Der Kreativität freien Lauf lassen
Wie Annette Steinacker-Holst im Rahmen einer dreitätigen Veranstaltung in Wemding den Mädchen und Buben Werte und Kunst beim Zirkus „ARTinelli“wieder näher bringt
„Schon Picasso und Toulouse liebten den Zirkus“, erzählt Annette Steinacker-Holst, die Mitbegründerin des Kunstmuseums Donau Ries, begeistert und weiter: „Zirkus ist ein Lebensgefühl!“
In Wemding findet seit Donnerstag bis zum heutigen Samstag zum siebten Mal das Kinder-KulturCamp unter dem Motto „Zirkus ARTinelli“– „Werte schaffen, wir sind es uns wert“– statt, das in Zusammenarbeit mit dem Kreis-Jugendring und Steinacker-Holst entstanden ist. Besonderen Augenmerk legt die Künstlerin auf Selbstbewusstsein, Zusammensein und auf Mut, denn „man darf hinfallen, man muss danach nur wieder aufstehen“, so die Kunstschaffende.
In den Räumen des Kunstmuseums ist schnell ein Kinderparadies entstanden. Da liegen Schlafsäcke und Isomatten vor Kunstgegenstän- den, es gibt eine große Auswahl an verschiedenen Musikinstrumenten, mit denen die Kinder jederzeit spielen dürfen – der Geräuschpegel ist dementsprechend hoch. In den Arbeitsgruppen sind die Mädchen und Buben mit Freude dabei. Wo man hinblickt, wird gemalt, gebastelt, genäht, eine Judorolle gemacht und ganz viel ausprobiert. Als Außenstehender hat man schnell das Gefühl, dass die Kinder voll aufgehen.
Die Nachwuchskünstler müssen sich mit um die Pferde, die auf der Koppel vor dem Museum leben, kümmern und dürfen sie im Gegenzug schmücken und sogar anmalen. „Die Pferde machen das mit, sie haben ja keine andere Wahl“, so Steinacker-Holst. Der Zirkus wurde ins Leben gerufen, um den Kindern Werte, Kreativität und Gemeinschaft näher zu bringen. Die Resonanz ist großartig, doch bei so viel Nachfrage können maximal 30 Teilnehmer mitmachen, damit die Be- treuer individuell auf die Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen acht und 13 Jahren eingehen können. Das ist der Künstlerin sehr wichtig. Sie spricht davon, wie überfüllt die Schulklassen seien und möchte es bei ihren Workshops anders machen. Es gibt sogar entfernten Besuch. Ein Mädchen aus Kolumbien ist mit dabei, das seine Ferien bei der Tante in der Region verbringt.
Es gibt insgesamt drei Workshops: Akrobatik und Aikido bei Thomas Willhöft (Theaterpädagoge und Kampfkunstlehrer), Druck und Action-Painting bei Annette Steinacker-Holst und Nähen bei Diana Waimann (Modeschneiderin). Heute werden die Ergebnisse in Form eines Schattentheaters, eventuell einer Kampfkunstaufführung oder eines Theaterstücks den Eltern präsentiert. Vielleicht wird auch die Geschichte der Raupe, die zum Schmetterling wird, erzählt, daran wird schon genäht. „Eine Gruppe näht den Körper, die andere den Kopf“, so Diana Waimann. Oder es gibt einen Tanz in Tellerröcken. Waimann liegt Nachhaltigkeit besonders am Herzen, denn „wenn man sich seine Kleider selber näht, hat man einen ganz anderen Bezug dazu und wirft sie nicht so schnell weg.“
Die wenigen Buben sind alle im Workshop von Thomas Willhöft. „Dieses Jahr sind allerdings nur fünf dabei“, was Steinacker Sorge bereitet. Grund dafür könnte sein, dass Handys und Smartphones Zuhause gelassen werden mussten und die Mädchen „noch nicht so technikabhängig sind und sich lieber kreativ austoben möchten“, vermutet Steinacker. In den vergangenen Jahren waren mindestens zehn bis zwölf männliche Teilnehmer dabei, darunter ihr eigener Sohn, der auch in diesem Jahr wieder mithilft, worauf sie sehr stolz ist. Um der Techniksucht entgegen zu wirken, arbeitet die Künstlerin seit 15 Jahren oft mit dem Theaterpädagogen Thomas Willhöft zusammen. „Bei Schulklassen machen wir nicht selten ein Fallbeispiel – im wahrsten Sinne des Wortes. Alle Kinder setzten sich in einen Kreis und richten für zehn Minuten ihre Aufmerksamkeit auf ihr Handy. Thomas gibt vor hinzufallen und es wird geschaut, wer es mitbekommt.“Auch bei der Hypothese, was die Jugendlichen mitnehmen würden, wenn sie aus ihrem Land flüchten müssten, ist die TopAntwort Smartphone, dicht gefolgt von der X-Box. Erst später tauchen Familie und etwas zu essen auf. Mit dem Ausgang der Versuche kann gearbeitet und den jungen Menschen beigebracht werden, dass sie ihr Handy nicht zum Überleben brauchen.
Abends dürfen die Kinder draußen spielen, am Lagerfeuer Stockbrot rösten und eine Museumsnachtwanderung machen.