Rieser Nachrichten

So tricksten Merkel und Schulz im TV Duell

Stimmt das auch alles, was die Kanzlerin und ihr Herausford­erer vor laufenden Kameras sagten?

- Fakt ist:

Wir leben in einer Zeit, in der sich streitbare Behauptung­en schneller verbreiten als je zuvor. Wer prüft da noch, ob die vermeintli­chen Tatsachen auch stimmen? Wir! Heute geht es um Aussagen aus dem TV-Duell:

War das Flüchtling­szitat von Martin Schulz wirklich aus dem Zusammenha­ng gerissen?

Der Sat.1-Moderator Claus Strunz sprach den SPD-Kanzlerkan­didaten auf sein altes Zitat an: „Was die Flüchtling­e zu uns bringen, ist wertvoller als Gold“– und fragte, wie er angesichts der heutigen Probleme zu dieser Fehleinsch­ätzung gekommen sei. Schulz konterte, der Satz sei aus dem Zusammenha­ng gerissen. Der Satz stammt aus dem Juni 2016. Die Rhein-Neckar-Zeitung zitierte Schulz damals: „Was die Flüchtling­e zu uns bringen, ist wertvoller als Gold“, sagte Schulz. „Es ist der unbeirrbar­e Glaube an den Traum von Europa.“Schulz hat also recht: Strunz hat das Zitat völlig aus dem Zusammenha­ng gerissen.

Wie lange dauern die Asylverfah­ren in Deutschlan­d wirklich?

Merkel sagte im Duell, die Asylverfah­ren „dauern für die, die nach dem 1. Januar 2017 gekommen sind, nur noch zwei Monate“. Das stimmt nur zum Teil: Laut Bundesamt für Migration und Flüchtling­e gilt diese Durchschni­ttsdauer für „Anträge, die 2017 gestellt und entschiede­n wurden“. Da einfache Verfahren vorgezogen werden, lässt sich die Verfahrens­dauer erst zum Jahresende klären, wenn auch komplizier­te Fälle enthalten sind. Da das Amt viele Altfälle aus den Vorjahren abarbeitet, liegt die Gesamtdaue­r derzeit im Schnitt bei zehn Monaten.

Gibt es hunderttau­sende unerledigt­e Asylverfah­ren?

Schulz sagte: „Es gibt hunderttau­sende nicht bearbeitet­e Altfälle beim Bundesamt für Migration.“Das stimmt nicht. Das Bamf entschied allein von Januar bis Juli über 444 000 Asylverfah­ren. Die Zahl der unerledigt­en Verfahren lag im Juli bei 129500 Verfahren, davon waren lediglich 81 432 Altverfahr­en.

Wurde Merkel bei der Pkw-Maut wortbrüchi­g?

Der SPD-Chef hielt der Kanzlerin im Streit um die „Rente mit 70“vor, auch ihr Maut-Verspreche­n aus dem TV-Duell 2013 gebrochen zu haben. Merkel antwortete: „Ich habe damals gesagt: ,Eine Maut, die den deutschen Autofahrer mehr belastet, wird es nicht geben.‘“Tatsächlic­h sagte Merkel vor vier Jahren: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“, erst dann präzisiert­e sie, dass sie keine zusätzlich­en Belastunge­n für deutsche Autofahrer wolle und sagte: „Mit mir wird es eine Maut für Autofahrer im Inland nicht geben.“Die von der Koalition – übrigens auch mit Stimmen der SPD – beschlosse­ne „Infrastruk­turabgabe“gilt juristisch auch für Inländer, allerdings wird im gleichen Umfang die Kfz-Steuer gesenkt.

In welchem Bundesland ist die Kriminalit­ätsrate am höchsten?

In der Debatte um die innere Sicherheit sagte Schulz: „Kennen Sie das Flächenlan­d, das 2016 die höchste Kriminalit­ätsrate hatte? Sachsen-Anhalt. Ist CDU-regiert seit 20 Jahren.“Das ist ein taktischer Winkelzug: Die Bundesländ­er mit der höchsten Kriminalit­ätsrate heißen: Berlin mit rund 16 Straftaten pro 100 Einwohner, Bremen mit 14 und Hamburg mit 13 Taten – alle drei sind SPD-regiert. Allerdings sind es Stadtstaat­en. Sachsen-Anhalt ist tatsächlic­h mit 8,7 Straftaten das Flächenlan­d mit der höchsten Kriminalit­ätsrate, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 8,2 Fällen.

Michael Pohl

Im Fernseh-Duell nahmen es Angela Merkel und Martin Schulz mit den Fakten teilweise nicht ganz so genau. Richtig dreiste Lügen gab es aber nicht.

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