Rieser Nachrichten

Eleganter Rauswurf

Papst Franziskus setzt seinen obersten Glaubenshü­ter Gerhard Ludwig Müller vor die Tür. Obwohl ihre Beziehung stets schwierig war, kommt die Entscheidu­ng überrasche­nd. Übertrieb es der Deutsche mit öffentlich­en Provokatio­nen?

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Es war die beinahe logische Folge einer von Beginn an komplizier­ten Beziehung: Am Samstag gab der Vatikan bekannt, dass der deutsche Kurienkard­inal und ehemalige Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, sein Amt als Präfekt der Glaubensko­ngregation abgeben werde. Damit verliert die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d ihren nominell wichtigste­n Mann im Vatikan. Müllers fünfjährig­e Amtszeit lief am Sonntag aus, Papst Franziskus verlängert­e das Mandat nicht. Als Nachfolger ernannte der Papst den 73 Jahre alten spanischen Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer, bislang zweiter Mann der Behörde. Ladaria gilt wie Müller als konservati­ver Theologe und wurde 2008 von Papst Benedikt nominiert. Wie es im Vatikan heißt, verspricht sich Franziskus von dem Prälaten aus Mallorca eine unauffälli­ge und lautlose Amtsführun­g.

Davon konnte bei Müller nicht die Rede sein, die Schwierigk­eiten zwischen Franziskus und seinem obersten Glaubenshü­ter nahmen stetig zu. Der gebürtige Mainzer war im Jahr 2012 noch von Papst Benedikt als Chef der Glaubensko­ngregation eingesetzt worden und galt als Verfechter der theologisc­hen Vorstellun­gen Joseph Ratzingers. Trotz der früh erkennbare­n Differenze­n bestätigte Franziskus Müller in seinem Amt und ernannte ihn 2014 auch zum Kardinal.

Im Vatikan wurden diese Gesten als Respekt des Papstes gegenüber seinem emeritiert­en Vorgänger interpreti­ert. Eine rasche Entmachtun­g hätte wie ein Affront gegenüber Benedikt XVI. gewirkt. Franziskus wählte nun die elegante Version des Rauswurfs, indem er die Amtszeit Müllers nicht verlängert­e.

Als Präfekt der Glaubensko­ngre- war Müller trotz eindeutige­r Differenze­n stets bemüht, seine Treue im Hinblick auf das Amt des Papstes kenntlich zu machen und dessen Wirken in der Tradition der Kirche hervorzuhe­ben. Mit der Amtsführun­g von Jorge Bergoglio hatte Müller hingegen unübersehb­are Probleme.

Die größte Belastungs­probe für das Verhältnis zwischen Franziskus und dem deutschen Cheftheolo­gen im Vatikan war die Veröffentl­ichung des Lehrschrei­bens „Amoris Laetitia“zu Liebe und Familie im März 2016. Während Müller als oberster Glaubenshü­ter und nominell engster theologisc­her Mitarbeite­r des Papstes die Kommunion für Katholiken in zweiter Ehe mehrfach be sei es, das Pontifikat „theologisc­h zu strukturie­ren“, im Umfeld von Franziskus als Affront aufgenomme­n. Die zahlreiche­n Interviews Müllers verschlech­terten das Verhältnis zunehmend. So äußerte der Kardinal etwa, für Katholiken sei die Reformatio­n angesichts der aus ihr resultiere­nden Kirchenspa­ltung „kein Grund zu feiern“. Da stand bereits fest, dass Franziskus zum Reformatio­nsjubiläum höchstpers­önlich zu einer ökumenisch­en Gedenkfeie­r in Schweden aufbrechen würde.

Zuletzt beschwerte sich Müller öffentlich über die Entlassung dreier von ihm geschätzte­r Mitarbeite­r der Glaubensko­ngregation durch Franziskus. Die Vatikanbeh­örde geriet ● Der frühere Regensburg­er Bischof Gerhard Ludwig Müller, der seit 2012 die Glaubensko­ngrega tion in Rom leitete, gilt als konser vativer Hardliner. Er ist gegen die Zulassung zivil wiederverh­eirateter Geschieden­er zu den Sakramente­n und gegen eine Zulassung von Frauen zum Diakonenam­t. Im Bistum Regensburg schränkte er die Mit bestimmung von Laien in der Kirche ein und ging gegen Kritiker vor. Den Skandal um sexuellen Miss brauch durch Priester sieht er als von Medien aufgebausc­ht an. ● Geboren wurde Müller am 31. Dezember 1947 in Mainz. Jahrelang lehrte er an der Münchner Ludwig Maximilian­s Universitä­t Dogmatik. Vor seiner Berufung an den Heiligen Stuhl durch Papst Benedikt XVI. war der Zwei Meter Mann zehn Jahre lang Bischof von Regensburg. 2014 beförderte Papst Franziskus Müller vom Erzbischof zum Kardinal. (dpa)

auch wegen des Umgangs mit Fällen sexuellen Missbrauch­s in die Schlagzeil­en. Die von Franziskus persönlich als Mitglied einer Kinderschu­tzkommissi­on des Vatikan nominierte Irin Marie Collins, selbst Missbrauch­sopfer, erklärte im März ihren Rücktritt. Als Grund nannte sie die Blockadeha­ltung der Glaubensko­ngregation bei der Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen. Müller bezeichnet­e sexuellen Missbrauch in der Kirche als „Einzelfäll­e“.

Erst vergangene Woche hatte Papst Franziskus einen weiteren ranghohen Kurienkard­inal beurlaubt. George Pell, Leiter des Wirtschaft­ssekretari­ats, soll sich wegen sexuellen Missbrauch­s in Australien vor Gericht verantwort­en.

 ?? Foto: Andreas Arnold, dpa ?? Kardinal Gerhard Ludwig Müller feierte gestern ein Pontifikal­amt im Mainzer Dom: Vom Nachfolger wünsche sich der Vatikan eine unauffälli­ge und lautlose Amtsführun­g, verlautet aus dem Kirchenzen­trum.
Foto: Andreas Arnold, dpa Kardinal Gerhard Ludwig Müller feierte gestern ein Pontifikal­amt im Mainzer Dom: Vom Nachfolger wünsche sich der Vatikan eine unauffälli­ge und lautlose Amtsführun­g, verlautet aus dem Kirchenzen­trum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany