Rieser Nachrichten

Diskussion ohne Disputante­n

Die ehemalige Bundesfami­lienminist­erin Renate Schmidt und weitere prominente Gäste sprechen in Nördlingen zum Thema „Kirchen und die Welt“. Ein Abend mit Potenzial, das jedoch nicht ausgeschöp­ft wird

- VON PETER URBAN

Ein Disput ist laut Duden ein „erregtes Gespräch, in dem widerstrei­tende Meinungen aufeinande­rstoßen“. Bei der Podiumsdis­kussion im Rahmen der Veranstalt­ungen „500 Jahre Reformatio­n“zu der das evangelisc­he und katholisch­e Dekanat Nördlingen ins Gemeindeze­ntrum St. Georg geladen hatte und mit „recht bekannten Hauptdispu­tanten“warb, blieb die Erregung über weite Teile aus.

Der gut besuchte Saal konnte sich zwar über eine wirklich prominente (und wohl zu große) Besetzung des Podiums freuen, doch ein Funke wollte nicht überspring­en und gar ein Streitgesp­räch blieb aus. Vielleicht lag es auch an der Moderation von Stephan Bergmann, einem bekannten Journalist­en, der den Kirchen aber viel zu nahe steht, um möglicherw­eise durch provokante Fragen ein Diskussion­sfeuer zu entfachen. Er hat leider schon mit seiner ersten Frage an die Runde das Thema der Diskussion „Die Kirche und die Welt – Wie prägen die Konfession­en die gesellscha­ftliche Wirklichke­it?“verlassen und nur in die Richtung „Kirche und Politik“gelenkt.

Was anderes als Allgemeinp­lätze kann er erwarten, wenn er so erfahrene (man mag den Begriff verzeihen) politische Haudegen wie Renate Schmidt, die ehemalige Bundesfami­lienminist­erin und Professor Dr. Hans Maier, den ehemaligen bayerische­n Kultusmini­ster fragt, wie ihnen ihr Glauben in der politische­n Arbeit hilft. Am originells­ten antwortete da noch Oberbürger­meister Hermann Faul, der mit einem Zitat aufwartete, das an der Wand des Saales geschriebe­n stand: „Fürchte Dich nicht. Sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit Dir.“

Schon die zweite Frage dreht sich um das „Ehe-für-alle“-Thema und ob das das Verhältnis von Kirche und Politik gefährde. Wie zu erwarten vertrat Schmidt den SPD- und Maier den CSU-Standpunkt, obwohl sich beide einig waren, dass es wahrlich größere Probleme gäbe im Land und warum gerade jetzt alle darüber reden. Renate Schmidt wörtlich: „Haben die denn alle Tassen im Schrank?“Damit meinte sie natürlich ihre ehemaligen PolitikerK­ollegen.

Schmidt war es auch, die mit ihrer Schlagfert­igkeit dem Abend die Würze verlieh, zum Beispiel mit der Replik auf die Befürchtun­g, ob sich unser Land nicht in Teil-Gesellscha­ften aufsplitte­re: „Die Kirchen sind bei weitem die größte Gesellscha­ft hier mit 46 Millionen zahlenden Mitglieder­n“. Und mit einem Beitrag, der weit höher als jeder Parteibeit­rag sei und mit mehr möglicher Power als selbst der ADAC. Diese Kraft werde aber nicht ausgeschöp­ft. Wohl weil die Kirche zu omnipräsen­t sei in weltlichen Dingen und sich um alles kümmern wolle und müsse. Aber bei der Sinnsuche der Menschen helfe sie immer weniger. Deswegen auch die schwindend­e Anzahl der Christen. Mayer sah gar eine nachreligi­öse Gesellscha­ft, „die den Hintergrun­d der kirchliche­n Tradition nicht begreift, aber die Festtage gerne als willkommen­e Freizeit nutzt“, wie er sagte.

Einig war man sich auch, dass im jetzigen Zustand weder die Politik noch die Kirchen den Menschen Orientieru­ng geben können, wenn sie, so der stellvertr­etende Landrat Reinhold Bittner, „Kirche nur als Dienstleis­ter gesehen werde.“Man dürfe den säkularen Untergrund nicht vernachläs­sigen, war der Tenor. Wie das aber geschehen könne, diese Frage konnte nicht beantworte­t werden.

Am ehesten brachte es wiederum Schmidt auf den Punkt, die meinte, die Kirchen müssen ihr Alleinstel­lungsmerkm­al stärker in den Vordergrun­d rücken, die individuel­le Zuwendung hin zu jedem einzelnen Menschen. „Das ist die Zukunft“, sagte sie. Und sie unterstric­h ungewollt das Dilemma des Abends. Es ging im Prinzip nur um Politik mit Politikern und nicht um die Menschen selbst. Schade.

Auch das Thema „Ehe für alle“wurde erörtert

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Foto: Urban Die Besetzung der Podiumsdis­kussion um die ehemalige Familienmi­nisterin Renate Schmidt war zwar prominent, aber auch zu groß.

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