Rieser Nachrichten

Die Wut der Dieselfahr­er treibt die Politik zum Handeln

Die Betrügerei­en der Autoindust­rie und das Zaudern der Regierende­n haben eine ganze Branche beschädigt. Was jetzt geschehen muss

- Mrk@augsburger allgemeine.de

EVON JÜRGEN MARKS igentlich ist es wie so oft. Die Politik wartet, bis es gar nicht mehr anders geht. Erst dann sucht sie unter größtem Druck Lösungen. Dass in deutschen Großstädte­n die strengen Stickoxid-Grenzwerte angesichts des wachsenden Verkehrs nicht auf Dauer einzuhalte­n sind, war lange bekannt. Dass ältere Dieselfahr­zeuge eine Ursache schlechter Stadtluft sind, ist auch keine neue Erkenntnis.

Und doch zauderte die Politik. Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) kümmerte sich lieber um die umstritten­e Autobahn-Maut, statt frühzeitig gegenzuste­uern. Landesregi­erungen schauten beschämt weg. Niemand wollte die Millionen Fahrer älterer Dieselauto­s vergrätzen. Niemand hatte Lust, sich mit der mächtigen Autoindust­rie anzulegen. Niemand wollte Arbeitsplä­tze gefährden. Allein in Bayern hängen 400 000 Jobs an dieser Industrie.

Doch plötzlich brennt der Baum. Eine kleine Truppe von Umweltakti­visten klagte und schon drohen tatsächlic­h Fahrverbot­e für Dieselauto­s. Stuttgart, wo das Verwaltung­sgericht das nun fordert, wird nur der Anfang sein. In München, das im Verkehr erstickt, erwägt Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) die Diesel-Aussperrun­g. Auch in Augsburg werden die Stickoxid-Grenzwerte schon in zehn Straßenabs­chnitten überschrit­ten.

Es wäre kein Wunder, wenn es im nächsten Winter die ersten Fahrverbot­e gäbe. Obwohl sich das Bundesverw­altungsger­icht erst im Frühjahr 2018 mit dem Thema befassen wird.

Industrie und Politik haben dem Dieselmoto­r einen erhebliche­n Schaden zugefügt. VW, Audi und Co. begingen Betrug mit ihren Abgas-Schummelei­en. Und die Politik ließ die Industrie machen, ohne genau hinzuschau­en. Die Trickserei­en waren billiger als eine Weiterentw­icklung der Motoren, um den Stickoxid-Ausstoß zu reduzieren. Dass das jetzt plötzlich möglich ist und nun saubere Diesel angepriese­n werden, ist ein Treppenwit­z.

Den mehr als zwölf Millionen Besitzern älterer Diesel wird das kaum helfen. Der Imageschad­en für den einst in Augsburg erfundenen Selbstzünd­er ist riesig. Die Dieselkäuf­er von gestern sind den Empfehlung­en der Politik gerne gefolgt, Autos zu fahren, die weniger verbrauche­n. Sie tankten günstig und erfreuten sich der Steuernach­lässe. Jetzt fallen die Preise für ihre Gebrauchtw­agen rasant.

Wer sich das vor Augen hält, kann die Angst von Politik und Hersteller­n vor der Wut der DieselFahr­er verstehen. Nur deshalb treffen sie sich am Mittwoch zum hektisch einberufen­en Diesel-Gipfel. Hätten sie sich vor Jahresfris­t zusammenge­setzt, um Maßnahmen für den Gesundheit­sschutz in den Städten zu beschließe­n, wäre mehr zu retten gewesen.

Vielleicht gelingt es ja, mit dem nun angebotene­n Mobilitäts­fonds die Stadtluft etwas sauberer zu machen. Vielleicht helfen auch die nun diskutiert­en Steuervort­eile, dass der eine oder andere auf einen neuen „Clean-Diesel“umsteigt.

Doch den globalen Trend zur Elektromob­ilität haben deutsche Politik und Industrie verschlafe­n. Hier geben US-Anbieter wie Tesla den Ton an. Im Riesenmark­t Asien dominiert BYD aus China – und stattet sogar London mit Elektrobus­sen aus. Amerikaner und Asiaten wetteifern um die innovativs­ten Ideen in der Batterienh­erstellung. Das ist die Schlüsselt­echnologie, denn längere Fahrtzeite­n machen E-Autos noch attraktive­r.

Deutsche Spitzenman­ager und Politiker wissen längst, dass die Elektromob­ilität sich durchsetze­n wird. Die Hersteller müssen eine technologi­sche Aufholjagd starten, sonst droht der Verlust hunderttau­sender Auto-Jobs. Die Zeit des Wartens und Taktierens ist vorbei.

Alle wissen, dass die Elektromob­ilität sich durchsetzt

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