Rücken Europa und Japan enger zusammen?
Nachdem das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA in weite Ferne geschoben wurde, hofft die schwedische Kommissarin Malmström in Tokio voranzukommen. Dabei kämpft sie auch für die Weißwurst
Brüssel
Den Optimismus von EUHandelskommissarin Cecilia Malmström teilen nicht alle: „Wir haben es fast geschafft“, prophezeite sie nach ihrer Stippvisite in Tokio. Seit gut drei Wochen verhandeln dort die Chefunterhändler über das geplante Freihandelsabkommen zwischen Japan und der Europäischen Union praktisch ununterbrochen. Das Ziel: Beim kurzfristig anberaumten EU-Japan-Gipfel am morgigen Donnerstag eine grundsätzliche Übereinkunft zu unterzeichnen.
Doch ob das gelingt, scheint fraglich. Das Abkommen sei noch nicht ausgekocht, sagte nämlich der Chef des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange (SPD), dieser Zeitung. Er geht davon aus, dass die Verhandlungen erst zum Jahresende vollständig abgeschlossen werden können. Dabei ist beiden Seiten daran gelegen, noch vor dem G20-Gipfel einen Durchbruch zu erzielen.
US-Präsident Donald Trumps protektionistischem Credo wollen Europa wie Japan die Botschaft des offenen Welthandels entgegensetzen. Ob das gelingt, ist ungewiss. Zwar seien bedeutende Fortschritte gemacht worden, sagte der japanische Außenminister Fumio Kishida. Aber es bleiben noch immer wichti- Streitpunkte, die gelöst werden müssten. Deshalb will der Minister nun selbst nach Brüssel kommen.
Doch auch Japan hat verstärktes Interesse, das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA oder auch Jefta genannt) schnell unter Dach und Fach zu bringen. Nach Trumps Absage an das transpazifische Handelsabkommen TPP, das auch Tokio unterzeichnet hatte, scheiterten selbst bilaterale Versuche, Barrieren zum amerikanischen Markt abzubauen. Deshalb sollen die seit vier Jahren andauernden Gespräche mit der EU bald zum Abschluss kommen. Derzeit macht der Handel des reichen Inselstaats mit der EU nur etwa zehn Prozent des gesamten Volumens aus. Doch für die Europäische Union ist Japan der sechstwichtigste Handelspartner weltweit und zweitwichtigster in Asien direkt nach China. Waren im Wert von 58 Milliarden Euro werden in Richtung Pazifik verschifft, Dienstleistungen von 28 Milliarden Euro kommen jährlich aus Europa.
Das Problem: Wegen der hohen Handelsbarrieren zögern europäische Unternehmen, stärker in den Export einzusteigen. Pro Jahr kassiert der Inselstaat eine Milliarde Euro an Zolleinnahmen, die Einge fuhrsteuern auf Waren sind horrend. Auf Rindfleisch schlagen die japanischen Behörden 40 Prozent, bei Schokolade aus Belgien bis zu 30 Prozent drauf. Wein aus Frankreich oder Italien wird mit 15 Prozent belastet, Käse mit bis zu 40 Prozent.
Hinzu kommen andere Hemmnisse wie langwierige Zulassungsprozeduren für Obst. Das soll mit dem Abkommen anders werden. Allein beim Export verarbeiteter Lebensmittel rechnet die EU mit 170 bis 180 Prozent Zuwachs. Denn der Markt mit 127 Millionen Verbrauchern ist höchst attraktiv, die Wirtschaft um ein Drittel größer als die Deutschlands: Was das Bruttoinlandsprodukt betrifft, steht Japan weltweit auf Platz vier.
Bevor das Freihandelsabkommen abgeschlossen werden kann, will Handelskommissarin Malmström noch kritische Punkte durchboxen. Dazu gehört der Schutz von mehr als 200 Traditionsprodukten vom Parmaschinken bis zur Münchner Weißwurst. Beim Abkommen mit Kanada waren es nur 140 Produkte. Das Thema ist in Japan allerdings sensibel, die Agrarlobby genießt großen Einfluss auf die Regierung. Und nur wenige Länder haben derart hohe Lebensmittelpreise.
Dabei gilt es noch viel größere Brocken auszuräumen. So hat Japan bislang nur sechs von acht grundlegenden Arbeitnehmerstandards anerkannt, das Verbot von Zwangsarbeit fehlt ebenso wie der Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Zudem will Japan europäische Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht berücksichtigen. Darüber hinaus hält Tokio bislang an der Forderung privater Schiedsgerichte fest. Das aber kommt für das Europäische Parlament nicht infrage. Der Grundsatz, dem sich Malmström selbst verschrieben hat, kein Handelsabkommen unter den Standards von Ceta, dem Freihandelsvertrag zwischen der EU und Kanada, abzuschließen, gilt.