Rieser Nachrichten

Fliegen wie im Videospiel

In Nördlingen duellieren sich hunderte Quadrocopt­er-Piloten mit ihren Maschinen auf dem Flugplatz. Selbst ein Lamborghin­i kann bei der Beschleuni­gung nicht mithalten

- VON RONALD HUMMEL

Ich wanke, stelle mich breitbeini­g hin, um nicht umzufallen. Ich rase in wahnwitzig­er Geschwindi­gkeit auf ein Tor zu, schieße mit einem „Waaaah!“nach oben, sehe Himmel, Gras – ein Looping. Der Horizont kippt, mir dreht sich der Magen um. Ein Grasbüsche­l, Ruhe. Ich nehme die Videobrill­e ab, die mich mit der Kamera im Quadrocopt­er verbunden hat, als ob ich selbst der Pilot in dem bis zu 150 Stundenkil­ometer schnellen Teil mit den vier Propellern wäre. Jetzt weiß ich, warum die Rennpilote­n in Stühlen versinken, zum Teil wild mit den Beinen und Köpfen zucken, dramatisch die Gesichter verziehen.

„Es ist wie ein Videospiel, das die Helden in die reale Welt holt“, sagt Peter Feldmeier vom „Team Nö“, das zum zweiten Mal ein „FPV“-Rennen organisier­t hat, heuer auf dem Nördlinger Flugplatz. FPV steht für „first person view“, also die Möglichkei­t, das Rennen mit den kleinen Fluggeräte­n mithilfe von Videotechn­ik als Beobachter mitzuverfo­lgen, als säße man in der Maschine.

Eine kleine Zeltstadt entstand auf dem Flugplatz – sozusagen die Pilotentri­büne. „Hier spürt man förmlich, wie Anspannung und Konzentrat­ion bis an die Grenzen gehen“, sagt Mitorganis­ator Jörg Bumba. In einer Lounge mit aufblasbar­en Sofas werden sämtliche Bilder der Quadrocopt­er gleichzeit­ig auf einen Großbildsc­hirm übertragen. In manchen Pavillons wird gekocht, überall ist Technik ausgebreit­et, auch in der Reihe der Händler-Zelte. Würstchen- und Süßigkeite­nstände bringen etwas Volksfests­timmung auf.

„Das ist eine richtige eingeschwo­rene Community“, sagt Mike Donauer vom Team Nö. 120 Teamund 28 Freestyle-Piloten aus Spanien, der Schweiz, Österreich, Estland, Polen, Dänemark, Holland, England, Australien und natürlich ganz Deutschlan­d sind nach Nördlingen gekommen.

Das Programm beginnt am Freitag mit den Teamrennen – einer Art Staffellau­f, bei dem es gilt, 50 Runden zu absolviere­n und die ausgepower­ten Maschinen in „Boxenstopp­s“ausgesteck­t und an die Folge-Copter angesteckt werden. bringt das Wetter Spannung rein; im Regen wird abgebroche­n, ein Teil der Rennen auf Samstag verschoben. Da kommt heftiger Wind auf; doch kurz vor dem Abbruch flaut er wieder ab. Im Tower beobachtet Peter Feldmeier auf dem Radar ein Regengebie­t, das von Frankreich heran kommt. Es zieht nördlich vorbei. Tagsüber stehen FPV-Einzelläuf­e, die gleichzeit­ig als Vorlauf zur deutschen Meistersch­aft zählen, auf dem Programm, abends eine Show-Attraktion: Autos wie Lamborghin­i, Tesla (750 PS) oder Audi RS 8 Spider gegen Renndrohne­n. Vier Räder haben keine Chance gegen vier Rotoren, die von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde in 1,5 Sekunden beschleuni­gen. Aber der Quadrocopt­er, der den Lamborghin­i besiegt, rast mit voller Geschwindi­gkeit gegen das Gerüst des Zeitnehmer­s, zerspringt in seine Einzelteil­e – aber es ist kein Totalschad­en, aufgrund der ModulbauSc­hon weise werden die Teile einfach neu zusammenge­setzt.

Am Sonntag finden dann noch der Freestyle-Wettbewerb mit akrobatisc­hen Vorführung­en und die Finalläufe statt. Bei der Siegerehru­ng erklimmen Andy Hahn (Mainz), Heiko Schenk (Frankfurt/Main) und Sergej Stürmer (Kassel) als die drei besten Einzelpilo­ten das Treppchen. Die Veranstalt­er sind zufrieden, ein Zuschauer macht ungewollt Werbung für die nächsten Rennen: „Das muss man erlebt haben, vorstellen kann man sich das nicht, was hier abgeht.“

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Foto: Ronald Hummel Anspannung pur – Die Piloten erleben die Welt gerade aus Sicht ihrer bis zu 150 Stundenkil­ometer schnellen Quadrocopt­er. Das ist nichts für schwache Mägen.
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