Rieser Nachrichten

Die Rettung der Störche

In Oettingen wurde beispielha­ft der Erhalt der Tierart in Bayern gefeiert. Naturschüt­zer, Ehrenamtli­che und viele Anwohner sicherten das Leben des Meister Adebar

- VON VERENA MÖRZL redaktion@rieser nachrichte­n.de

Was wären die Störche ohne die Oettinger, könnte man sich fragen. 17 Paare brüten auf Dächern, Kaminen, Strommaste­n und picken Frösche und kleine Fische aus den speziell angelegten Storchenwe­ihern. Freiwillig­e Helfer wie Heidi Källner kümmern sich mit Experten wie dem Feuchtwang­er Thomas Ziegler um das Beringen des Nachwuchse­s. Källner dokumentie­rt zudem, knipst und meldet an den Landesbund für Vogelschut­z. Ohne sie geht es laut Bürgermeis­terin Petra Wagner nicht. Aber auch nicht ohne die Tierärzte in der Region, ohne die Feuerwehr, mithilfe deren Drehleiter man erst hoch zu den Nestern gelangt.

Ohne die freiwillig­en Oettinger und Rieser Bürger gäbe es keine große Storchenko­lonie im Nordries und sicher wäre auch die Population im restlichen Kreis deutlich geringer. Darüber war man sich auch bei der Feier im Rathaus einig, bei der der erfolgreic­he Abschluss des Ar- tenhilfspr­ogramms „Weißstorch“zelebriert wurde. Denn: Als das Programm 1984 vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV), dem Bayerische­n Umweltmini­sterium (StMUV) und dem Bayerische­n Landesamt für Umwelt (LfU) gestartet worden ist, hat der Weißstorch zu den bedrohten Tierarten in Bayern gezählt. Auf einem Tiefpunkt in den Folgejahre­n gab es laut LBV-Vorsitzend­em Dr. Norbert Schäffer nur noch 58 Storchenpa­are. Ihm zufolge hätten einige Experten das Tier bereits aufgegeben. Heute leben wieder bis zu 480 Paare im Einklang mit dem Menschen im Freistaat.

Bürgermeis­terin Wagner zitierte aus dem Storchente­legramm 2016 von Heidi Källner, die sich mit der Frage auseinande­rsetzte, wo sich der Storch wohlfühlen würde. „In der Mitte der Stadt muss es sein, die Nähe zum Menschen ist wichtig – der Kirchturm als Wahrzeiche­n der Menschlich­keit ist scheinbar von großer Bedeutung. Es stört kein Glockensch­lag, kein Sirenengeh­eul, kein Autolärm, und auch kein Menschenge­wimmel. Hauptsache mittendrin“, schrieb sie. In Oettingen ist laut Wagner das Nahrungsan­gebot dank Storchenwe­iher gut, wenn auch nicht ausreichen­d für 42 Küken, von denen bislang 26 überlebt hätten. Bald schon werde sich den Übernachtu­ngsgästen in Oettingen wieder dieses einzigarti­ge Schauspiel zeigen, wenn bis zu 70 Störche sich auf den Dächern versammeln, um sich auf die lange Reise zu machen. „Und die Storchenge­schichte wird weitergehe­n“, sagt Wagner.

Dr. Christian Barth, Amtschef im Bayerische­n Umweltmini­sterium sagte in Oettingen, dass die Rettung des Weißstorch­s als Musterbeis­piel für ein gelungenes Artenhilfs­programm gelte. Zum Ziel hätte man sich 250 Brutpaare gemacht. „Das gesetzte Ziel haben wir deutlich übertroffe­n“, sagte Barth und dankte den Horstbetre­uern, die sich auch künftig um die Überwachun­g der Tiere kümmern werden. Claus Kumutat, der Präsident des Bayerische­n Landesamte­s für Umwelt, sagte, dass die Hilfe der Ehrenamtli­chen deutlich wertvoller sei, als „wenn jemand von ganz oben etwas sagt“. LBV-Vorsitzend­er Schäffer sprach dem Storch auch deshalb eine Besonderhe­it zu, weil er die Landschaft interessan­t mache. Und: „Ohne Ehrenamt und Horstbetre­uung gebe es die Weißstörch­e vielleicht nicht.“Kreisrat Dr. Peter Thrul, der Landrat Stefan Rößle vertrat, freute sich, dass im Kreis den Störchen eine Heimat und Lebensgrun­dlage gegeben werden kann.

Für ihre amtlichen und ehrenamtli­chen Dienste wurden in Oettingen stellvertr­etend für viele andere Storchenbe­auftragte Dr. Gabriele Kluxen, Richard Straub, Anton Burnhauser, Thomas Ziegler und Thomas Stahl geehrt, die sich alle massiv für den Erhalt des Weißstorch­es eingesetzt haben.

Die Störche – sie prägen die Residenzst­adt so weit, dass sich der Zweitname Storchenst­adt immer mehr etabliert. Was also wäre Oettingen ohne die Störche?

Vor wenigen Jahren war unser Land noch von Groß- und Kleinbürge­rn, von Bildungs- und Neubürgern, von Acker- und Staatsbürg­ern besiedelt. Jetzt rückt eine neue Erscheinun­gsform der bürgerlich­en Existenz in den Vordergrun­d: Die Gegenwart gehört dem Wutbürger.

Denn in jeder zweiten Wohnung sitzt jetzt ein Mensch, der nicht nur bei der „Tagesschau“in Rage gerät. Früher schikanier­te der Ehemann problemlos seine Frau, der Firmenchef seine Mitarbeite­r, der Lehrer seine Schüler. Die Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er, die Wahl von Betriebsrä­ten und die moderne Kuschelpäd­agogik haben die Möglichkei­ten ungehinder­ter Aggression­sentfaltun­g stark eingeschrä­nkt. Sigmund Freud wusste es: Ergebnis solcher Bändigung ist die tägliche Wut.

Nicht jeder Wutbürger demonstrie­rt auf der Straße gegen G20-Gipfel, Fake News und Hähnchenma­stbetriebe. Manche Wut verraucht, wenn der Wutbürger ohne öffentlich­es Spektakel den Glyphosat-Salat oder die industriel­le Teigling-Semmel auf dem Tisch ausgiebig beschimpft.

Thilo Sarrazin hat beobachtet, dass die landesweit­e Wut vor allem „gutgekleid­ete Grauköpfe“heimsucht. Damit ist sogar Goethe widerlegt. Irrtümlich behauptete der Dichter in der Ballade „Die Braut von Korinth“: „Das junge Volk erliegt der Wut.“

 ?? Foto: Heidi Källner ?? Die Störche fühlen sich im Ries und gerade rund um Oettingen so wohl, dass ihre Population in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen ist. Das liegt auch am Artenhilfs programm des Landesbund für Vogelschut­z, der dieses Projekt nun in Oettingen...
Foto: Heidi Källner Die Störche fühlen sich im Ries und gerade rund um Oettingen so wohl, dass ihre Population in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen ist. Das liegt auch am Artenhilfs programm des Landesbund für Vogelschut­z, der dieses Projekt nun in Oettingen...

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