Rieser Nachrichten

Die Attentäter verschanzt­en sich an einem heiligen Ort

Ein blutiger Anschlag auf zwei Polizisten erschütter­t das Land. Beginnt nun eine neue Spirale der Gewalt?

- VON RUDI WAIS Haaretz (mit dpa)

Haìl Satawi und Kamil Shnaan hatten keine Chance. Die beiden Polizisten standen am Löwentor, einem der acht Eingänge zur Altstadt von Jerusalem, als drei Palästinen­ser das Feuer auf sie eröffneten – der vorläufige Höhepunkt einer Gewaltwell­e, die das Land seit mehr als zwei Jahren erschütter­t. Mit den beiden Beamten starben auch die Attentäter, die wenig später von der Polizei auf dem nahe gelegenen Tempelberg erschossen wurden. Der oberste muslimisch­e Geistliche der Stadt, Großmufti Muhammad Ahmad Hussein, wurde vorübergeh­end festgenomm­en, als er gegen die Abriegelun­g der Altstadt und die Absage der Freitagsge­bete in der Al-Aksa-Moschee und auf dem Tempelberg protestier­te. Wie die Zeitung berichtet, soll er seine Glaubensbr­üder aufgerufen haben, die israelisch­en Sperren zu durchbrech­en.

Nach dem ersten schweren Angriff mit Schusswaff­en in Jerusalems Altstadt seit mehreren Jahren beschäftig­t die Sicherheit­sbehörden nun vor allem eine Frage: Wie kamen die Attentäter mit zwei Gewehren und einer Pistole an einen der am besten bewachten Orte des Landes, den täglich auch Tausende von Touristen passieren. „Das ist ein kritischer Punkt“, sagt Arye Sharuz Shalicar, der lange Jahre Sprecher der israelisch­en Armee war und heute für Geheimdien­stminister Israel Katz arbeitet. Schließlic­h werde die Altstadt („ein explosiver Hotspot“) nicht nur von der Polizei gesichert, Der Tempelberg, arabisch „Haram al Scharif“(edles Heiligtum), ist für

eine wichtige heilige Stätte. Bis zur Zer störung durch die Römer im Jahr 70 befand sich an dieser Stelle der jü dische Tempel,

Zahlreiche mythische und biblische Traditione­n und Legenden wie die Erschaffun­g

die Opferung und die Himmelfahr­t sind mit dem Ort verbunden. Die im Süd osten der oberhalb des Kidron Tals gelegene Stätte ist bis heute stark umstritten und umkämpft. (kna) sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung, sondern auch von privaten Sicherheit­sfirmen, von verdeckten Ermittlern und Mitarbeite­rn der Nachrichte­ndienste.

Dass der Anschlag der Beginn einer neuen Gewaltspir­ale ist, glaubt Shalicar nicht: „Weder hat Israel ein Interesse an einer Zuspitzung des Konfliktes noch die Palästinen­ser. Sie wissen, dass Terror sie in ihrer Sache nicht weiterbrin­gt, sondern sie nur noch weiter zurückwirf­t.“

Nach einem Bericht der Nachrichte­nagentur Wafa verurteilt­e Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas den Angriff in einem Telefonat mit dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu: „Er bekräftigt­e seine Ablehnung jeglicher Gewalttate­n, besonders in heiligen Stätten.“Die islamistis­che Hamas dagegen, die den Gaza-Streifen unter Kontrolle hat, feierte das Attentat als „heroischen Akt“. Seit Beginn der Gewaltwell­e sind bei ähnlichen Attacken mehr als 40 Israelis, sieben Ausländer und fast 300 Attentäter ums Leben gekommen. Die meisten Angreifer stammten dabei aus dem von den Palästinen­sern regierten Westjordan­land, diesmal handelt es sich bei den Attentäter­n allerdings um israelisch­e Araber.

Obwohl Netanjahu mehrfach betont hat, seine Regierung wolle nichts am Status des Tempelberg­es ändern, der Juden, Christen und Muslimen gleicherma­ßen heilig ist, fürchten muslimisch­e Extremiste­n um ihre Privilegie­n. Bisher ist es nur Muslimen erlaubt, dort zu beten, nicht aber Juden. Umso trauriger sei es, sagt Experte Shalicar, dass Muslime jetzt „aus dem sicheren Hintergrun­d eines heiligen Ortes“heraus ihren Angriff gestartet hätten.

Eines der Opfer, der 30-jährige Haìl Satawi, ist erst vor drei Wochen Vater eines Jungen geworden. Sein Kollege Kamil Shnaan ist der Sohn eines langjährig­en Knesset-Abgeordnet­en. Beide waren keine Juden, sondern Drusen – eine dem Islam verwandte Religion.

Der Tempelberg

 ?? Foto: Oded Balilty, dpa ?? Nach den Schießerei­en zwischen der Polizei und palästinen­sischen Angreifern wurde der Tempelberg großräumig abgeriegel­t.
Foto: Oded Balilty, dpa Nach den Schießerei­en zwischen der Polizei und palästinen­sischen Angreifern wurde der Tempelberg großräumig abgeriegel­t.

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