Der 100 Minuten Schirmherr
Markus Söder kommt als Festredner nach Amerbach. Über welche Themen er dort spricht, über welche nicht und was er als Geschenk mitbringt
Wenn sich ein Verein für ein großes Fest einen Schirmherrn sucht, dann greift er in aller Regel auf den örtlichen Bürgermeister, einen regionalen Abgeordneten oder einen Unternehmer zurück. Der feiert zusammen mit den Jubilaren, demonstriert seine Verbundenheit und sorgt idealerweise für das passende Wetter. Die Feuerwehr in Amerbach liebt es in diesem Punkt eine Nummer größer. Wenn ein runder Geburtstag der Wehr ansteht, darf es schon ein Minister der Schirmherr sein.
Zum 90-jährigen Bestehen war es der bayerische Wirtschaftsminister Anton Jaumann, zum 100-jährigen der damalige Innenminister Edmund Stoiber und nun zieht am Donnerstagabend unter den Klängen des „Bayerischen Defiliermarschs“kein geringerer als Markus Söder ins mit rund 1800 Menschen gefüllte Festzelt ein. Der Finanzund Heimatminister reist in einer dunklen Limousine mit Chauffeur aus seiner Heimatstadt Nürnberg an, kommt direkt von einem Empfang anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Landesbank.
In Amerbach, wo die Feuerwehr seit 125 Jahren existiert, ist die Stimmung sogleich prächtig. Söder ist einer der populärsten Politiker im Freistaat, lockt die Massen und unterhält diese mit seinem bisweilen lockeren Mundwerk – so auch im Wemdinger Stadtteil.
Dort heizen lokale Politikgrößen die Stimmung an. „Dein Besuch ist ohne Zweifel die Krönung dieses Fests“, ruft CSU-Landtagsabgeordneter Wolfgang Fackler dem Minister zu. Der gibt die Blumen gleich zurück, lobt Fackler, den ebenso anwesenden Bundestagsabgeordneten Ulrich Lange sowie Landrat Stefan Rößle in den höchsten Tönen.
Der Wemdinger Bürgermeister Martin Drexler hat für den Schirmherrn einen Geschenkkorb mit ungewöhnlichem Inhalt zusammenstellen lassen: Produkte aus dem Bereich der Städte Wemding und Monheim. Hintergrund: Beide Kommunen wollen zu einem Gemeinsamen Mittelzentrum hochgestuft werden. Eine Antwort aus dem Heimatministerium auf den Antrag aus Nordschwaben lässt seit einem halben Jahr auf sich warten. Drexler verweist darauf, dass es in Monheim und Wemding insgesamt über 6000 Arbeitsplätze gibt und 2000 Menschen in die Kommunen pendeln. Damit sei die Region „ein wichtiges Arbeitsmarkt- und Versorgungszentrum – und sollte nun endlich als Mittelzentrum anerkannt werden“. Eine ernsthafte Stellungnahme zu diesem Thema kommt von Söder nicht. Angesichts der vielen Leute sei er dafür, „dass wir dieses Zelt zum Mittelzentrum erklären“. Gelächter.
Überhaupt steht für den Politiker bei seiner „Festrede“– so die offizielle Ankündigung im Programm – zunächst der Unterhaltungsfaktor im Vordergrund. Der Franke legt zwar ein grundsätzliches „Bekenntnis zur Feuerwehr“ab, geht aber nicht weiter auf den Verein oder sonstige Begebenheiten in Amerbach ein.
Der Minister betont, wie wichtig der ländliche Raum für Bayern sei und stellt seine persönlichen Verdienste heraus, dass mehr Geld in die kleinen Kommunen fließe. Schnell kommt Söder zur aktuellen großen Politik. In einem Satz zeigt er sich „erschüttert“über die Krawalle am Rande des G-20-Gipfels in Hamburg („in Bayern wäre das nicht passiert“), im nächsten Moment streut er ein Kompliment an die Amerbacher Festdamen ein. Launig geht es weiter. Viele Besucher im Zelt fühlen sich prächtig unterhalten, applaudieren, lachen.
Der Minister lässt kaum ein Thema aus: Flüchtlingswelle, Innere Sicherheit Türkei, Doppelte Staatsbürgerschaft („entweder ist man Deutscher oder nicht“), Schuldenkrise und so weiter. Er teilt gegen die politischen „Mitbewerber“aus, vor allem gegen die Grünen. Er kokettiert mit seinem Abiturschnitt von 1,3 und sagt in Richtung Feuerwehr: „Heute habe ich Maybrit Illner abgesagt für euch.“
Nach der dreiviertelstündigen Rede lässt sich Söder erst einmal feiern. Dann übergibt er – was er sonst regelmäßig in München oder Nürnberg zelebriert – auf der Bühne an die Bürgermeister der Rieser Gemeinden Megesheim und Munningen die Förderbescheide für den Breitbandausbau in Höhe von zusammen 178 000 Euro.
Schlag auf Schlag geht es weiter: Wieder in seiner Funktion als Schirmherr heftet Söder als Geschenk ein eigens geschaffenes Band mit der Aufschrift „Heimat Bayern“an die Fahne der Feuerwehr. Bayernhymne. Nationalhymne. Gruppenbild mit Festausschuss. Gruppenbild mit Festdamen. Autogramme. Selfies. Ausmarsch. Noch ehe die Festdamen den Tanz darbieten, den sie einstudiert haben, nimmt Markus Söder schon wieder in seinen Dienstwagen Platz. Sein Auftritt als Schirmherr endet um 21.39 Uhr nach gut 100 Minuten.
In den kommenden Tagen – das Fest dauert bis einschließlich Sonntag – werde man Söder in Amerbach wohl nicht mehr sehen, sagt Feuerwehr-Vorsitzender Karl Strauß auf Anfrage unserer Zeitung. Strauß hatte zuvor im Zelt bekundet, welch große Ehre es sei, „dass sich der Staatsminister Zeit für uns nimmt“. Dass der Besuch vor Ort so kurz ausfällt, damit hätten die Verantwortlichen im Festausschuss schon gerechnet: „Das ist für uns als Feuerwehr in Ordnung.“
„Heute habe ich Maybrit Illner abgesagt für euch.“Markus Söder, Schirmherr