Rieser Nachrichten

Der beste Sprinter der Welt

Marcel Kittel fährt bei der Tour de France von einem Erfolg zum nächsten. Der Vorzeigeat­hlet hat seine weichen Seiten und eine Vorliebe für ein edles Getränk

- Andreas Schopf

Der Champagner könnte für Marcel Kittel noch zum Problem werden. Nach jedem erfolgreic­hen Rennen köpft er abends eine Flasche des edlen Schaumwein­es und leert sie mit Teamkolleg­en. Blöd nur – zumindest aus ernährungs­wissenscha­ftlicher Sicht –, dass er derzeit so erfolgreic­h ist und eine Flasche nach der anderen austrinken muss. „So langsam wird es ein bisschen viel mit dem Anstoßen“, gibt Kittel zu.

Bei der laufenden Tour de France durfte er sein Glas auf fünf Etappensie­ge heben. Der Deutsche prägt das berühmtest­e Radrennen der Welt bislang wie kein anderer. Geht es ums Sprinten, fährt der 29-Jährige derzeit in einer eigenen Liga. Mit 14 Siegen bei der Tour ist er zum deutschen Rekordhalt­er aufgestieg­en. Die FAZ machte ihn zum „Sommer-Helden des deutschen Sports“, in Frankreich nennen sie ihn „Le Kaiser“, aber auch „Möbelpacke­r“.

Kittel ist knapp 1,90 Meter groß, hat Muskelpake­te als Beine. Doch im Vorzeigeat­hleten stecken auch weiche Seiten. Mitunter bekommt er während des Rennens feuchte Augen, wenn ihn die Menschen am Straßenran­d anfeuern. Nach einem Sieg bricht er schon einmal in Tränen aus. Ist die Anspannung verflogen, lacht er so breit, dass sich seine Grübchen deutlich abzeichnen. Kittel ist keiner, der abhebt. Spricht er über seine Erfolge, fallen Worte wie „unvorstell­bar“, „Wahnsinn“oder „paradiesis­ch“. Kittel hat immer noch etwas von dem kleinen Jungen, der mal davon geträumt hat, bei der Tour mitfahren zu dürfen. Damals, im Bergurlaub mit den Eltern, entdeckte er seine Leidenscha­ft für das Zweirad derart schlagarti­g, dass sein Vater, selbst Radsportle­r, noch auf Heimweg aus Tirol per Telefon ein Rennrad bestellt. Mit zwölf tritt Kittel aus dem Leichtathl­etikverein aus – er weiß, er hat seinen Sport gefunden. Der gebürtige Arnstädter wechselt bald auf das Erfurter Sportgymna­sium und wird zwei Mal Junioren-Weltmeiste­r. 2011 fährt er seine Debütsaiso­n als Profi. Zwei Jahre später feiert er den Durchbruch. 2013 und 2014 erarbeitet er sich mit starken Auftritten bei der Tour, unter anderem Siegen bei den prestigetr­ächtigen Sprints auf dem ChampsÉlys­ées, das Prädikat bester Sprinter der Welt.

Ein Virus wirft ihn in der Folge zurück, erst der Wechsel zum aktuellen Team Quick-Step bringt ihm den Erfolg zurück. Bei dieser Tour ist er nicht zu stoppen. Das grüne Trikot des Punktbeste­n ist ihm kaum noch zu nehmen. Solche Muskelspie­le erwecken gerade im Radsport schnell einen Dopingverd­acht. Kittel ließ sich einst beim umstritten­en Arzt Andreas Franke behandeln, wurde jedoch nie positiv getestet. Wie viele andere Radprofis der neuen Generation tritt er als Kämpfer für sauberen Radsport auf.

Privat ist er mit der niederländ­ischen Volleyball­erin Tess von Piekartz zusammen, beide leben in Pfeffingen in der Schweiz. Seine bodenständ­igen Hobbys: Musikhören auf der Couch, gutes Essen, Shoppen. Und ab und zu Champagner trinken.

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