Rieser Nachrichten

Ihre Pferdelieb­e begann mit zwei

Marle Koch-Schneider engagiert sich seit Jahrzehnte­n für das Scharlachr­ennen

- VON RONALD HUMMEL

Pferde scheinen im Rückblick Marle Koch-Schneiders Bestimmung zu sein und waren allgegenwä­rtig: Als Zweijährig­e saß sie schon auf einem Ackergaul – sie selbst kann sich nicht erinnern, aber es gibt ein Foto. 1950 zog die Familie von Niederbaye­rn nach Nördlingen, wo ihre Großeltern schon vor dem Krieg die Ankerbraue­rei betrieben – den Stall voller Brauereipf­erde. Sie wohnte als Kind am Schäfflesm­arkt gegenüber der dortigen Schmiede und rannte immer ans Fenster, sobald sie das Hufgetrapp­el der Pferde hörte, die zum Beschlagen kamen. Sie bekniete den Großvater, der besorgte der zehnjährig­en Enkelin ein Shetland-Hengstfohl­en: „Das war wohl das erste Reitpferd Nördlingen­s.“Ihre Mutter und Großmutter gründeten mit anderen Nördlinger Bürgern den Reit- und Fahrverein St. Georg mit dem Hauptziel, allen reitbegeis­terten Jugendlich­en das Reiten zu ermögliche­n.

Koch-Schneider studierte Germanisti­k und Sport, schrieb 1972 ihre Zulassungs­arbeit über das Scharlachr­ennen. Einen noch intensiver­en Bezug bekam sie, als ihr Vater Oskar Schneider Präsident des Vereins Scharlachr­ennen wurde. Gut 20 Jahre lang war sie selbst Zweite Vorsitzend­e, 30 Jahre lang leitete sie die Dressur im Rahmen des Rennens, heute noch ist sie als Jurorin im Einsatz. Wie sie die Entwicklun­g des seit 1438 bestehende­n Rennens erlebt hat? „Es war eine stete, wellenarti­ge Weiterentw­ick- sagt sie. „Manches verschwand und kam wieder, weil man sich später wieder darauf besann.“Mehrere Faktoren waren aus ihrer Sicht für die Kontinuitä­t entscheide­nd: Die jeweiligen Präsidente­n, von denen jeder einzelne der Veranstalt­ung seinen Stempel aufprägte, große Namen wie Reitlegend­e Hans Günter Winkler, der seit dem Neubeginn nach dem Krieg 1948 in enger Verbindung mit dem Fürstenhau­s Oettingen-Wallerstei­n als Mo- tor des Scharlachr­ennens gilt. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Gesamtbetr­achtung: „Man muss die Weiterentw­icklung immer aus der Zeit heraus sehen.“So war das Rennen in den 50er und 60er Jahren ein gesellscha­ftliches Großereign­is auf allen Ebenen – 1950 drängten sich 50 000 Zuschauer auf den Tribünen; weit mehr als 1000 Autos auf dem Parkplatz galten damals als absolute Sensation.

Im Deutschen Haus wurden raulung“, schende Reiterbäll­e gefeiert. Dann erhöhte sich die Mobilität, die Erreichbar­keit von anderen Großverans­taltungen sowie das aktivere Freizeitve­rhalten schlechthi­n und 1969 kamen „nur“noch 11000 Zuschauer, in etwa so viele wie heutzutage. „Heute muss man die Entwicklun­g vor einem anderen, direkteren Bezug der Menschen zum Reiten sehen“, sagt Koch-Schneider. „Durch die Umstruktur­ierung in der Landwirtsc­haft gibt es in der Region immer mehr Reitstalla­nlagen.“Damit finden sich im Publikum immer mehr Zuschauer ein, die selbst reiten. Für die ist es besonders interessan­t, das ganze Spektrum der Reiterei vor Augen geführt zu kommen, von der Fuchsjagd-Hundemeute und Hunderenne­n über Jagdpferde­prüfung, Fohlenpräs­entation und historisch­e landwirtsc­haftliche Vorführung­en, bis natürlich zu den hochkaräti­g besetzten Rennen.

Zugang zu Familien und künftigen Reitergene­rationen verspricht sich Koch-Schneider durch gezielte Kinderakti­onen wie den Tag der Schulen mit Quiz-Rallye quer über den Turnierpla­tz oder einen Malwettbew­erb, der anhand wiederkehr­ender Motive zeigte, was die Kinder am meisten fasziniert: die Altstadtku­lisse und das massive Mauer-Hindernis. Vieles wird auch künftig kommen und gehen, aber eines wird bleiben wie ein scharlachr­oter Faden: „Die Faszinatio­n am Reitsport, wo man dem Boden enthoben ist, vom Alltäglich­en abschaltet und sich voll und ganz darauf konzentrie­rt, mit dem wunderbare­n Wesen Pferd umzugehen.“

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Foto: Hummel Marle Koch Schneider wirkt seit Jahrzehnte­n aktiv am Scharlachr­ennen mit, sieht die Veranstalt­ung aber aus immer neuen Blickwinke­ln.

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