Der Diesel, eine aussterbende Art…
Seine Vorzüge waren lange unbestritten, aber im Zuge des Abgas-Skandals scheint die große Zeit des Selbstzünders vorbei zu sein. Hat er überhaupt eine Zukunft?
Rudolf Diesel würde sich im Grabe umdrehen, könnte er hören, wie in diesen Tagen über seine Jahrhundert-Erfindung gesprochen wird. Man möge ein Porträt verfassen über – Zitat – „den Diesel, eine aussterbende Art“, bat die Redaktionskonferenz.
Von den Dieselgegnern der Deutschen Umwelthilfe ist wenig anderes zu erwarten, aber wie einige Politiker, Journalisten und andere Experten den Daumen über eine deutsche Spitzentechnologie senken, ist bemerkenswert. Hat sie das verdient?
Der Diesel war schon immer anders als die anderen. Er besitzt noch nicht einmal Zündkerzen, sondern verdichtet die Luft in den Brennkammern so stark, dass Temperaturen bis 900 Grad entstehen. In dieser Umgebung entzündet sich eingespritzter Kraftstoff von selbst. Und dann nutzt der neuere Diesel seinen eigenen Abgasstrahl, um zusätzlichen Schub zu generieren – die Geburtsstunde des Turbodiesels TDI. Der fußt übrigens auf einer bayerischen Erfindung Mitte der 70er Jahre. Ferdinand Piech erwirbt Lizenz und Markennamen für den VW-Konzern. 1989 geht die Technologie im Audi 100 TDI in Serie. 2006 gewinnt Audi die 24 Stunden von Le Mans mit einem Diesel.
Auch „normale“Fahrer schwören auf die Leistungscharakteristik des Diesels: bulliger Durchzug, sobald der Turbo einsetzt, und die willkommene Gelegenheit, früh in den nächsthöheren
Gang zu schalten.
Vor allem beim Überholen hilft der Punch eines modernen Diesels. Was seine Besitzer ebenso überzeugend finden: Er verbraucht in der Regel viel weniger als ein vergleichbarer Ottomotor, stecken in einem Liter Diesel doch etwa sieben Prozent mehr Energie als in einem Liter Benzin. Ferner gelingt es dem Selbstzünder, den Sprit effizienter zu nutzen. Die Politik jedenfalls ist davon angetan. Bis heute wird Dieselkraftstoff steuerlich gefördert. Er kostet rund 20 Cent weniger als Super. So erzieht man ein Volk zu Dieselfahrern. 2016 beträgt der Anteil an den Neuzulassungen 46 Prozent. Europaweit sind 53 Prozent der Autos im Bestand Diesel. Was folgt, ist leidlich bekannt: dreister Abgasbetrug auf dem Prüfstand, überhöhte Emissionen im Straßenverkehr, strenge Grenzwerte. So hat der Diesel das Pech, dass der Gesetzgeber zwar am Arbeitsplatz 950 Mikrogramm Stickstoffdioxid erlaubt, am Münchner Stachus aber nur 40. Dass man den Motor sauber bekommt, ist unter den meisten Experten unstrittig. Die Frage ist eher, ob es sich lohnt. Als erster Hersteller hat sich Volvo aus der ÖlbrennerProduktion verabschiedet.
Letztlich könnte eher das Kostenals das Umweltargument den Diesel ins Museum schicken – vielleicht nach Augsburg, wo Rudolf Diesels Prototyp von 1893 (Foto) steht. Zumindest die ureigene Diesel-Technologie lebt in modernen Ottomotoren weiter: Direkteinspritzung, Turbolader; nächstes Jahr will Mazda sogar den ersten selbstzündenden Benziner („Biesel“) bringen.
Tobias Schaumann