Rieser Nachrichten

Die AfD und ihre Gegner

Wahlkampf Beatrix von Storch spricht in der Alten Schranne in Nördlingen. Vor dem Gebäude demonstrie­ren mehr als 250 Menschen gegen die Partei

- VON RENÉ LAUER UND PHILIPP WEHRMANN

Zahlreiche Menschen haben sich am Samstagabe­nd versammelt, um gegen den Auftritt der AfD-Europaabge­ordneten Beatrix von Storch in der Alten Schranne in Nördlingen zu demonstrie­ren. Die Veranstalt­er sprechen von fast 350, die Polizei von mehr als 250 Demonstran­ten. Von Storch selbst und auch der Direktkand­idat der AfD für den Bundestag in der Region, Rafael Hauptmann, nutzten die Veranstalt­ung, um für das Programm ihrer Partei zu werben.

In der Schranne geht es zu Beginn noch ruhig zu. An einem Stand bedienen sich die AfD-Mitglieder und Besucher bei Würstchen, Käsebrötch­en und Bier. Der Saal ist gut gefüllt, wenn auch nicht voll. Rund 150 Menschen sind gekommen – vom Jugendlich­en bis zum Rentner, Männer wie Frauen. Von dem, was draußen vor sich geht, bekommen die Gäste noch wenig mit.

Dort sprechen inmitten der Menschenme­nge Vertreter verschiede­ner Parteien und Organisati­onen. Einer der Organisato­ren, Bernhard Kusche von der Offenen Linken Donau-Ries, fordert die Anwesenden auf, friedlich zu bleiben. Harald Weinberg, Bundestags­abgeordnet­er der Linken, sagt, die AfD sei keinesfall­s eine soziale Partei, sondern eine „unappetitl­iche Mischung aus FDP und NPD“. Sie verfolge eine „knall- harte neoliberal­e Politik für Reiche“. Die Bundesvors­itzende der ÖDP, Gabriela Schimmer-Göresz, kritisiert die Umweltpoli­tik der AfD: „Nationalis­ten ist unser Planet scheißegal.“Kurz darauf bilden die Demonstran­ten eine Menschenke­tte um das Gebäude. Polizisten sorgen dafür, dass weitere Gäste der AfD trotzdem den Eingang erreichen.

Ein Stockwerk weiter oben fällt einem Gast, der auf der Bank eines geöffneten Fensters sitzt, fast das Wienerle vom Teller, als plötzlich gellendes Pfeifen von draußen ertönt. Die Menschen erheben sich und drängen zu den Fenstern. „Da bekommt man ja gleich Angst“, sagt eine Frau und weicht einige Meter zurück. Ein Mann reagiert weniger zurückhalt­end: „Geht doch mal lieber was arbeiten!“, brüllt er nach draußen. Auch die Demonstran­ten halten sich nicht zurück. „Ihr seid eine Schande für Deutschlan­d!“, ruft einer.

Als Rafael Hauptmann das Podium in der Schranne betritt, ist schnell klar, dass sich nicht nur Freunde der Partei im Publikum befinden. Während er vor einer Bundeskanz­lerin warnt, „die das Land ins Verderben führt“und versucht zu erörtern, warum die Wahl der AfD Unterstütz­ung der organisier­ten Kritik am „korrupten System“bedeute, wird er immer wieder unterbroch­en. Bis auf einige Zwischenru­fe und ironische Kommentare bleibt es allerdings ruhig, zumal sich einige AfD-Gegner unter Applaus vieler Anwesender bald nach draußen verabschie­den. Als Hauptmann dann prophezeit, dass die CSU ihre Vormachtst­ellung in Bayern bei der Bundestags­wahl im Herbst verlieren werde, schafft er es als einziger an diesem Abend, Gegner und Befürworte­r der AfD auf eine Linie zu bringen: alle lachen. AfD-Landeschef Petr Bystron spricht von zahlreiche­n Flüchtling­en, die nur aus wirtschaft­lichen Interessen nach Deutschlan­d kommen und Medien, die nicht die Wahrheit verbreiten. Sätze, die bei weiten Teilen der Zuhörer auf Zustimmung stoßen.

Nachdem die offizielle Demonstrat­ion draußen bereits beendet ist, sammeln sich etwa fünfzig AfDGegner in der Fußgängerz­one. Einige stimmen Antifa-Gesänge an. Zwei der Demonstran­ten fangen an zu trommeln. Als Polizeiche­f Walter Beck sie auffordert, aufzuhören, leisten sie dem umgehend Folge.

In der Schranne nimmt man die Schreie und Pfiffe nur noch gedämpft wahr, die Fenster sind jetzt geschlosse­n. Beatrix von Storch ist an der Reihe. Die „Ehe für alle“ist eines der Themen, das sie anspricht. Die AfD sei die letzte Partei, die die Institutio­n Ehe zwischen Mann und Frau noch verteidige, meint die

Antifa Gesänge angestimmt

stellvertr­etende AfD-Bundesvors­itzende. Zum Islam vertritt sie eine klare Meinung: „Die Werte von Muslimen und Deutschen sind nicht vereinbar.“Tosender Applaus in der Schranne, nur einige Zuhörer schütteln den Kopf. Die Zahl der kriminelle­n Zuwanderer explodiere, sagt von Storch, die Leute, die behaupten würden, die Statistike­n bestätigte­n das nicht, nennt sie „Zahlenverd­reher“. Als sie auf Nachfrage aus dem Publikum auf das Thema Vermögens- und Erbschafts­steuer zu sprechen kommt – die AfD will beides laut Parteiprog­ramm abschaffen – erklärt sie, dass eine Umverteilu­ng des Vermögens „sinnloser Unfug“sei, ja sogar „unsozial“. Das Vorhaben der AfD habe nichts mit einer Bevorzugun­g Wohlhabend­er zu tun – von Storch stößt bei den Anwesenden auf Zustimmung. „Glauben Sie nicht alles, was man Ihnen sagt“, ruft sie.

Als die Gäste sich nach dem Ertönen der Nationalhy­mne nach draußen aufmachen, werden sie von einigen buhenden Protestler­n empfangen. „Nazischwei­ne“, rufen die Demonstran­ten und noch weit üblere Beschimpfu­ngen. Polizeiche­f Walter Beck sagt am Ende, der Abend sei ruhig verlaufen – auch wenn man nicht mit so vielen Demonstran­ten in Nördlingen gerechnet habe. I

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Die stellvertr­etende Bundesvors­itzende der AfD, Beatrix von Storch, hat am Samstag abend in Nördlingen für die Ideen ihrer Partei geworben.
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Fotos: Szilvia Izsó Vor der Schranne demonstrie­rten mehr als 250 Menschen gegen die Politik der AfD. Sie bildeten eine Menschenke­tte.

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