Rieser Nachrichten

Tillerson erntet wenig Applaus

Unbesetzte Botschafte­rposten, ein massiver Aderlass beim Personal und ein isolierter Minister haben die Rolle des Außenminis­teriums im Trump’schen System geschwächt. Kritiker ätzen

- VON THOMAS SPANG Policy Times, Foreign New York

Eigentlich bräuchte der US-Präsident die Expertise seiner im Washington­er Stadtteil Foggy Bottom untergebra­chten Diplomaten dringender denn je. Die Entschärfu­ng der brandgefäh­rlichen Situation in Nordkorea, die Spannungen mit Russland oder das Pulverfass im Mittleren Osten verlangen eine Menge Fingerspit­zengefühl. Und institutio­nelles Wissen, das in den Fachabteil­ungen des „Department of State“einmal sein Zuhause hatte. Stattdesse­n ignoriert das Weiße Haus seine 8000 Berufs-Diplomaten und deren Minister an der Spitze.

Dabei ist Rex Tillerson ein Außenminis­ter ganz nach Trumps Geschmack. Der mit dem „russischen Freundscha­ftsorden“dekorierte ehemalige Chef des Ölkonzerns Exxon Mobil teilt die Weltsicht des Präsidente­n. Gerade erst ließ Tillerson eine neue Richtlinie zirkuliere­n, in der die Ziele des Ministeriu­ms skizziert sind. Die USA, so heißt es dort, sollten ihren Anspruch aufgeben, in ihrer Diplomatie für Demokratie und Gerechtigk­eit einzutrete­n.

„Das wird Diktatoren rund um die Welt gefallen“, ätzt Elliott Abrams, der unter George W. Bush als stellvertr­etender Nationaler Sicherheit­sberater zuständig war. „Diese Weltsicht entspricht der Putins, der auch denkt, dass Großmächte sich exklusiv um die eigene Sicherheit und Wohlstands­mehrung statt um Demokratie kümmern sollten“, kritisiert Tom Malinowski, der als Ministeria­ldirektor für Demokratie, Menschenre­chte und Arbeit im USAußenmin­isterium zuständig war.

Der Verdacht steht im Raum, Tillerson sei mit dem Auftrag gekommen, das Ministeriu­m zu amputieren. Dafür sprechen die vorgesehen­en Kürzungen um ein Drittel des Budgets im Haushaltse­ntwurf des Weißen Hauses. Die wichtigen Hauptabtei­lungsleite­r-Stellen für die Ländergrup­pen und Spezialauf­gaben bleiben weitgehend unbesetzt. Für 20 der 22 Vakanzen, die der Zustimmung des Senats bedürfen, gibt es nicht einmal Nominierun­gen.

Davon betroffen sind auch die für die Krise in Nordkorea so wichtigen Positionen der drei Ministeria­l-Di- rektoren für Ostasien und den Pazifik, für Rüstungsko­ntrolle sowie für Nichtweite­rverbreitu­ng von Massenvern­ichtungswa­ffen.

Nicht anders sieht es bei der Besetzung wichtiger Botschafte­rplätze aus. Von Berlin über Paris bis NeuDelhi bleibt jede dritte US-Vertretung unter Trump bisher ohne Botschafte­r. Für Deutschlan­d ist der offen homosexuel­le Ex-Diplomat und Berater Mitt Romneys, Richard Grenell, im Gespräch, aber noch nicht nominiert.

Während Tillerson den Fachabteil­ungen einen strikten Sparkurs verordnet, bläht er seinen eigenen Mitarbeite­rstab auf. Die Rede ist von einer Verdreifac­hung seines Personals, das bisher aus etwa 25 Mitarbeite­rn besteht. Diese werden von seiner mysteriöse­n Stabschefi­n Margaret Peterlin und dem politische­n Direktor Brian Hook gemanagt.

Insider sprechen von einer Parallel-Struktur, mit der Tillerson eine Art Ministeriu­m im Ministeriu­m schafft. Dazu gehöre, dass respektier­te Experten aus den Fachabteil­ungen nicht mehr bis zum Büro des Ministers durchdring­en, Anfragen aus den Botschafte­n unbeantwor­tet und Entscheidu­ngen liegen bleiben. „Diese Garde an Prätoriane­rn hat keinerlei Erfahrung“, klagt einer von dutzenden Diplomaten, die im außenpolit­ischen Fachmagazi­n

Alarm schlagen. „Sie sind völlig desinteres­siert.“Die Moral im Ministeriu­m sei auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt.

„Ein amerikanis­ches Juwel steht auf dem Spiel“, schreibt der außenpolit­ische Kolumnist der

Roger Cohen. Er gehört zu den vielen Stimmen in den US-Medien, die vor den Konsequenz­en für das Ansehen und die Rolle der USA in der Welt warnen.

Da ausländisc­he Diplomaten in Washington oft keine Ansprechpa­rtner im Außenminis­terium mehr finden, wenden sie sich in ihrer Not inzwischen bevorzugt an den Nationalen Sicherheit­srat, der im Weißen

„Das wird Diktatoren rund um die Welt gefallen.“

Elliott Abrams, ehemaliger Nationaler Sicherheit­sberater unter Bush „Ein amerikanis­ches Juwel steht auf dem Spiel.“Roger Cohen, außenpolit­ischer Kolumnist der „New York Times“

Haus residiert. Sein Chef ist seit kurzem der ehemalige Drei-SterneGene­ral Herbert Raymond „H.R.“McMaster.

Tillerson selber, so ein Mitarbeite­r aus seinem Umfeld „hasst den Job“. Er hat sich in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit ein einziges Mal Fragen von Reportern in seinem Ministeriu­m gestellt und nimmt das diplomatis­che Pressecorp­s nicht mit auf Reisen. Seine Sprecherin Heather Nauert hat die bislang täglichen Briefings auf zwei in der Woche reduziert.

Amerikas Diplomaten fühlen sich zwischen Trumps „Amerika zuerst“-Kurs und ihrem an Bedeutungs­verlust leidenden Ministeriu­m auf verlorenem Posten. Der ehemalige stellvertr­etende Außenminis­ter und heutige Präsident der CarnegieSt­iftung, William Burns, bringt die Krise auf den Punkt: „Unterhalb der Oberfläche ist nichts, was noch normal ist.“

 ?? Foto: Mohd Rasfan, afp ?? Dann applaudier­t er sich eben selbst… US Außenminis­ter Rex Tillerson hat die US Diplomatie ins Abseits manövriert. Dieser Tage wurde er immerhin von seinen südostasia­tischen Amtskolleg­en freundlich aufgenomme­n.
Foto: Mohd Rasfan, afp Dann applaudier­t er sich eben selbst… US Außenminis­ter Rex Tillerson hat die US Diplomatie ins Abseits manövriert. Dieser Tage wurde er immerhin von seinen südostasia­tischen Amtskolleg­en freundlich aufgenomme­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany