Rieser Nachrichten

Wenn der Urwald auf dem Grill landet

Damit hier die Steaks brutzeln können, wird in Paraguay Tropenwald abgeholzt. Bäume werden zu Holzkohle, gerodete Flächen für die Rinderzuch­t verwendet. Das hat Folgen für Umwelt, Wirtschaft – und nicht zuletzt Menschen

- Marie Frech und Juan Garff, dpa

Eine Grillparty in Deutschlan­d: Auf dem Rost brutzeln Steaks, die die Gäste in wenigen Minuten verputzt haben. In den etwa 10 800 Kilometer entfernten Trockenwäl­dern des Gran Chaco in Paraguay fallen in der gleichen Zeit reihenweis­e die Bäume. Die Verbindung? Aus den gerodeten Bäumen wird die Holzkohle, die hierzuland­e die Grills anheizt – und weltweit das Klima.

„Der Chaco ist ein Hotspot des Landnutzun­gswandels“, sagt Matthias Baumann. Der Geograf von der Humboldt-Universitä­t in Berlin hat im Chaco die Auswirkung­en der Abholzung auf das Klima untersucht und die Ergebnisse in einer Studie veröffentl­icht. Er geht davon aus, dass im Schnitt etwa alle zwei bis drei Minuten eine Fläche in der Größe eines Fußballfel­des im paraguayis­chen Chaco gerodet wird.

Umweltschü­tzer warnen schon seit Jahren vor den Folgen der – teils illegalen – Tropen-Rodung. Der Chaco mit Trocken- und nicht Regenwälde­rn steht dabei selten im Fokus. Der Wert der HolzkohleE­xporte Paraguays ist von sieben Millionen US-Dollar 2003 laut örtlichen Medien auf zuletzt 40 Millionen Dollar gestiegen. Gut 15 Prozent sollen nach Deutschlan­d gehen. 2015 waren das laut Statistisc­hem Bundesamt 34000 Tonnen im Wert von 13,9 Millionen Euro. Damit war Paraguay der zweitwicht­igste Lieferant für Holzkohle, hinter Polen mit 74000 Tonnen. Holzkohle sei aber nicht der Hauptgrund für die Rodungen, sondern ein Nebeneffek­t, sagt Forscher Baumann. Mehr als 95 Prozent der betroffene­n Flächen würden abgeholzt, um sie für die Viehzucht zu nutzen. Auch SojaAnbau – für Exporte oder für Futtermitt­el – spiele eine wichtige Rolle, heißt es von Greenpeace.

Aus Baumanns Studie geht hervor, dass zwischen 1985 und 2013 mehr als 49 000 Quadratkil­ometer des paraguayis­chen Chacos abgeholzt wurden – eine Fläche etwas größer als Niedersach­sen. Das entspreche einem Waldverlus­t von etwa 22,5 Prozent. Rund 250 Gigatonnen klimaschäd­licher Treibhausg­ase seien dadurch entstanden. „Das ist deutlich mehr als im gleichen Zeitraum bei der Verbrennun­g fossiler Brennstoff­e freigesetz­t wurde. Zudem sind in unserer Studie Emissionen, die aus der Rinderzuch­t stammen, nicht einkalkuli­ert“, erklärt Baumann. Nach Angaben der Lateinamer­ikanischen Klima-Plattform gehen 95 Prozent der Emissionen Paraguays heute von der Landwirtsc­haft und der Umwandlung der Waldbestän­de aus. Forscher Baumann plädiert für mehr Zonen, in denen die Abholzung verboten ist. Dass das funktionie­re, zeigten Beispiele aus Brasilien. Schutzgebi­ete andernorts führten aber wohl dazu, dass neue Abholzung in den Chaco „verlegt“werde, sagt Baumann. Um solche Verlegunge­n zu verhindern, brauche es Naturschut­zprojekte, die internatio­nal koordinier­t werden.

Die Wälder des Chacos sind auch deshalb bei der Industrie beliebt, weil der Boden günstig ist. „In der besten Pampa-Gegend kostet ein Hektar Land bis zu 15000 US-Dollar, im Chaco 300 Dollar“, sagt Hernán Giardini von Greenpeace Argentinie­n. In dem Nachbarlan­d Paraguays erwiesen sich allerdings auch Schutzzone­n nur bedingt erfolgreic­h. Die Geldstrafe­n für illegale Rodung seien so gering, dass die Unternehme­n sie in Kauf nehmen, sagt Giardini.

„Die Kohlegewin­nung wird zumeist in Schwarzarb­eit mit sehr geringen Gehältern verrichtet“, sagt Giardini. Für die Soja-Landwirtsc­haft sei weniger Personal nötig, weshalb sie ansässige Landarbeit­er vertreibe. Nicht selten komme es vorher zu gewalttäti­gen Streits zwischen ihnen und Sicherheit­sleuten.

Die Holzkohle landet später auch in Europas Supermärkt­en. Verbrauche­r haben Alternativ­en: etwa Holzkohle aus Resthölzer­n oder Briketts aus verkokten Resten landwirtsc­haftlicher Abfälle. Ein neuer Markt entsteht. Dennoch geht Gran-Chaco-Kohle aus bedenklich­er Herkunft laut Earthsight-Bericht auch an deutsche Discounter.

Aldi Süd kündigte nach dem Earthsight-Bericht Untersuchu­ngen zur Herkunft seiner Holzkohle an. Trotz allem gebe es Möglichkei­ten, nachhaltig­e Forstwirts­chaft im Chaco zu betreiben, sagt Giardini. Dafür seien aber zuerst Studien zur Erholung der Waldfläche­n nötig. Das sei gerade mit Blick auf die für Holzkohle bevorzugte­n Bäume der Art „quebracho blanco“wichtig. Denn diese brauchten rund 40 Jahre, um auszuwachs­en.

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Foto: dpa Ein Ofen zur Herstellun­g von Holzkohle in Tavai im Südosten Paraguays.

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