Diskussion ohne Disputanten
Die ehemalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt und weitere prominente Gäste sprechen in Nördlingen zum Thema „Kirchen und die Welt“. Ein Abend mit Potenzial, das jedoch nicht ausgeschöpft wird
Ein Disput ist laut Duden ein „erregtes Gespräch, in dem widerstreitende Meinungen aufeinanderstoßen“. Bei der Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltungen „500 Jahre Reformation“zu der das evangelische und katholische Dekanat Nördlingen ins Gemeindezentrum St. Georg geladen hatte und mit „recht bekannten Hauptdisputanten“warb, blieb die Erregung über weite Teile aus.
Der gut besuchte Saal konnte sich zwar über eine wirklich prominente (und wohl zu große) Besetzung des Podiums freuen, doch ein Funke wollte nicht überspringen und gar ein Streitgespräch blieb aus. Vielleicht lag es auch an der Moderation von Stephan Bergmann, einem bekannten Journalisten, der den Kirchen aber viel zu nahe steht, um möglicherweise durch provokante Fragen ein Diskussionsfeuer zu entfachen. Er hat leider schon mit seiner ersten Frage an die Runde das Thema der Diskussion „Die Kirche und die Welt – Wie prägen die Konfessionen die gesellschaftliche Wirklichkeit?“verlassen und nur in die Richtung „Kirche und Politik“gelenkt.
Was anderes als Allgemeinplätze kann er erwarten, wenn er so erfahrene (man mag den Begriff verzeihen) politische Haudegen wie Renate Schmidt, die ehemalige Bundesfamilienministerin und Professor Dr. Hans Maier, den ehemaligen bayerischen Kultusminister fragt, wie ihnen ihr Glauben in der politischen Arbeit hilft. Am originellsten antwortete da noch Oberbürgermeister Hermann Faul, der mit einem Zitat aufwartete, das an der Wand des Saales geschrieben stand: „Fürchte Dich nicht. Sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit Dir.“
Schon die zweite Frage dreht sich um das „Ehe-für-alle“-Thema und ob das das Verhältnis von Kirche und Politik gefährde. Wie zu erwarten vertrat Schmidt den SPD- und Maier den CSU-Standpunkt, obwohl sich beide einig waren, dass es wahrlich größere Probleme gäbe im Land und warum gerade jetzt alle darüber reden. Renate Schmidt wörtlich: „Haben die denn alle Tassen im Schrank?“Damit meinte sie natürlich ihre ehemaligen PolitikerKollegen.
Schmidt war es auch, die mit ihrer Schlagfertigkeit dem Abend die Würze verlieh, zum Beispiel mit der Replik auf die Befürchtung, ob sich unser Land nicht in Teil-Gesellschaften aufsplittere: „Die Kirchen sind bei weitem die größte Gesellschaft hier mit 46 Millionen zahlenden Mitgliedern“. Und mit einem Beitrag, der weit höher als jeder Parteibeitrag sei und mit mehr möglicher Power als selbst der ADAC. Diese Kraft werde aber nicht ausgeschöpft. Wohl weil die Kirche zu omnipräsent sei in weltlichen Dingen und sich um alles kümmern wolle und müsse. Aber bei der Sinnsuche der Menschen helfe sie immer weniger. Deswegen auch die schwindende Anzahl der Christen. Mayer sah gar eine nachreligiöse Gesellschaft, „die den Hintergrund der kirchlichen Tradition nicht begreift, aber die Festtage gerne als willkommene Freizeit nutzt“, wie er sagte.
Einig war man sich auch, dass im jetzigen Zustand weder die Politik noch die Kirchen den Menschen Orientierung geben können, wenn sie, so der stellvertretende Landrat Reinhold Bittner, „Kirche nur als Dienstleister gesehen werde.“Man dürfe den säkularen Untergrund nicht vernachlässigen, war der Tenor. Wie das aber geschehen könne, diese Frage konnte nicht beantwortet werden.
Am ehesten brachte es wiederum Schmidt auf den Punkt, die meinte, die Kirchen müssen ihr Alleinstellungsmerkmal stärker in den Vordergrund rücken, die individuelle Zuwendung hin zu jedem einzelnen Menschen. „Das ist die Zukunft“, sagte sie. Und sie unterstrich ungewollt das Dilemma des Abends. Es ging im Prinzip nur um Politik mit Politikern und nicht um die Menschen selbst. Schade.
Auch das Thema „Ehe für alle“wurde erörtert