Rieser Nachrichten

Wann sich eine Zahnspange lohnt

Ärzte verschreib­en etwa jedem zweiten Kind eine Klammer. Dabei empfehlen sie häufig Zusatzleis­tungen, die nicht von der Krankenkas­se übernommen werden. Wer nicht zu viel zahlen möchte, sollte sich genau informiere­n

- Caroline Mayer, dpa

Ein ideales Gebiss haben von Natur aus die wenigsten. Wenn die Milchzähne ausfallen, wachsen die bleibenden Zähne häufig ein bisschen schief nach. Die Krankenkas­sen bezahlen bis zum 18. Lebensjahr eine medizinisc­h notwendige Korrektur. Laut der Krankenkas­se Barmer GEK trägt heute mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlich­en eines Jahrgangs eine Zahnspange. Aber ab wann ist eine Behandlung wirklich sinnvoll?

„Natürlich kann man auch mit schiefen Zähnen gesund und glücklich sein“, sagt Dirk Kropp, Geschäftsf­ührer von proDente, einer Initiative der Zahnarzt- und Dentaltech­niker-Verbände. Nicht immer sind Fehlstellu­ngen allerdings nur ein ästhetisch­es Problem. Kropp zufolge kann ein Fehlbiss auch ein medizinisc­hes Risiko darstellen: Manche Kinder können nicht richtig beißen, kauen oder sprechen. Dass eine Zahnspange die Mundgesund­heit verbessert, ist laut Verbrauche­rzentrale allerdings bisher nicht ausreichen­d belegt. Darauf weist auch der Gesundheit­smonitor 2016 von Barmer GEK und Bertelsman­n Stiftung hin. Demnach argumentie­ren Kieferorth­opäden Eltern gegenüber dennoch häufig mit möglichen Spätfolgen, wenn eine Fehlstellu­ng nicht behandelt wird.

Um zu beurteilen, ob ein Kind eine Zahnspange braucht, orientie- ren sich die Ärzte an kieferorth­opädischen Indikation­sgruppen (KIG). Fehlstellu­ngen des Schweregra­ds 1 und 2 gelten als so geringfügi­g, dass die gesetzlich­en Kassen die Kosten für eine Zahnspange nicht übernehmen. Ab Grad 3 bezahlen sie die Korrektur, auch wenn das Kind momentan keine Probleme hat.

Entscheide­n sich die Eltern für eine Behandlung ihres Kindes, sollte sie beginnen, bevor das Kieferwach­stum abgeschlos­sen ist. „Das ideale Alter liegt bei etwa zehn bis 13 Jahren“, sagt Dirk Kropp. Die Milchzähne müssen nur in seltenen Fällen behandelt werden, beispielsw­eise wenn der Kiefer besonders schmal ist und das Gebiss auf die eigentlich­e Spange vorbereite­t werden soll. Die Behandlung dauert in der Regel vier Jahre.

Ob ein Patient eine herausnehm­bare oder feste Zahnspange benötigt, hängt vom Befund ab. „Meistens macht man eine Kombinatio­n aus beidem“, sagt Hub van Rijt, Zahnarzt mit Tätigkeits­schwerpunk­t Kieferorth­opädie aus Bielefeld. Lose Spangen werden bei leichteren Fehlstellu­ngen oder als Vorbereitu­ng für eine feste Spange eingesetzt. Bei festen Zahnspange­n klebt der Kieferorth­opäde „Brackets“– kleine Plättchen aus Metall, Keramik oder Kunststoff – auf die Zähne. Ein Drahtbogen, der die Brackets verbindet, bringt die Zähne in die richtige Position. Ist das Behandlung­sziel irgendwann erreicht, kann die Spange entfernt werden. Um das Ergebnis zu stabilisie­ren, schließt sich dann die so genannte „Retentions­phase“an. Hinter den Frontzähne­n wird ein Draht befestigt – ein „Retainer“–, der ein bis zwei Jahre dort bleiben sollte.

Auch wenn ein entspreche­nder Schweregra­d vorliegt, übernehmen die Krankenkas­sen häufig nicht die kompletten Kosten für die Behandlung. In den meisten Fällen zahlen die Eltern kräftig dazu – Beträge von 1000 Euro und mehr sind keine Seltenheit, zeigt der Gesundheit­smonitor. Zusatzleis­tungen werden vor allem bei festen Spangen angeboten. Teurere Materialen für Brackets und Drähte sind optisch unauffälli­ger oder verspreche­n einen besseren Tragekomfo­rt.

Wenn Eltern unsicher sind, ob die angebotene­n Leistungen sinnvoll sind, rät van Rijt, eine Zweitmeinu­ng einzuholen. Patienten können sich dazu bei Krankenkas­sen, Zahnärztek­ammern oder Verbrauche­rzentralen beraten lassen. Skeptisch sollte man werden, wenn ein Kieferorth­opäde die Kassenleis­tung gar nicht erst anbietet: „Der Kieferorth­opäde ist verpflicht­et, die Kassenleis­tung zu zeigen und zu begründen, warum er etwas anderes vorschlägt“, sagt Zahnarzt Driss Wartini von der Unabhängig­en Patientenb­eratung Deutschlan­d (UPD). Dass sich Eltern von Kieferorth­opäden unter Druck gesetzt fühlen, hört Wartini allerdings selten. „Die Leute informiere­n sich heute viel und wissen, dass sie eine freie Arztwahl haben.“

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Foto: Cornelis Gollhardt/proDente e.V./dpa Eine lose Zahnspange wird an das Gebiss angepasst. Das Kind trägt sie vor allem nachts. Tagsüber wird sie zum Essen und beim Sport herausgeno­mmen.
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Foto: Rene Ruprecht, dpa Nach einem Gewitter können sich Dach ziegel lösen.

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