„Charlie Brown – passt ja zu mir“
Steffi Jones steht vor ihrem ersten großen Turnier als Bundestrainerin. Im Interview spricht sie über ihre Vorgängerin Silvia Neid, Comic-Figuren und eine begehrte Handynummer
Frau Jones, in Ihrer Mannschaft hat seit einiger Zeit jede Spielerin eine „eigene“Comic-Figur. Welche ist Ihre?
Charlie Brown natürlich! Den fand ich schon als Kind klasse. Und der Name passt ja auch ganz gut zu mir.
Wir wollten den Spielerinnen vermitteln, dass wir bei aller Ernsthaftigkeit in der Vorbereitung auch Spaß brauchen. Die Bilder von den Figuren hängen dort, wo die Spielerinnen sich ihre Kleidung abholen, da fällt dann schon mal der ein oder andere Spruch.
Durften sie sich ihre Figuren selbst aussuchen?
Jones: Nein. Die habe ich zugeordnet: Dzsenifer Marozsán zum Beispiel ist unser Robin Hood. Weil sie für alle da ist. Da hat jede sofort gesagt: Passt.
Wie schwierig war es denn, einen frischen Wind reinzubringen nach so einer langen Ära wie der von Silvia Neid?
Jones: Ich habe vorher für mich gesagt: Das ist meine Philosophie und mir den Trainerstab dementsprechend rausgesucht. Aber ich bin noch immer in einem Prozess, in dem ich noch vieles ab- und hinterfrage und mich selbst reflektiere. Denn es geht hier nicht um mich, sondern um den Erfolg und die Mannschaft. Und wenn die sich mit meinem Weg identifizieren kann, dann geht sie ihn mit.
… sehr gut. Wir kommunizieren gut, aber nicht zu viel. Ich denke: Weniger ist mehr. Ich muss nicht ständig alle mit den ganzen taktischen Dingen zuballern, sondern versuche, gezielt Akzente zu setzen. Wir sind mitten in einem Prozess, in dem die Europameisterschaft eigentlich zu früh kommt. Unser Ziel ist dennoch klar: Wir wollen Europameister werden und diesen Weg dann weitergehen.
Die deutschen Fußball-Frauen sind neunmal Europameister – der Titel wird in der Öffentlichkeit quasi erwartet. Sie wollen dazu noch schön spielen. Ist es eine besondere Belastung, diesen Spagat zu schaffen?
Jones: Meine Philosophie ist Ballbesitzspiel. Wir wollen vermehrt über die gute Spieleröffnung kommen, weil wir festgestellt haben, dass sich da alle Mannschaften schwertun. Da können wir uns noch abheben. Aber ich weiß auch, dass es manchmal nicht anders geht als über den Kampf. Manchmal muss man auch mal einen Ball rausdreschen.
In der Öffentlichkeit wird es den Ver-
Jones: Klar ist dieser Druck vorhanden. Aber ich nehme ihn nicht an. Ich bin Steffi Jones und schreibe meine eigene Geschichte als Trainerin. Ich habe mich bestens dafür vorbereitet, habe Plan A, B und C. Ich bin sehr perfektionistisch veranlagt. Ich bin nicht Silvia Neid. Ich bin ich.
… und „ich“geht anders mit den Spielerinnen um?
Das ist schwer zu beurteilen. Ich bin einfach etwas jünger als meine Vorgängerin, bin eine andere Persönlichkeit und es hat sich vieles verändert etwa in der Kommunikation, auch digital; ich habe meinen eigenen Stil, meine eigene Philosophie und will, dass die Spielerinnen Spaß haben und sich wohlfühlen, gleichzeitig aber nicht den Fokus verlieren.
Silvia Neid hatte die Handynummer von Angela Merkel und zu ihr auch während der Turniere immer einen Draht. Wie ist das bei Ihnen?
Also ich habe die Handynummer der Kanzlerin noch nicht. Aber es kann ja sein, wie in vielen Dingen, die ich noch nicht habe, dass man erst mal wartet, bis ich was erreicht habe.
Was braucht es denn, um die Glückwünsche der Kanzlerin zu bekommen bei dieser EM?
Auf jeden Fall Glück. Und wenn die Kanzlerin mir das und ihren Segen mit auf den Weg gibt, ist das schön. Aber es ändert nichts an unserer Zielvorgabe und dem Weg, den wir gehen.
In der Männer-Bundesliga geht im Moment der Trend zur Jugend im Trainerbereich, da würden sie …
…mit 44 Jahren schon zum alten Eisen gehören. Ja, danke. Aber es stimmt.
Wie sieht es denn mit dem Trainerinnen-Nachwuchs in Deutschland aus?
Wir haben mit Saskia Bartusiak und Kim Kulig zwei ehemalige Spielerinnen dabei, die sich um das Scouting kümmern. Kim etwa soll demnächst auch ihren Fußballlehrer machen und dann eventuell im Nachwuchsbereich anfangen. Ich versuche schon, Spielerinnen an den Trainerinnenjob ranzubringen. Allerdings spielen die meisten bis An- fang, Mitte 30. Deshalb fände ich es gut, wenn einige schon während ihrer Zeit als Spielerin anfangen, sich mit der Ausbildung zu beschäftigen.
Theo Zwanziger war ein Verfechter des Frauenfußballs. Wie sieht es denn mit dem aktuellen Präsidenten des DFB, Reinhard Grindel, aus?
Gut. Wir duzen uns auch. Ich bin ein Mensch, der auf die Leute zugeht. Ich sitze keine Sachen aus. Wenn ich ein Anliegen habe, spreche ich die Jungs beim DFB direkt an.
44, ist seit 2016 Nach folgerin von Silvia Neid als Bun destrainerin. Die Tochter eines afro amerikanischen US Soldaten und einer deutschen Mutter wuchs in Frankfurt/Main auf. Sie absolvier te 111 Länderspiele in der National mannschaft. Von 2008 bis 2011 war sie Präsidentin des Organisati onskomitees für die Frauenfuß ball WM 2011, anschließend bis 2015 Direktorin beim Deutschen Fußball Bund. Jones lebt mit der Bankerin Nicole Jones in einer ein getragenen Lebenspartnerschaft.
Einige Frauen fühlen sich ja tatsächlich noch benachteiligt. Nur, weil sie nicht den gleichen Lohn erhalten, wenn sie die gleiche Arbeit wie ein Mann verrichten. Als wäre es der schnöde Mammon, der etwas über Respekt aussagt. Es sind die weichen Faktoren, die verdeutlichen, dass Frauen in der Gesellschaft dem Mann absolut gleichgestellt ist.
Vorreiter ist mal wieder der Sport, im Besonderen der Fußball. Der hiesige Verband erlaubte bereits 1970 den Frauen, sich zu Spielen zu treffen. Bis dahin sahen sich die Funktionäre in der Meinung bestätigt, das „Zurschaustellen des Körpers verletze Schicklichkeit und Anstand“. Mann lernt dazu. Seitdem kicken Mädchen und Frauen, ohne Angst haben zu müssen, auf dem direkten Weg ins Gefängnis zu dribbeln. Wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist der Frauenfußball aber jetzt. Nun versuchen auch Unternehmen, Profit aus dem Sport zu schlagen. Der guten alten Marktwirtschaft ist es egal, ob Männlein oder Weiblein. Es gibt kein ehrlicheres Instrument, um eine Gleichstellung bestätigen zu lassen.
In diesem Jahr hat der StickerGigant Panini erstmals ein Album für die Frauenfußball-Europameisterschaft aufgelegt. Statt Sechs- bis Zehnjährigen das Taschengeld mit Ronaldo, Neuer und Co. abzunehmen, löhnen die Sammler nun für Anja Mittag oder Lotta Schelin. Sie ärgern sich, wenn aus jeder dritten Packung Keeperin Almuth Schult hechtet. Das ist dann doch wirklich gelebte Gleichberechtigung.
Da will natürlich der DFB auch nicht hintanstehen und weiter seiner Vorreiterrolle gerecht werden. Sollte das deutsche Team den Titel gewinnen, erhält jede Spielerin 37 500 Euro. Nicht schlecht. Der Confed Cup war dem DFB zwar 50 000 wert, für einen EM-Sieg der Männer vergangenes Jahr wären 300000 Euro fällig geworden. Aber Geld ist wirklich nicht alles.
Die EM auf vielen Kanälen
Alle Spiele der Fußball Frauen EM sind ohne Zusatzkosten zu sehen. Allerdings zeigen die öffentlich recht lichen TV Sender die 31 Partien nicht komplett in ihren Hauptpro grammen. So wird das Eröff nungsspiel Niederlande gegen Nor wegen am Sonntag im ZDF über tragen. Die anschließende Partie Dä nemark gegen Belgien läuft – wie fünf weitere Spiele – als Stream über die Internetseite des Zweiten. Die erste Partie der DFB Elf am Montag gegen Schweden zeigt die ARD. Das Erste nutzt bei neun Partien den Digitalkanal One sowie fünfmal die Internetseite sportschau.de für Übertragungen. Alle 31 Partien zeigt zudem Eurosport. (dpa)