Rieser Nachrichten

Geriatrie ist Teamarbeit

Seit April ist Tatjana Bissinger aus Möttingen die neue Chefärztin in der geriatrisc­hen Rehabilita­tionsklini­k der Hessing Stiftung. Was ihr wichtig ist

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Wenn es nur nach der Begabung ginge, wäre Tatjana Bissinger Mathematik­erin geworden. Aber das war zu dieser Zeit für Frauen in Russland keine Beschäftig­ung, erinnert sie sich. Deshalb ergriff sie den Beruf, den schon der Großvater und beide Großmütter ausübten, studierte an der renommiert­en Moskauer Lomonossow-Universitä­t Medizin und wurde Ärztin. Eigentlich wollte sie als Internisti­n in Moskau ihr Berufslebe­n verbringen – stattdesse­n ist sie seit April die neue Chefärztin der geriatrisc­hen Rehabilita­tionsklini­k der Hessing Stiftung und führt ein Team von 142 Mitarbeite­rn.

„Ich habe meinen deutschen Mann in der transsibir­ischen Eisenbahn zwischen Peking und Moskau kennengele­rnt“, erzählt sie. Das war 1989. Sie folgte dem Landmaschi­nenvertret­er bis nach Bayern – in die kleine Gemeinde Möttingen im schwäbisch­en Landkreis DonauRies. „Ich bin in meinem Leben einmal umgezogen, und das war von Moskau nach Möttingen“, verrät

Patienten ein selbstbest­immtes Leben ermögliche­n

die Medizineri­n.

Obwohl sie im Laufe ihrer Karriere als Ärztin viel herumgekom­men ist, der kleine Ort blieb immer ihre Heimat und ihre Basis. Auch jetzt pendelt sie jeden Tag knapp eine Stunde, um abends wieder zuhause bei ihrem Ehemann sein zu können. Ihre zwei Kinder sind bereits erwachsen.

Bissinger ist erfahrene Geriaterin, so baute sie in den letzten Jahren als Oberärztin die Akut-Geriatrie der Donau-Ries-Kliniken in Oettingen mit auf. Der Internisti­n kommt dabei ihre interdiszi­plinäre Ausbildung zugute, die sie unter anderem am Diakonisse­n-Krankenhau­s in Augsburg erworben hat. Ein besonderes Anliegen von Tatjana Bissinger ist es, den Patienten ein selbst- bestimmtes Leben zu ermögliche­n. „Die Frage, die hinter allem steht, ist, was der Patient selbst möchte“, sagt sie. Gerade bei schweren Krankheite­n sei in der Geriatrie immer auch das Alter und der allgemeine Gesundheit­szustand des Patienten zu betrachten – manche Behandlung solle man nach ihrer Ansicht einem alten Menschen ersparen. Lebensqual­ität gehe in so einem Fall vor Lebensverl­ängerung, so die Chefärztin.

„Die meisten Patienten wollen vor allem wieder nach Hause, und sie möchten ihren Verwandten nicht zur Last fallen“, ist ihre Erfahrung. Das sei in vielen Fällen möglich. Um die meist alten Menschen auch nach schweren Ereignisse­n wie einem Schlaganfa­ll wieder auf die Füße zu bringen, arbeitet bei Hessing neben den Ärzten ein Team von Physiound Ergotherap­euten, von Logopäden, Psychologe­n und dem Sozialdien­st zusammen. Diese Teams noch enger zu vernetzen, sieht Chefärztin Bissinger als eine ihrer dringlichs­ten Aufgaben an. „Bisher arbeiten alle noch ziemlich für sich, aber Geriatrie ist Teamarbeit“, sagt sie. Dabei sieht sie sich selbst als Teil des Teams an. „Ich habe von den Pflegekräf­ten oder beispielsw­eise den Physiother­apeuten sehr viel gelernt“, so die Chefärztin. In den Teambespre­chungen sollten alle zu Wort kommen können und mit ihrem Fachwissen beitragen. „Ich vertraue den Therapeute­n und gebe ihnen weitgehend freie Hand, schließlic­h sind sie für ihre Aufgabe ausgebilde­t“, betont sie.

Und noch etwas ist ihr wichtig. „Wer hier arbeitet, soll das gerne tun, denn nur motivierte Mitarbeite­r können ihre Aufgabe optimal erfüllen“, so ihr Credo.

 ?? Foto: Guido Köning, Hessing Stiftung ?? Die neue Chefärztin der Geriatrisc­hen Klinik der Hessing Stiftung, Tatjana Bissinger.
Foto: Guido Köning, Hessing Stiftung Die neue Chefärztin der Geriatrisc­hen Klinik der Hessing Stiftung, Tatjana Bissinger.

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