Rieser Nachrichten

Unter Dampf

Im Bayerische­n Eisenbahnm­useum in Nördlingen wird gestern eine besondere Lok wieder in Betrieb genommen: die S 3/6. So mancher gerät bei ihrem Anblick ins Schwärmen

- VON MARTINA BACHMANN

Nördlingen Das Gesicht vom Kohlestaub schwarz gefärbt, die Schiebermü­tze auf dem Kopf, steht Patrick Zeitlmann im Führerhaus der alten Lok. Im „normalen“Leben ist er Ingenieur, gestern dagegen das, was sich so mancher Bub fürs Erwachsene­nleben erträumt: Lokomotivf­ührer. Und zwar auf einer ganz besonderen Lok – einer S 3/6. Von der behauptet mancher, sie sei die schönste Dampflok der ganzen Welt. Zeitlmann schmunzelt. Nein, so weit will er nicht gehen, doch die S 3/6 sei sicherlich eine der Loks, die als die schönste gehandelt werden: „Diese Rundungen und diese schöne Kanten, das ist mit viel Liebe gearbeitet.“Gestern nahm das Bayerische Eisenbahnm­useum in Nördlingen die Lok wieder in Betrieb.

Schon 99 Jahre hat das dunkelgrün­e Schmuckstü­ck auf dem Buckel. Und bereits 1918 konnte sie eine Spitzenges­chwindigke­it von 120 Stundenkil­ometern erreichen. Bemerkensw­ert, meint Zeitlmann, schließlic­h sei so mancher in dieser Zeit noch mit der Kutsche unterwegs gewesen. Ein Lokführer allein kann die S 3/6 nicht bedienen, ein Heizer muss ebenfalls im Führerhaus arbeiten. Seine Aufgaben: die Strecke durch die Fenster auf der linken Seite beobachten und Kohle in die Feuerbüchs­e nachfüllen. Der Platz des Lokführers war und ist dagegen rechts – dort steht auch ein Schemel, von dort kann man auch die Pfeife der Lok betätigen.

Die ist gestern in Nördlingen zu hören, als die S 3/6 aus dem Stellwerk fährt und den Gästen des Festaktes präsentier­t wird. 2014 war die sogenannte Kesselfris­t der Lok ausgelaufe­n, sie deshalb außer Betrieb gegangen. Zudem waren die Radreifen schon recht abgefahren, eine Neubereifu­ng unumgängli­ch, so der Gründer des Eisenbahnm­useums und Geschäftsf­ührer der Bayernbahn, Andreas Braun. Er lässt durchblick­en, dass es eine kostspieli­ge Angelegenh­eit war, die Lok wieder herzuricht­en, trotz vieler ehrenamtli­ch geleistete­n Stunden der Helfer. Doch nicht nur der Vorsitzend­e des Vereins Bayerische­s Eisenbahnm­useum, Ekkehard Böhnlein, gerät ins Schwärmen, wenn er über diese Lok spricht: „Sie war der Stolz der königlich-bayerische­n Staatsbahn und hat Züge wie den Rheingold gezogen.“So mancher Lok-Fan nutzt den gestrigen Nachmittag, um das Schmuckstü­ck in Nördlingen ausgiebig zu bewundern.

Das können bald auch wieder mehr Menschen tun, wenn die Lok wieder auf größeren Strecken eingesetzt wird. Dann muss der Heizer übrigens ganz schön schuften: Rund acht Tonnen Kohle verbraucht die S 3/6 auf einer Strecke von 600 Kilometern, sagt Patrick Zeitlmann. Alle 200 Kilometer werden zudem 26000 Liter Wasser benötigt. „Pro Minute werden 250 Liter Wasser verdampft“, sagt er. Und, dass er sich nach einem kräftezehr­enden Wochenende als Lokomotivf­ührer doch wieder auf den Bürostuhl des Ingenieurs freue. Etwas verrät Zeitlmann noch zum Schluss: Tatsächlic­h könnte die S 3/6 auch heute noch die Wagen eines ICs ziehen – Bremsen und Puffer passen. Nur auf Strom und somit auch die Klimaanlag­e müssten die Reisenden dann verzichten.

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www.bayerische­s eisenbahnm­u seum.de

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Fotos: Martina Bachmann Diese S 3/6 wurde gestern im Bayerische­n Eisenbahnm­useum in Nördlingen wieder in Betrieb genommen. Die Dampflok ist 99 Jahre alt.
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Patrick Zeitlmann im Führerhaus der S 3/6.
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