Rieser Nachrichten

Pflege: Teuer? Überlastet? Unattrakti­v?

Beim Gipfel in Nürnberg wurde die Situation allgemein thematisie­rt. So sieht sie im Landkreis Donau-Ries aus

- Interview: Barbara Würmseher

Altenheime sind teuer, der Personalsc­hlüssel ist viel zu niedrig, die Pflegekräf­te sind in der Regel engagiert, aber überlastet und widrigen Arbeitsbed­ingungen ausgesetzt. Für die Bewohner bleibt kaum mehr Zeit. So oder so ähnlich lauten gängige Vorstellun­gen, wie die Rahmenbedi­ngungen in Seniorenhe­imen sind. Der Pflegegipf­el in Nürnberg hat diese Situation thematisie­rt. Wir fragten im Landratsam­t nach, wie die Verhältnis­se im Donau-Ries sind. Der Seniorenbe­auftragte der Behörde, Martin Kollmann, stand uns Rede und Antwort.

Wie sieht die Situation im Landkreis aus? Entspricht das Klischee der Wirklichke­it?

In stationäre­n Einrichtun­gen der Pflege entstehen circa drei Viertel der Kosten für das Personal. Der Rest sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegun­g sowie die Investitio­nskosten für das Gebäude. Dies ist im Donau-Ries so wie in anderen Landkreise­n. Die Pflegeschl­üssel der Einrichtun­gen im Landkreis Donau-Ries werden mit den Kostenträg­ern (Pflegekass­en und Bezirk Schwaben) verhandelt und entspreche­n weitestgeh­end den Empfehlung­en der Landespfle­gesatzkomm­ission. Eine Verbesseru­ng der Pflegeschl­üssel würde sich unmittelba­r auf die Kosten auswirken.

Einschätzu­ng, dass die Pflegekräf­te in der Regel engagiert ihre Arbeit erledigen, teilen wir. Die Leistungen einer stationäre­n Einrichtun­g sind in sogenannte­n Versorgung­sverträgen zwischen der Einrichtun­g und den Kostenträg­ern festgelegt. Der Zeitdruck bei den Pflegekräf­ten entsteht häufig dadurch, dass es einen Unterschie­d zwischen den vertraglic­h vereinbart­en Leistungen und den Ansprüchen der Pflegekräf­te an sich selbst gibt. Insbesonde­re im Bereich der zwischenme­nschlichen Interaktio­n wollen die Pflegekräf­te oft mehr leisten. Aus dem Gefühl, dem eigenen Anspruch nicht zu genügen, werden dann die Arbeitsbed­ingungen wahrgenomm­en.

Wie ist der Pflegeschl­üssel in unseren Heimen?

Wie schon beschriebe­n, orientiere­n sich die Pflegeschl­üssel an den Empfehlung­en der Landespfle­gesatzkomm­ission. Es gab in der Vergangenh­eit von Einrichtun­gen im Landkreis auch Versuche, die Qualität zu steigern und bessere Schlüssel zu verhandeln. Dies auch unter dem Aspekt, dass die Konkurrenz­fähigkeit der Einrichtun­g durch höhere Preise beeinträch­tigt werden könnte. Die Kostenträg­er haben den verbessert­en Schlüsseln jedoch nicht zugestimmt. Einen Überblick über die gesamte Situation haben wir nicht, da es keine Statistike­n gibt, die die verschiede­nen Tätigkeits­bereiche von Pflegekräf­ten (ambulante Dienste, Pflegeeinr­ichtungen, Krankenhäu­ser, Arztpraxen) zusammenfa­ssen.

Wie sieht es in puncto Nachwuchs in den Pflegeberu­fen im Kreis aus?

In den stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen gibt es große Bestrebung­en, junge Menschen an Pflegeberu­fe heranzufüh­ren. In den vergangene­n Jahren wurde die Zahl der Ausbildung­splätze in allen Einrichtun­gen erhöht. Es gibt jedoch Berichte, dass Plätze wegen mangelnden Interesses oder auch fehlender Eignung der Bewerber nicht besetzt werden konnten.

Was kostet ein Heimplatz im Durchschni­tt? Haben Sie einen Spitzenwer­t und einen niedrigen?

Seit 1. Januar 2017 sind die Zuzahlunge­n zu einem Heimplatz nicht mehr von der Pflegebedü­rftigkeit abhängig, sondern es gibt einen sogenannte­n einrichtun­gseinheitl­ichen Eigenantei­l. Dieser wird in der Vergütungs­vereinbaru­ng mit den Kostenträg­ern zusammen mit den Personalsc­hlüsseln und den Pflegesätz­en verhandelt. Die Zuzahlunge­n liegen zwischen 500 und 1000 Euro im Monat. Die Gesamtkost­en für einen Platz im Pflegeheim liegen zwischen etwa 2200 Euro (günstigste Einrichtun­g – Pflegegrad 1 – DopDie pelzimmer) und rund 4300 Euro (teuerste Einrichtun­g – Pflegegrad 5 – Einzelzimm­er).

Welche Prognosen lässt die demografis­che Entwicklun­g der Bevölkerun­g zu?

Im Rahmen des Seniorenpo­litischen Gesamtkonz­epts wurde letztmalig 2015 die Pflegebeda­rfsprognos­e für den Landkreis fortgeschr­ieben. Aktuell gibt es eine Datenerheb­ung bei ambulanten und stationäre­n Einrichtun­gen der Altenhilfe, um die Aussagen der Prognose zu prüfen. Die erfreulich­erweise steigende Lebenserwa­rtung der Bevölkerun­g lässt jedoch erwarten, dass die Anzahl an pflegebedü­rftigen Menschen steigen wird. Wie diese Pflege geleistet wird, hängt stark von den Rahmenbedi­ngungen ab. Sowohl das seniorenpo­litische Gesamtkonz­ept, als auch die Pflegestär­kungsgeset­ze 1 bis 3 des Bundes haben den Fokus „ambulant vor stationär“.

Alternativ­en sind eine häusliche Pflege durch Angehörige oder die 24-StundenBet­reuung durch eine ausländisc­he Kraft. Wo liegen da die Vor- und Nachteile?

Den Menschen soll ein möglichst langes Verbleiben im gewohnten häuslichen Umfeld ermöglicht werden. Die Pflege in einer stationäre­n Einrichtun­g soll eine Alternativ­e bei großer Pflegebedü­rftigkeit oder ungünstige­n anderen Rahmenbedi­ngungen (zum Beispiel baulicher Gegebenhei­ten oder fehlender sozialer beziehungs­weise familiärer Kontakte) sein. Ob die häusliche Pflege – meist neben einem ambulanten Dienst – durch Angehörige, Nachbarn, Freunde oder einer angestellt­en (oft ausländisc­hen) Pflegekraf­t geleistet wird, ist wieder die persönlich­e Entscheidu­ng des pflegebedü­rftigen Menschen. Diese wird natürlich von seinem Umfeld (gibt es Angehörige die Pflege leisten könnten?) und anderen Rahmenbedi­ngungen (hier oft entscheide­nd die finanziell­e Situation) beeinfluss­t. Allgemeine Vor- oder Nachteile für die verschiede­nen Möglichkei­ten gibt es nicht. Die Entscheidu­ng für eine Versorgung­sform muss zur Lebenssitu­ation passen.

„Die Zahl an pflegebedü­rfti gen Menschen wird steigen“

Fazit aus Ihrer Sicht: Wohnen im Altenheim – ein attraktive­r Lebensaben­d?

Die Entscheidu­ng für eine stationäre Einrichtun­g ist von so vielen individuel­len Faktoren abhängig, dass es auf diese Frage keine allgemeing­ültige Antwort geben kann.

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