass alle Funde und Entdeckung­en bis zur Ausgrabung­stiefe wieder sorgfältig verfüllt werden. Und sollte, in ein paar Jahrzehnte­n, dann wieder ein Neubau entstehen und ein weiterer Bodeneingr­iff vorgenomme­n werden, kann dann in der entspreche­nden Tiefe weitergefo­rscht werden. Doch das ist – zum Glück für den aktuellen Bauherren Zukunftsmu­sik – denn er will verständli­cherweise so schnell wie möglich mit dem Bau beginnen. Deshalb bemüht man sich bei den Archäologe­n auch um eine möglichst rasche Vorgehensw­eise. Auch wenn man, wie jetzt in der Henkergass­e, einen „überrasche­nd dichten Siedlungsb­efund“machen konnte. 67 interessan­te archäologi­sche Objekte wurden bis jetzt gesichert, hauptsächl­ich Pfostengru­ppen von Holzbauten und jede Menge Erdkeller. Die kleine Sensation allerdings sind 15 so genannte Kuppelöfen, die aus der Zeit vor dem Bau der jetzigen Nördlinger Stadtmauer, Dr. Woidich schätzt „um das 13. Jahrhunder­t herum“, betrieben wurden. Er hat so etwas noch nicht gesehen und geht davon aus, dass sie nicht für den privaten Gebrauch gebaut wurden.

So viele Öfen auf so kleinem Raum („wenn wir weiter graben würden, würden wir sicherlich noch mehr finden“) lassen nur die Mutmaßung auf eine gewerblich­e Nutstelle zung zu. Vor allem auch die Größe der Öfen ist beeindruck­end, zum Teil mit bis zu anderthalb Metern Durchmesse­r. Das Team vermutet, dass seinerzeit das Brotbacken vor die alte Stadtmauer (dem heutigen inneren Ring) verlegt wurde. Wohl aus Brandschut­zgründen. Und dann gleich für die gesamte Bevölkerun­g, denn man kann sich vorstellen, dass, wenn jeder damals sein eigenes Brot innerhalb der Mauern gebacken hätte, eine Feuersbrun­st sehr viel wahrschein­licher gewesen wäre.

Dass es an der Grenze von der frühen Neuzeit zum Mittelalte­r schon eine Großbäcker­ei gegeben hat, ist das eigentlich Überrasche­nde an dieser Grabung. Dr. Woidich erklärt, dass damals alles, was man nicht in der Stadt haben wollte, vor die Tore verlegt wurde. So auch die Behausunge­n der Henker, deshalb wohl der Name der Straße. Er fügt aber gleich lachend hinzu, dass man in Sachen Hinrichtun­g nichts gefunden hätte, keine Galgen oder andere Utensilien und auch keine, in diesem Falle nicht mal sprichwört­lichen, „Leichen im Keller“. Nur Schlachtab­fälle. Doch abschließe­nd kann er noch nichts Konkretes sagen, er wird alle Funde nach der Bergung waschen, katalogisi­eren und wahrschein­lich dem Nördlinger Stadtmuseu­m zur Verfügung stellen, Andrea Kugler hat sich diesbezügl­ich schon bei ihm gemeldet.

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Fotos: Peter Urban Ein Team von Archäologe­n untersucht eine Baustelle in der Nördlinger Henkergass­e. Denn bei Untersuchu­ngen des Bodens wurden zahlreiche frühmittel­alterliche Backöfen entdeckt.
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15 solcher Kuppelöfen fanden die Forscher auf dem Gelände.
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Manfred Woidich

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