Schneller als ein Augenblick
Im Landkreis blitzt es häufiger als in den umliegenden Regionen, nur im Ostalbkreis schlagen mehr Blitze ein. Wie einer vor zwölf Jahren den Kirchturm Daniel getroffen hat
Es geschah an einem Tag vor zwölf Jahren. Gegen 16.15 Uhr schaut Türmer Wilhelm Karst aus dem Fenster seiner Stube im Daniel. Gewitterwolken ziehen heran. Schon die ersten Besucher kommen ihm von der Aussichtsplattform entgegengeklettert. Es hat bereits begonnen zu regnen, als er die restlichen Touristen bittet, den Turm zu verlassen. In dem Moment, als er alle Fenster geschlossen hat, knallt es. Da war dem Türmer klar: Ein Blitz hat eingeschlagen.
„Das war ein Mordsschlag“, sagt Wilhelm Karst heute. Der ehemalige Türmer kann sich immer noch genau an den Ton erinnern. Damals war der Daniel mit einem Baugerüst umhüllt. Beim Einschlag hatten die locker zusammengesteckten Gerüstteile ein metallisches Krachen von sich gegeben. „Der Turm hat glücklicherweise nichts abbekommen“, sagt Karst, der seit neun Jahren in Rente ist. Nur die GlockenProgrammierung sei weg gewesen und einige Sicherheitsschalter seien kaputt gegangen.
Eine ähnliche Geschichte kann auch der Türmer Günter Burger erzählen: „Es regnete so stark, dass man die Häuser nicht mehr erkennen konnte.“Ein holländischer Tourist stand mit ihm in der Turmstube. „Der meinte, es fehle nur noch ein Scheinwerfer, dann wäre der Daniel ein Leuchtturm“, sagt Burger. Dann sei plötzlich der Blitz knapp am Turm vorbei geschossen. „Einen Augenblick lang war es taghell“, erinnert er sich.
Seit neun Jahren ist der 74-Jährige Türmer. Er hat im Sommer ständig ein Auge auf das Wetter. „Wenn die Wolken aus Westen kommen, könnte es gefährlich werden“, erklärt er. Seien sie südöstlich, müsse man sich keine Gedanken mehr machen. Auch Wilhelm Karst hat das früher beobachten können. „Manchmal teilten sich die Wolken vor Nördlingen und manchmal eben nicht“, sagt er. Wird es gefährlich, holt Burger die Leute vom Turm und sperrt unten zu. Bei einem heftigen Gewitter sei mal der Fernseher kaputt gegangen.
Aus einem erst kürzlich erschienenen Blitzatlas der Firma Siemens geht hervor, dass im Landkreis Donau-Ries verhältnismäßig häufiger Blitze einschlagen als in den umliegenden Kreisen. Seit 1999 waren es rund 60000, in Dillingen dagegen nur 35 000 und im Ansbacher Landkreis sogar nur 4000. Nur im Ostalbkreis schlugen im selben Zeitraum 72 500 Blitze ein. Woran kann das liegen?
Für Guido Wolz vom Deutschen Wetterdienst sind die Zahlen nachvollziehbar: „In höheren Regionen wie Gebirgen oder Mittelgebirgen treten häufiger Gewitter auf.“Die Schwäbische Alb sei ein solches Mittelgebirge. Grundsätzlich gebe es eine Nord-Süd-Verteilung in Deutschland. „Im Süden, im Sommer und an Nachmittagen und Abenden blitzt es häufiger“, erklärt Wolz. Ganz überzeugt ist er nicht von der Statistik, da seiner Meinung nach der untersuchte Zeitraum zu kurz ist. „Erst ab 30 Jahren kann man verlässliche Aussagen treffen“, sagt der Meteorologe.
Der Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler hat dafür drei dokumentierte Blitzeinschläge, die mehr als 30 Jahre zurückliegen. „Im Jahr 1867 tötete ein Blitz fünf Menschen“, sagt er. Ein Metzgermeister und sein Knecht starben auf einer Wiese bei Nördlingen sowie ein Bauer, sein Arbeiter und eine Magd auf einem Feld bei Reimlingen. Bei zwei weiteren Blitzeinschlägen starben zwei Menschen. Darunter ein Schmiedemeister aus Herblingen und eine 14-Jährige aus Ehingen am Ries. Sie sei im Jahr 1952 durch einen Blitz aus heiterem Himmel getötet worden. „Sie hatte einige Wochen davor ihre Konformation gehabt“, erzählt Dettweiler.