Theater Dämmerung
Nico Jilka läutete diese Woche mit der Biergarten-Party nach fünf Jahren seinen Abschied von der Marienhöhe ein. In fünf Wochen schließt auch die Schauspielmanufaktur
Nico Jilka ist Schauspieler mit Leib und Seele. Man darf also voraussetzen, dass er Wagners „Ring des Nibelungen“und dessen vierten Teil, die Götterdämmerung, sehr wohl vor Augen hatte, als er gestern Abend zur „BiergartenDämmerung“auf den Rotochsenkeller einlud. Es ist ein düsteres Stück mit tragischem Ende.
Ganz so dramatisch ist der finale Akt um den Nördlinger Traditionskeller zwar nicht, aber nicht nur der Biergarten erlebte gestern seine vorerst letzte Veranstaltung, Anfang September ist auch Schluss mit der Schauspielmanufaktur, wo Nico Jilka seit dem August 2012 Theater zum Anfassen inszeniert hatte. 2010 hatte der gelernte Hotelkaufmann und Schauspieler das ambitionierte Projekt in der Nürnberger Straße ins Leben gerufen und war zwei Jahre später an die Marienhöhe umgezogen. Begleitet war diese Zeit immer wieder von Auseinandersetzungen mit der Stadt Nördlingen wegen der Bezuschussung des Theaterbetriebs. Ab Mitte 2016 verzichtete Jilka ganz auf eine städtische Finanzspritze und führte die Schauspielmanufaktur als eine Art Tournee-Unternehmen fort. Das Theater inszenierte von da an deutlich weniger Stücke selbst als bis dahin, führte diese aber dafür öfter auf, auch auf anderen Bühnen. Außerdem waren vermehrt Gastspiele auswärtiger Ensembles zu sehen.
Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen Jilka und dem Rotochsenkeller-Inhaber Markus Landenberger-Schneider über eine Fortsetzung des vor fünf Jahren geschlossenen Pachtvertrags war zuletzt offenbar die große Wohnung im ersten Stock, die bislang ebenfalls von Familie Jilka gemietet war. Jilka („Wohnung und Theater haben nichts miteinander zu tun“) zieht demnächst aus und es gibt auch bereits einen Nachmieter. Dem will Landenberger-Schneider den dauerhaften Lärmpegel von Theater und Eventgastronomie (Hochzeiten, Geburtstage, Firmenfeiern etc.) nicht zumuten, sodass sich Jilka seiner wirtschaftlichen Grundlage be- raubt sieht: „Mit den Eventveranstaltungen habe ich Geld verdient und damit den Schauspielbetrieb mitfinanziert. Vom Theater allein kann ich nicht leben.“Man habe sich daraufhin verständigt, so Jilka und Landenberger-Schneider übereinstimmend, den Pachtvertrag zum 8. September zu beenden. Jilka darf noch zwei Hochzeiten Ende August und Anfang September über die Bühne bringen, dann wird er ausräumen. Dass der Schauspieler bis zuletzt an einen Kompromiss geglaubt hatte, wird auch daraus ersichtlich, dass er für den Herbst noch eine eigene Theaterproduktion geplant hatte, eine französische Gesellschaftskomödie unter dem in diesem Fall besonders sinnschwangeren Titel „Das Abschiedsdinner“.
Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Landenberger-Schneider hat die Wohnung im ersten Stock neu vermietet und will auch die ehemalige Pächterwohnung im Erdgeschoss (neben der Küche) sanieren. Was er mit dem großen Saal vorhat? „Ganz ehrlich, ich weiß es noch nicht“, erklärt er gegenüber unserer Zeitung, lässt aber zumindest durchblicken, dass er zu einer weiteren gastronomischen Nutzung keine große Lust mehr hat. Das habe nichts mit Nico Jilka zu tun: „Er hat das toll gemacht und war mit seiner Schauspielmanufaktur eine Bereicherung für Nördlingen.“
Das sieht auch Nico Jilka selbstbewusst so, bedauert aber im gleichen Atemzug, dass es nicht gelungen sei, den Rotochsenkeller zu erhalten und die Schauspielmanufaktur dauerhaft zu etablieren. Insgesamt sei das Projekt ein Riesenerfolg gewesen, was ihm vor allem auch auswärtige Besucher immer wieder bestätigt hätten. Er selber werde künftig wieder als Regisseur und Schauspieler vor allem außerhalb der Region tätig sein, aber weiter in Nördlingen wohnen. „Ich bekenne mich zu dieser Stadt, die sehr viel Potenzial hat, das aber nicht ausgeschöpft wird.“
Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass er den Nachholbedarf vor allem auf kultureller Ebene sieht.
Jilka scheint im Unterschied zum Finale der Götterdämmerung trotzdem versöhnlich mit dem Kapitel Rotochsenkeller abschließen zu wollen. In seinem wohl letzten Newsletter, der Einladung zum Biergarten-Abschied, zitierte er diese Woche den bayerischen Kabarettisten Gerhard Polt: „Ehe sich ein Erkenntnisprozess anbahnt, greifen wir langsam zum Krug, wir halten kurz inne, es könnte vielleicht noch ein Gedanke daherkommen … nein, alles ist gut.“