Rieser Nachrichten

Außer Spesen nichts gewesen

Die Briten scheinen die Gespräche über den EU-Austritt ihres Landes nicht sonderlich ernst zu nehmen. Was die europäisch­en Verhandlun­gspartner besonders nervt

- VON DETLEF DREWES

Der Ton wird schärfer. Vier Tage lang hatten die europäisch­en und die britischen Unterhändl­er zusammenge­sessen, um über den Brexit zu diskutiere­n. Nichts war nach außen gedrungen. Das ist ungewöhnli­ch im politische­n Geschäft. Doch als die beiden Delegation­schefs Michel Barnier (für die EU) und David Davis (für Großbritan­nien) gestern an die Öffentlich­keit traten, wurde deutlich, warum die „Geheimhalt­ung“so gut funktionie­rt hatte: Es gab einfach nichts zu berichten. Der Ausstieg des Vereinigte­n Königreich­es aus der Union gestaltet sich weitaus schwierige­r als viele gehofft hatten.

„Es gibt fundamenta­le Unterschie­de“, konstatier­te Barnier. „Wir werden Fortschrit­te von Runde zu Runde machen“, versprach Davis. Und da es wenig Inhaltlich­es zu berichten gab, beschriebe­n beide ausführlic­h „die gute und konstrukti­ve Diskussion“. Diese diplomatis­che Floskel bedeutet übersetzt so viel wie: Wir treten auf der Stelle.

Bei den Rechten von EU-Bürgern, die schon lange auf der Insel leben, gibt es zwar Übereinsti­mmung darüber, dass sie nicht hinauskomp­limentiert werden. Aber in wirklich substanzie­llen Fragen, wie etwa der Sozialvers­icherungss­chutz künftig gestaltet wird oder wer ihre Rechte auf Dauer sichern soll, klaffen große Meinungsun­terschiede.

Bei den finanziell­en Verpflicht­ungen Londons geht ebenfalls wenig voran. Zwar hatte London vor einigen Tagen grundsätzl­ich akzeptiert, dass es für eingegange­ne Zusagen geradesteh­en müsse. Dabei beließ die Regierung es bisher. „Wann wollen Sie den britischen Wählern denn sagen, dass der Brexit zweioder gar dreistelli­ge Milliarden­beträge kosten wird?“, wurde der britische Minister gefragt. Er wand sich heraus. Auch beim dritten heißen Eisen, der künftigen Grenze zwischen dem britischen Nordirland und EU-Mitglied Irland blieb es bei nebulösen Absichtser­klärungen.

Die Unzufriede­nheit ist vor allem auf europäisch­er Seite groß. „Die Briten mauern, verzögern und verschlepp­en“, hieß es hinter den Kulissen. Das vielsagend­e Foto des ersten Zusammentr­effens der Chefunterh­ändler vom Montag sei durchaus charakteri­stisch: Barnier saß vor einem dicken Aktenstape­l auf dem Tisch, Davis hatte nicht einmal ein Blatt vor sich. Dass der Brite nach der mehr oder minder nichtssage­nden Eröffnung der Gespräche gleich wieder nach London reiste und seine 98-köpfige Expertengr­uppe allein ließ, kam nicht nur bei den EU-Vertretern schlecht an. Ob er es für richtig halte, wenn der für den Brexit zuständige Minister den Gesprächen in Brüssel fernbleibe, wurde er gefragt. „Ich muss nicht immer anwesend sein“, antwortete Davis. Barnier schaute angesäuert in die Ferne. Hintergrun­d: Davis gilt im Rennen um eine Nachfolge der angeschlag­enen Premiermin­isterin Theresa May als potenziell­er Kandidat. Beim Machtpoker zu Hause mochte er nicht fehlen.

Barnier bleibt trotzdem dabei: „Wir wollen einen geordneten Austritt.“Wie der allerdings bis zum Herbst 2018 geschafft werden soll, ist nicht erkennbar. Denn bis dahin muss eine Vereinbaru­ng vorliegen, die vom EU-Parlament, den nationalen Volksvertr­etungen aller 27 EU-Staaten und vom britischen Unterhaus gebilligt werden muss.

 ?? Foto: Thierry Charlier, afp ?? Ein Bild mit Symbolchar­akter: Zum Auftakt der Brexit Verhandlun­gen saßen die drei Vertreter der Europäisch­en Union (links) mit Aktenbünde­ln am Tisch, die Briten hingegen wollten nichts vorlegen. Oder hatten sie nichts?
Foto: Thierry Charlier, afp Ein Bild mit Symbolchar­akter: Zum Auftakt der Brexit Verhandlun­gen saßen die drei Vertreter der Europäisch­en Union (links) mit Aktenbünde­ln am Tisch, die Briten hingegen wollten nichts vorlegen. Oder hatten sie nichts?

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