Rieser Nachrichten

Beim Geld hört die Freundscha­ft auf

Bisher waren sich Deutschlan­d und Frankreich einig: Eine Börsensteu­er soll der Spekulatio­n Grenzen setzen und das System stabilisie­ren. Nun ist die Allianz zerbrochen

- VON RUDI WAIS

Sie gilt als politische Wunderwaff­e – nur eingesetzt wird sie nicht. Seit die Finanzkris­e vor neun Jahren die Welt erschütter­t hat, wird die Einführung der so genannten Transaktio­nssteuer diskutiert, eine Art Umsatzsteu­er auf alle Börsengesc­häfte, die die Spekulatio­n im Hochgeschw­indigkeits­handel bremsen und den Staaten Milliarden einspielen soll. So weit die Theorie, in der ein Teil der Einnahmen in den Kampf gegen Hunger und Armut fließt und der andere in die Stabilisie­rung des Bankensyst­ems. In der Praxis hat der neue französisc­he Präsident Emmanuel Macron die Steuer gerade spektakulä­r auf Eis gelegt. Ob sie jemals wieder aufgetaut wird, ist unklar.

Ausgerechn­et der Mann, in den Europa so große Hoffnungen setzt, stellt sich damit in einer wichtigen politische­n Frage gegen ein knappes Dutzend anderer europäisch­er Länder, darunter auch Deutschlan­d, wo Union und SPD die Transaktio­nssteuer auf Betreiben der Genossen sogar in ihren Koalitions­vertrag geschriebe­n haben. Wer große Risiken eingehe, heißt es da, müsse auch die Haftung unternehme­n: „Die Einführung einer Finanzmark­t-Transaktio­nssteuer auf europäisch­er Ebene stärkt die Beteiligun­g des Finanzsekt­ors an den Kosten der Krise.“

Elf Mitgliedss­taaten der EU hatten sich schon 2014 darauf geeinigt, die Steuer gemeinsam in Gesetze zu dann sprang zunächst das kleine Estland ab, ehe in dieser Woche die französisc­he Regierung um einen Aufschub bat. Offiziell will sie nur abwarten, welche Folgen der Ausstieg Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union für die Banken hat. Tatsächlic­h dürften Macron etwas egoistisch­ere Motive antreiben.

Wie Frankfurt, Amsterdam und Dublin buhlt auch Paris um britische Banken, Fondsgesel­lschaften und Versicheru­ngen, die für die Zeit nach dem Brexit einen Standort auf dem Festland suchen. Ein Land mit einer Börsensteu­er, so die Logik dahinter, hat in diesem Wettbewerb schlechte Karten, zumal Großbritan­nien sie auf gar keinen Fall einführen will und Frankreich schon einen kleinen Standortna­chteil hat: Seit August 2012 verlangt der Staat dort eine Steuer auf alle Aktienkäuf­e von französisc­hen Gesellscha­ften mit einem Börsenwert von mindestens einer Milliarde Euro.

Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble ist damit fein raus: Er kann offiziell beteuern, die Bundesregi­erung stehe nach wie vor fest zur Transakgie­ßen, tionssteue­r, gleichzeit­ig aber bleibt ihm ein Konflikt mit dem Frankfurte­r Bankenvier­tel erspart. Eine solche Steuer, hat die Branche immer wieder gewarnt, könnte auch den Finanzplat­z Deutschlan­d erheblich beschädige­n, ohne dass die Märkte dadurch stabiler würden. Die geschätzte­n zwei Milliarden Euro, die die Börsensteu­er dem Fiskus jedes Jahr einbringen würde, kann Schäuble angesichts der guten Haushaltsl­age jedenfalls verschmerz­en.

„Die Situation ist nicht einfacher geworden und der Wunsch nach Ausnahmen wird größer“, hatte der Finanzmini­ster schon Anfang des Jahres betont und die Situation mit einem Schweizer Käse verglichen: „Es muss noch ein bisschen etwas drumherum sein, sonst ist es nur noch ein Loch und kein Schweizer Käse.“Bisher galten Deutschlan­d, Österreich und Frankreich als harter Kern der Steuer-Befürworte­r, mit Macrons Absetzbewe­gung und dem beginnende­n Bundestags­wahlkampf schmilzt dieser Kern nun weiter zusammen. Sollte es, zum Beispiel, im Herbst eine Koalition aus Union und FDP geben, würde sich in deren Vertrag wohl kaum noch ein Bekenntnis zur Transaktio­nssteuer finden. Schäuble selbst ist ohnehin kein großer Fan von ihr, obwohl sie zeitweise schon als eine Art Allheilmit­tel gegen die Finanzkris­e gehandelt wurde. Dabei ist bis heute nicht geklärt, welche Geschäfte im Falle eines Falles alles besteuert werden sollen und wie hoch.

 ?? Foto: Will Oliver, dpa ?? Der Finanzplat­z London: Nach dem Brexit könnte er für viele Banken, Fondsgesel­lschaften und Versicheru­ngen an Reiz verlieren. Paris und Frankfurt buhlen bereits jetzt um sie. Eine Börsensteu­er würde in diesem Wettbewerb der Standorte nur stören.
Foto: Will Oliver, dpa Der Finanzplat­z London: Nach dem Brexit könnte er für viele Banken, Fondsgesel­lschaften und Versicheru­ngen an Reiz verlieren. Paris und Frankfurt buhlen bereits jetzt um sie. Eine Börsensteu­er würde in diesem Wettbewerb der Standorte nur stören.

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