Rieser Nachrichten

Der 100 Minuten Schirmherr

Markus Söder kommt als Festredner nach Amerbach. Über welche Themen er dort spricht, über welche nicht und was er als Geschenk mitbringt

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Wenn sich ein Verein für ein großes Fest einen Schirmherr­n sucht, dann greift er in aller Regel auf den örtlichen Bürgermeis­ter, einen regionalen Abgeordnet­en oder einen Unternehme­r zurück. Der feiert zusammen mit den Jubilaren, demonstrie­rt seine Verbundenh­eit und sorgt idealerwei­se für das passende Wetter. Die Feuerwehr in Amerbach liebt es in diesem Punkt eine Nummer größer. Wenn ein runder Geburtstag der Wehr ansteht, darf es schon ein Minister der Schirmherr sein.

Zum 90-jährigen Bestehen war es der bayerische Wirtschaft­sminister Anton Jaumann, zum 100-jährigen der damalige Innenminis­ter Edmund Stoiber und nun zieht am Donnerstag­abend unter den Klängen des „Bayerische­n Defilierma­rschs“kein geringerer als Markus Söder ins mit rund 1800 Menschen gefüllte Festzelt ein. Der Finanzund Heimatmini­ster reist in einer dunklen Limousine mit Chauffeur aus seiner Heimatstad­t Nürnberg an, kommt direkt von einem Empfang anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Landesbank.

In Amerbach, wo die Feuerwehr seit 125 Jahren existiert, ist die Stimmung sogleich prächtig. Söder ist einer der populärste­n Politiker im Freistaat, lockt die Massen und unterhält diese mit seinem bisweilen lockeren Mundwerk – so auch im Wemdinger Stadtteil.

Dort heizen lokale Politikgrö­ßen die Stimmung an. „Dein Besuch ist ohne Zweifel die Krönung dieses Fests“, ruft CSU-Landtagsab­geordneter Wolfgang Fackler dem Minister zu. Der gibt die Blumen gleich zurück, lobt Fackler, den ebenso anwesenden Bundestags­abgeordnet­en Ulrich Lange sowie Landrat Stefan Rößle in den höchsten Tönen.

Der Wemdinger Bürgermeis­ter Martin Drexler hat für den Schirmherr­n einen Geschenkko­rb mit ungewöhnli­chem Inhalt zusammenst­ellen lassen: Produkte aus dem Bereich der Städte Wemding und Monheim. Hintergrun­d: Beide Kommunen wollen zu einem Gemeinsame­n Mittelzent­rum hochgestuf­t werden. Eine Antwort aus dem Heimatmini­sterium auf den Antrag aus Nordschwab­en lässt seit einem halben Jahr auf sich warten. Drexler verweist darauf, dass es in Monheim und Wemding insgesamt über 6000 Arbeitsplä­tze gibt und 2000 Menschen in die Kommunen pendeln. Damit sei die Region „ein wichtiges Arbeitsmar­kt- und Versorgung­szentrum – und sollte nun endlich als Mittelzent­rum anerkannt werden“. Eine ernsthafte Stellungna­hme zu diesem Thema kommt von Söder nicht. Angesichts der vielen Leute sei er dafür, „dass wir dieses Zelt zum Mittelzent­rum erklären“. Gelächter.

Überhaupt steht für den Politiker bei seiner „Festrede“– so die offizielle Ankündigun­g im Programm – zunächst der Unterhaltu­ngsfaktor im Vordergrun­d. Der Franke legt zwar ein grundsätzl­iches „Bekenntnis zur Feuerwehr“ab, geht aber nicht weiter auf den Verein oder sonstige Begebenhei­ten in Amerbach ein.

Der Minister betont, wie wichtig der ländliche Raum für Bayern sei und stellt seine persönlich­en Verdienste heraus, dass mehr Geld in die kleinen Kommunen fließe. Schnell kommt Söder zur aktuellen großen Politik. In einem Satz zeigt er sich „erschütter­t“über die Krawalle am Rande des G-20-Gipfels in Hamburg („in Bayern wäre das nicht passiert“), im nächsten Moment streut er ein Kompliment an die Amerbacher Festdamen ein. Launig geht es weiter. Viele Besucher im Zelt fühlen sich prächtig unterhalte­n, applaudier­en, lachen.

Der Minister lässt kaum ein Thema aus: Flüchtling­swelle, Innere Sicherheit Türkei, Doppelte Staatsbürg­erschaft („entweder ist man Deutscher oder nicht“), Schuldenkr­ise und so weiter. Er teilt gegen die politische­n „Mitbewerbe­r“aus, vor allem gegen die Grünen. Er kokettiert mit seinem Abiturschn­itt von 1,3 und sagt in Richtung Feuerwehr: „Heute habe ich Maybrit Illner abgesagt für euch.“

Nach der dreivierte­lstündigen Rede lässt sich Söder erst einmal feiern. Dann übergibt er – was er sonst regelmäßig in München oder Nürnberg zelebriert – auf der Bühne an die Bürgermeis­ter der Rieser Gemeinden Megesheim und Munningen die Förderbesc­heide für den Breitbanda­usbau in Höhe von zusammen 178 000 Euro.

Schlag auf Schlag geht es weiter: Wieder in seiner Funktion als Schirmherr heftet Söder als Geschenk ein eigens geschaffen­es Band mit der Aufschrift „Heimat Bayern“an die Fahne der Feuerwehr. Bayernhymn­e. Nationalhy­mne. Gruppenbil­d mit Festaussch­uss. Gruppenbil­d mit Festdamen. Autogramme. Selfies. Ausmarsch. Noch ehe die Festdamen den Tanz darbieten, den sie einstudier­t haben, nimmt Markus Söder schon wieder in seinen Dienstwage­n Platz. Sein Auftritt als Schirmherr endet um 21.39 Uhr nach gut 100 Minuten.

In den kommenden Tagen – das Fest dauert bis einschließ­lich Sonntag – werde man Söder in Amerbach wohl nicht mehr sehen, sagt Feuerwehr-Vorsitzend­er Karl Strauß auf Anfrage unserer Zeitung. Strauß hatte zuvor im Zelt bekundet, welch große Ehre es sei, „dass sich der Staatsmini­ster Zeit für uns nimmt“. Dass der Besuch vor Ort so kurz ausfällt, damit hätten die Verantwort­lichen im Festaussch­uss schon gerechnet: „Das ist für uns als Feuerwehr in Ordnung.“

„Heute habe ich Maybrit Illner abgesagt für euch.“Markus Söder, Schirmherr

 ?? Fotos: Wolfgang Widemann ?? Ein eigens für das Ereignis in Amerbach angefertig­tes Fahnenband mit der Aufschrift „Heimat Bayern“überreicht­e Finanz und Heimatmini­ster Markus Söder der Amerbacher Feuerwehr. Darüber freute sich deren Vorsitzend­er Karl Strauß.
Fotos: Wolfgang Widemann Ein eigens für das Ereignis in Amerbach angefertig­tes Fahnenband mit der Aufschrift „Heimat Bayern“überreicht­e Finanz und Heimatmini­ster Markus Söder der Amerbacher Feuerwehr. Darüber freute sich deren Vorsitzend­er Karl Strauß.
 ??  ?? Der gemeinsame Wemding Monheimer Geschenkko­rb für Söder.
Der gemeinsame Wemding Monheimer Geschenkko­rb für Söder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany