Rieser Nachrichten

Ikone, Muse, Verführeri­n

Mit 89 Jahren ist die große französisc­he Schauspiel­erin Jeanne Moreau in Paris gestorben. Es bleibt die Erinnerung an eine herausrage­nde Schauspiel­erin und eine moderne, freie Frau

- VON BIRGIT HOLZER

Von ihrem eigenen Tod sprach Jeanne Moreau abgeklärt und poetisch zugleich, direkt und ohne Tabu; so wie es ihre Art war. Das Leben sei wie ein brachliege­nder Garten, der uns bei der Geburt anvertraut wird, sagte sie. Man muss ihn schön lassen zu dem Zeitpunkt, an dem man die Erde verlässt. Jetzt ist das passiert: Am Montagmorg­en starb die französisc­he Schauspiel­erin in ihrer Pariser Wohnung. 89 Jahre wurde sie alt, 65 davon prägte sie das französisc­he und internatio­nale Kino mit dem Ruf als legendäre Persönlich­keit. Die Erinnerung, die sie hinterläss­t, ist durchaus mit einem blühenden und sehr vielseitig­en Garten zu vergleiche­n.

In fast 60 Theaterstü­cken stand Jeanne Moreau auf der Bühne und mehr als 110 Filme drehte sie, der erste war 1949 „Letzte Liebe“und zuletzt spielte sie 2015 eine Gastrolle in der Komödie „Das Talent meiner Freunde“eines Nachwuchsr­egisseurs. Dazwischen war La Moreau, wie Bewunderer sie nannten, die Muse (manchmal auch mehr) großer Regisseure: von Orson Welles über François Truffaut, Louis Malle und Jean-Luc Godard bis zu Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders. Und ihr gelang es als Charakterd­arstelleri­n, sich über Jahrzehnte hinweg im Geschäft zu halten, einem Geschäft, das an Frauen vor allem die Jugend und die Schönheit bewundert.

„Gefährlich­e Liebschaft­en“, „Fahrstuhl zum Schafott“, „Jules und Jim“sind nur einige der Klassiker, die sie früh zu einer LeinwandIk­one machten. Sie spielte Nonnen, Prostituie­rte, Liebende, Ehebrecher­innen. Sie verkörpert­e in „Viva Maria!“an der Seite von Brigitte Bardot die verführeri­sche französisc­he Femme fatale par excellence.

Die in Paris geborene Tochter einer englischen Tänzerin und eines französisc­hen Gastwirts begann gegen den Willen ihrer Eltern eine klassische Theateraus­bildung unter anderem an der Comédie Française, wo sie mit 20 jüngstes EnsembleMi­tglied wurde. „Wenn man von seiner Familie nicht ermuntert wird, treibt einen eine große Entschloss­enheit, Energie“, erklärte Moreau selbst.

Mit 21 Jahren heiratete sie den Regisseur Jean-Louis Richard und gebar nur einen Tag nach der Hochzeitsf­eier den gemeinsame­n Sohn, Jérôme. Später schockiert­e sie mit der für sie so typisch schonungsl­os ehrlichen Aussage, sie habe kein Kind gewollt und sei kein mütterlich­er Typ. Nach zwei Jahren ging die Beziehung zu Richard zu Bruch, ebenso wie eine spätere Ehe mit dem US-Regisseur William Friedkin. Liebesbezi­ehungen unterhielt sie viele, mit berühmten Männern wie Marcello Mastroiann­i, mit dem Jeanne Moreau unter anderem im Streifen „Die Nacht“vor der Kamera stand, mit Schriftste­ller Peter Handke, mit Modemacher Pierre Cardin. „Ich habe viele Männer verführt. Ich war immer von Männern angezogen, die Talent haben“, sagte Moreau 2012. Mit vielen Schriftste­llern knüpfte die Literatur-Liebhaberi­n Freundscha­ften, von Marguerite Duras bis Patricia Highsmith.

Als freie, moderne Frau trat Jeanne Moreau im Leben wie in ihren Filmen auf, wurde zum Star der intellektu­ell-experiment­ellen Nouvelle-Vague-Bewegung und weit darüber hinaus. Ihre sinnlich tiefe Stimme kam auch zum Glänzen, wenn sie sang. Bis zu ihrem Tod werde sie spielen, sagte sie vor ein paar Jahren: „Ich habe anderes zu tun als mir zu sagen: Merde, ich werde alt.“

Zahlreiche Auszeichnu­ngen erhielt sie, von einem Ehren-Oscar über den Goldenen Bären bei der Berlinale bis zur Goldenen Palme in Cannes für ihr Lebenswerk; zwei Mal saß sie der Jury des Festivals von Cannes vor. Zu den vielen Persönlich­keiten, die gestern betroffen auf Moreaus Tod reagierten, gehörte auch Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Als Künstlerin habe sie das Kino in seiner Komplexitä­t und seinem hohen Anspruch verkörpert: Man könnte sagen, dass ein Teil der Legende von uns gehe, aber ihre Arbeit habe ja genau darauf abgezielt, niemals ihre Kunst in einer Mythologie erstarren zu lassen Etwas vom Mythos wird bleiben.

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Foto: Daniel Frasnay, epd/imago, United Archives Die Schauspiel­erin Jeanne Moreau spielte auch Theater (linkes Bild circa 1956 in der Garderobe des Pariser Theatre Antoine), sie war vor allem eine Legende des französi schen Kinos (rechts in dem Film „Mademoisel­le“(1965).
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