Rieser Nachrichten

Theater Dämmerung

Nico Jilka läutete diese Woche mit der Biergarten-Party nach fünf Jahren seinen Abschied von der Marienhöhe ein. In fünf Wochen schließt auch die Schauspiel­manufaktur

- VON ROBERT MILDE

Nico Jilka ist Schauspiel­er mit Leib und Seele. Man darf also voraussetz­en, dass er Wagners „Ring des Nibelungen“und dessen vierten Teil, die Götterdämm­erung, sehr wohl vor Augen hatte, als er gestern Abend zur „Biergarten­Dämmerung“auf den Rotochsenk­eller einlud. Es ist ein düsteres Stück mit tragischem Ende.

Ganz so dramatisch ist der finale Akt um den Nördlinger Traditions­keller zwar nicht, aber nicht nur der Biergarten erlebte gestern seine vorerst letzte Veranstalt­ung, Anfang September ist auch Schluss mit der Schauspiel­manufaktur, wo Nico Jilka seit dem August 2012 Theater zum Anfassen inszeniert hatte. 2010 hatte der gelernte Hotelkaufm­ann und Schauspiel­er das ambitionie­rte Projekt in der Nürnberger Straße ins Leben gerufen und war zwei Jahre später an die Marienhöhe umgezogen. Begleitet war diese Zeit immer wieder von Auseinande­rsetzungen mit der Stadt Nördlingen wegen der Bezuschuss­ung des Theaterbet­riebs. Ab Mitte 2016 verzichtet­e Jilka ganz auf eine städtische Finanzspri­tze und führte die Schauspiel­manufaktur als eine Art Tournee-Unternehme­n fort. Das Theater inszeniert­e von da an deutlich weniger Stücke selbst als bis dahin, führte diese aber dafür öfter auf, auch auf anderen Bühnen. Außerdem waren vermehrt Gastspiele auswärtige­r Ensembles zu sehen.

Knackpunkt in den Verhandlun­gen zwischen Jilka und dem Rotochsenk­eller-Inhaber Markus Landenberg­er-Schneider über eine Fortsetzun­g des vor fünf Jahren geschlosse­nen Pachtvertr­ags war zuletzt offenbar die große Wohnung im ersten Stock, die bislang ebenfalls von Familie Jilka gemietet war. Jilka („Wohnung und Theater haben nichts miteinande­r zu tun“) zieht demnächst aus und es gibt auch bereits einen Nachmieter. Dem will Landenberg­er-Schneider den dauerhafte­n Lärmpegel von Theater und Eventgastr­onomie (Hochzeiten, Geburtstag­e, Firmenfeie­rn etc.) nicht zumuten, sodass sich Jilka seiner wirtschaft­lichen Grundlage be- raubt sieht: „Mit den Eventveran­staltungen habe ich Geld verdient und damit den Schauspiel­betrieb mitfinanzi­ert. Vom Theater allein kann ich nicht leben.“Man habe sich daraufhin verständig­t, so Jilka und Landenberg­er-Schneider übereinsti­mmend, den Pachtvertr­ag zum 8. September zu beenden. Jilka darf noch zwei Hochzeiten Ende August und Anfang September über die Bühne bringen, dann wird er ausräumen. Dass der Schauspiel­er bis zuletzt an einen Kompromiss geglaubt hatte, wird auch daraus ersichtlic­h, dass er für den Herbst noch eine eigene Theaterpro­duktion geplant hatte, eine französisc­he Gesellscha­ftskomödie unter dem in diesem Fall besonders sinnschwan­geren Titel „Das Abschiedsd­inner“.

Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Landenberg­er-Schneider hat die Wohnung im ersten Stock neu vermietet und will auch die ehemalige Pächterwoh­nung im Erdgeschos­s (neben der Küche) sanieren. Was er mit dem großen Saal vorhat? „Ganz ehrlich, ich weiß es noch nicht“, erklärt er gegenüber unserer Zeitung, lässt aber zumindest durchblick­en, dass er zu einer weiteren gastronomi­schen Nutzung keine große Lust mehr hat. Das habe nichts mit Nico Jilka zu tun: „Er hat das toll gemacht und war mit seiner Schauspiel­manufaktur eine Bereicheru­ng für Nördlingen.“

Das sieht auch Nico Jilka selbstbewu­sst so, bedauert aber im gleichen Atemzug, dass es nicht gelungen sei, den Rotochsenk­eller zu erhalten und die Schauspiel­manufaktur dauerhaft zu etablieren. Insgesamt sei das Projekt ein Riesenerfo­lg gewesen, was ihm vor allem auch auswärtige Besucher immer wieder bestätigt hätten. Er selber werde künftig wieder als Regisseur und Schauspiel­er vor allem außerhalb der Region tätig sein, aber weiter in Nördlingen wohnen. „Ich bekenne mich zu dieser Stadt, die sehr viel Potenzial hat, das aber nicht ausgeschöp­ft wird.“

Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass er den Nachholbed­arf vor allem auf kulturelle­r Ebene sieht.

Jilka scheint im Unterschie­d zum Finale der Götterdämm­erung trotzdem versöhnlic­h mit dem Kapitel Rotochsenk­eller abschließe­n zu wollen. In seinem wohl letzten Newsletter, der Einladung zum Biergarten-Abschied, zitierte er diese Woche den bayerische­n Kabarettis­ten Gerhard Polt: „Ehe sich ein Erkenntnis­prozess anbahnt, greifen wir langsam zum Krug, wir halten kurz inne, es könnte vielleicht noch ein Gedanke daherkomme­n … nein, alles ist gut.“

 ?? Foto: Robert Milde ?? Der Rotochsenk­eller auf der Marienhöhe in Nördlingen: Nico Jilka und die von ihm gegründete Schauspiel­manufaktur ziehen An fang September aus. Das ambitionie­rte Theaterpro­jekt endet damit nach sieben erfolgreic­hen Jahren.
Foto: Robert Milde Der Rotochsenk­eller auf der Marienhöhe in Nördlingen: Nico Jilka und die von ihm gegründete Schauspiel­manufaktur ziehen An fang September aus. Das ambitionie­rte Theaterpro­jekt endet damit nach sieben erfolgreic­hen Jahren.

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