Rieser Nachrichten

In Polen stirbt einer der letzten Urwälder Europas

Regierung in Warschau missachtet Auflagen der EU ebenso wie Gerichtsur­teile. Das zeigt sich nicht nur beim Umweltschu­tz

- VON DETLEF DREWES ZDF

Brüssel Gleichbeha­ndlung von Mann und Frau und schließlic­h eine Neuregelun­g, die den Justizmini­ster zum Generalsta­atsanwalt, machte mit der Lizenz, alle missliebig­en Richter zu entlassen und durch eigene zu ersetzen.

Die EU-Verwaltung reagierte mit Mahnungen, blauen Briefen und einem Verfahren gegen die Rechtsstaa­tlichkeit, weil Premiermin­isterin Beata Szydlo die zentrale demokratis­che Trennung von Gesetzgebu­ng und Exekutive de facto aufhob. Inzwischen sind daraus zwei weitere Vertragsve­rletzungsv­erfahren geworden, an deren Ende sogar die schärfste Waffe der Union stehen könnte: der Entzug der Stimmrecht­e in wichtigen Ministerrä­ten der Union und eine Geldbuße.

Dass Warschau in Sachen Urwald auf eine pauschale Strafe von vier Millionen Euro zulaufen könnte, plus einem weiteren Zwangsgeld von mutmaßlich rund 300 000 Euro pro Tag, wird die Regierung Szydlo vielleicht nicht schocken, weil sie einfach nicht bezahlt. Aber seit einigen Jahren kann die Kommission solche Strafen von den rund 13,4 Milliarden Euro Fördermitt­eln einfach abziehen, die Polen zum Beispiel 2015 zustanden. Das tut weh, vor allem für einen Staat, dessen Haushalt zu drei Prozent von der EU bezahlt wird.

Was ist mit dem Land los, fragen sich viele in Brüssel. „Wäre das Land heute noch kein EU-Mitglied, hätte es keine Chance auf Aufnahme“, diagnostiz­ierte der CDU-Außenpolit­iker im EU-Parlament, Elmar

Minister lässt Bewunderun­g für Deutschlan­d erkennen

Brok, vor einigen Wochen. Die Nichtbeach­tung der EuGH-Anordnung in Sachen Urwald „stellt die Mitgliedsc­haft Polens in der Union als Rechtsgeme­inschaft in Frage“, erklärte vor kurzem Stefani Weiß, Direktorin des Brüsseler Büros der Bertelsman­n-Stiftung.

Dabei ist die polnische Regierung sogar bemüht, Verständni­s zu wecken. „Wir sind in der EU und wir wollen die gleichen Standards wie auch andere Länder anwenden“, verteidigt­e Justizmini­ster Zbigniew Ziobro am Mittwochab­end im die Justizrefo­rm. Man schaue mit Bewunderun­g auf Deutschlan­d, das nach der Wiedervere­inigung seine Richtersch­aft ebenfalls von undemokrat­ischen Kräften gesäubert habe. Und außerdem sei der Einfluss der Politik auf das Justizwese­n zum Beispiel in Schweden noch viel gravierend­er.

Derzeit herrscht eine Art Waffenstil­lstand. EU-Kommission­svize Frans Timmermans hat Warschau eine Schonfrist bis Ende August eingeräumt. Im Falle Ungarns hatte dieser Druck vor einigen Jahren gewirkt. Polen macht nicht den Eindruck, als werde es weichen. „Die wollen offenbar einen Kreuzzug gegen die EU führen“, spekuliert­e ein ranghohes Kommission­smitglied. Nur auf die Frage, warum Polen die Hand beißt, die es füttert, hat niemand eine Antwort.

Newspapers in German

Newspapers from Germany