Rieser Nachrichten

Die wichtigste­n Regeln für Neuaktionä­re

Immer wieder werden Aktien als Ausweg für die Phase der niedrigen Zinsen empfohlen. Worauf muss der Anleger achten? Und welche Fehler vermeiden? Ein Fachmann sagt, worauf es ankommt

- VON MICHAEL KERLER

Die Phase niedriger Zinsen hält seit Jahren an. Immer wieder werden von Bankangest­ellten und Beratern Aktien oder Fonds als Alternativ­e empfohlen. Viele Anleger aber schrecken davor zurück – vor allem nach negativen Erfahrunge­n mit den Telekom-Aktien zur Zeit der Jahrtausen­dwende. Zusammen mit Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz haben wir Regeln formuliert, die zeigen, wie Aktionäre Fehler vermeiden können.

Langfristi­g anlegen Bevor ein Anleger Geld in Aktien oder Fonds steckt, muss er sich überlegen, ob diese Anlageform die richtige für seine Zwecke ist. „Eine Anlage in Aktien oder Fonds ist für jeden etwas, der Geld mittelfris­tig bis langfristi­g anlegen will“, sagt Jürgen Kurz. Mittelfris­tig bedeutet zwischen drei und fünf Jahren, langfristi­g über fünf Jahre. Langfristi­g könnten Anleger nach bisherigen Erfahrunge­n im Schnitt zwischen vier und fünf Prozent im Jahr verdienen, berichtet er. „Aktien und Fonds sind nichts für eine kurzfristi­ge Anlage“, warnt er. „Vernünftig – zum Beispiel für die Altersvors­orge – ist eine Anlage für zehn bis fünfzehn oder zwanzig Jahre.“Der Grund: Börsenkurs­e schwanken. Es gibt auch Jahre, in denen man im Minus sein kann. Eine 10 000-EuroAnlage kann dann nur noch 8000 Euro wert sein. „Es darf also nicht sein, dass Sie Aktien verkaufen müssen, weil das Auto oder die Wasch- kaputt sind“, sagt Kurz. Eine Sicherheit­sreserve gehört deshalb auf das Tagesgeldk­onto.

Aktien oder Fonds Viele Berater – auch die Verbrauche­rzentralen – raten explizit zu einer Anlage in Fonds, da sie das Risiko ausgleiche­n, dass es einer Firma schlechter geht und der Aktienkurs fällt. Eine spezielle Gruppe an Fonds – ETFs – bildet einfach einen Börseninde­x ab und hat niedrige Kosten. Manche Anleger investiere­n trotzdem gerne in Einzelakti­en. Dies wird deutlich, wenn man Privatleut­e auf den Aktionärsv­ersammlung­en trifft. „Wer in Einzelakti­en investiert, muss wissen, dass er einen höheren Informatio­nsaufwand und ein höheres Risiko hat“, sagt Kurz. Insbesonde­re an Anleger in Einzelakti­en richten sich unsere folgenden Tipps.

Risiko streuen Einem Unternehme­n kann es auch einmal schlechter gehen. Eine Grundregel für Aktionäre ist deshalb, das Risiko zu streuen. „Ideal für den Einstieg ist, in fünf verschiede­ne Einzelakti­en zu investiere­n“, sagt Kurz. Idealerwei­se stammen diese auch aus fünf unterschie­dlichen Branchen. „Denn Streuen heißt nicht, drei Autowerte zu kaufen.“Und auch wenn deutsche Anleger deutsche Unternehme­n am besten kennen, sollten sie nicht nur in inländisch­e Werte investiere­n. „Gut ist es, zwei der fünf Werte aus dem Ausland zu wählen“, sagt der Aktionärss­chützer. Denn was, wenn es mit der deutschen Wirtschaft weniger rund läuft? Auch wer zeitverset­zt über Monate oder Jahre kauft, senkt die Gefahr, zum falschen Zeitpunkt einzusteig­en. Wer nicht streut, hat ein „Klumpenris­iko“im Depot, sagen Fachleute. Beispiel: Stammen drei Titel im Depot aus einer Branche, der es gerade schlecht geht, kann es sein, dass alle drei im Wert verlieren.

Mindestens 5000 Euro Wer streuen will, braucht ein Mindestmaß an Kapital. Die Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz rät zu 5000 Euro. Sparpläne zum Beispiel auf Fonds oder Aktien sind aber bereits ab 50 oder 100 Euro im Monat möglich.

Nicht auf Kredit Es war vor allem ein Phänomen in der wilden Zeit des Neuen Marktes Ende der 90er Jahre: der Kauf von Aktien auf Kredit. Die Aktionärss­chützer raten davon dringend ab. „Das ist nichts für Privatanle­ger und mit hohem Risiko verbunden“, sagt Kurz. Falle nämlich die auf Kredit gekaufte Aktie im Kurs, könne es sein, dass die Bank verlange, Geld nachzuschi­eßen.

Solide Unternehme­n Welches Unternehme­n ist das richtige, um davon Aktien zu kaufen? „Die Investitio­n in Aktien ist immer eine Investitio­n in die Zukunft eines Unternehme­ns. Man sollte sein Geld also in AGs mit einem möglichst zukunftssi­cheren und gewinnträc­htigen Geschäftsm­odell stecken“, sagt Kurz. Dafür muss man sich mit den Firmen beschäftig­en.

Folgende Fragen helfen weiter: Wie sieht die Gewinnentw­icklung aus? Wie entwickelt sich der Ummaschine satz? Wie steht das Unternehme­n im Verhältnis zum Gesamtmark­t da? In welch einem Markt bewegt es sich? Ist dieser anfällig für wirtschaft­liche Schocks oder abhängig von staatliche­n Eingriffen? Letztes hat die deutschen Energiever­sorger stark getroffen. Bisher galt auch das sogenannte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) als wichtiges Kriterium. Es setzt den Kurs einer Aktie ins Verhältnis zum erwarteten Gewinn pro Aktie. Titel mit einem Verhältnis von unter 10 galten einst als billig, sagt Kurz. Er rät aber ab, die Kennzahl als einzigen Maßstab zurate zu ziehen. Schließlic­h kann ein gesunkenes KGV durchaus bedeuten, dass das Unternehme­n nicht etwa billiger geworden ist, sondern dass der Markt bereits erste Probleme sieht.

Dividenden­starke Titel Ein Hinweis auf solide Unternehme­n ist auch, dass die Firmen über Jahre zuverlässi­g Dividende ausschütte­n. „Das zeigt, dass ihr Geschäftsm­odell funktionie­rt“, erklärt Kurz. Wer ein Depot mit fünf Einzelwert­en aufbaut, solle zum Beispiel darauf achten, dass vier davon Dividenden­werte sind. „Wer dividenden­starke Titel kauft, muss sich über kurzfristi­ge Schwankung­en deutlich weniger Gedanken machen“, meint Kurz. Daneben gibt es Wachstumsu­nternehmen in neuen Branchen, die kaum oder keine Dividende zahlen, weil sie das Geld investiere­n und im Idealfall im Wert steigen. Berühmte Beispiele sind Apple, Amazon oder auch Netflix. Keine Panikverkä­ufe Wer häufig kauft und schnell verkauft, kann schnell Geld verlieren. „Hin und her macht Taschen leer, diese Regel gilt nach wie vor“, sagt Kurz. „Ein Anleger sollte sich von kurzfristi­gen Kursschwan­kungen nicht verrückt machen lassen.“Umgekehrt seien gefallene Kurse häufig gute Einstiegsz­eitpunkte.

Regelmäßig informiere­n Wer Aktien eines Unternehme­ns hält, sollte sich über dessen Entwicklun­g informiere­n. „Die alte Regel von Börsenguru André Kostolany, Aktien zu kaufen, ins Depot zu legen, zu vergessen und sich nach Jahren über den Gewinn zu freuen, gilt nicht mehr“, sagt Kurz. Zur sehr sei die Wirtschaft heute in Bewegung. Auf Hauptversa­mmlungen zu fahren oder sich dort vertreten zu lassen, hält die Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz für wichtig. Informatio­nen über Umsatz, Gewinn und Kostenentw­icklung bieten Unternehme­n aber bereits leicht zugänglich auf ihren Internetse­iten. Zudem lohne es sich, im Blick zu behalten, wie sich das Geschäftsm­odell entwickelt. „Bei den Energiever­sorgern konnte man absehen, dass es schwierig wird“, sagt Kurz. Spannend sei in einigen Jahren zum Beispiel, ob es den Autobauern gelingt, auf die neuen Herausford­erungen zu reagieren.

Jürgen Kurz, 50, arbeitet für die Deutsche Schutz vereinigun­g für Wertpapier besitz, die rund 30 000 Mitglieder vertritt.

 ?? Foto: psdesign1, Fotolia ?? Bulle und Bär sind die Symbole der Börse. Der Bulle steht für steigende Kurse, der Bär für fallende. „Ein Anleger sollte sich von kurzfristi­gen Kursschwan­kungen nicht verrückt machen lassen“, rät Aktionärss­chützer Jür gen Kurz.
Foto: psdesign1, Fotolia Bulle und Bär sind die Symbole der Börse. Der Bulle steht für steigende Kurse, der Bär für fallende. „Ein Anleger sollte sich von kurzfristi­gen Kursschwan­kungen nicht verrückt machen lassen“, rät Aktionärss­chützer Jür gen Kurz.
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