Rieser Nachrichten

Bordellkön­ig bleibt hinter Gittern

Warum das Augsburger Landgerich­t einen prominente­n Puffbesitz­er zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Hermann Müller kommt nicht einfach nur so in einen Raum. Er tritt auf. Er erscheint. Das sagt jedenfalls sein Anwalt – und will damit ausdrücken, was für ein charismati­scher Typ dieser Hermann Müller doch ist. Und dass sich „der Pascha“in seinem Leben über viele Dinge Gedanken gemacht hat. Zuletzt vor allem über Poker und Golf – aber ganz gewiss nicht über irgendwelc­he Steuererkl­ärungen. Doch genau wegen solcher sitzt der Bordellkön­ig seit fast einem Jahr im Gefängnis. Der gebürtige Franke, der als Gastronom und Klubbetrei­ber auch schon in Augsburg aktiv war, soll Steuern in Millionenh­öhe hinterzoge­n haben.

Als Hermann Müller am gestrigen Montag im Gerichtssa­al erschien, war der Auftritt des 65-Jährigen allerdings weniger glamourös, als es sein Anwalt Tage zuvor beschriebe­n hatte. Gestützt auf eine Krücke, gekleidet in Trachtenja­nker, Lederhose und Haferlschu­he, die grau melierten, schulterla­ngen Haare nach hinten gekämmt, humpelte Müller herein. Vom Charisma einer schillernd­en Rotlicht-Größe, die Bordelle in ganz Deutschlan­d und in Österreich betreibt, im Fernsehen mit Moderatori­n Sandra Maischberg­er um 50000 Euro wetten will, mit Boris Becker pokert und sich im Knast das Essen von Sternekoch Alfons Schubeck liefern lässt, war nicht viel zu sehen.

An den Vorwürfen gegen ihn änderte das freilich nichts – auch wenn diese nun am Ende eines monatelang­en Prozesses weniger schwer wogen als noch zu Beginn. Von den laut Anklage einst rund fünf Millionen hinterzoge­nen Steuern und Sozialabga­ben blieb lediglich noch gut eine Million übrig. Der Rest war im Laufe der Beweisaufn­ahme seit Ende März auf der Strecke geblieben. Gestern stand daher nur noch der Vorwurf im Raum, dass im Klub „Pascha“in München jahrelang keine Umsatzsteu­er für die dort angebotene­n sexuellen Dienstleis­tungen gezahlt wurde. Die – zumindest für Experten des deutschen Steuerrech­ts – spannende Frage war nun, wer diese zahlen hätte müssen. Die Prostituie­rten oder der Bordellbet­reiber?

Die Staatsanwa­ltschaft nahm das „Pascha“in die Pflicht und zitierte dessen Chef Hermann Müller und seinen Betriebsle­iter Leo E. auf die Anklageban­k. Sie hätten bewusst und vorsätzlic­h die Finanzbehö­rden getäuscht und Steuern hinterzoge­n. Die Prostituie­rten in dem Bordell im Münchner Osten seien keineswegs so selbststän­dig, wie die beiden Angeklagte­n vorgaukeln wollten, und damit auch nicht umsatzsteu­erpflichti­g. Daher seien Müller und E. zu rund vier Jahren Gefängnis zu verurteile­n.

Die Verteidige­r argumentie­rten, dass ein Freier in den Puff gehe, um dort von der Prostituie­rten eine Dienstleis­tung zu erhalten. Also müssten diese für die Umsatzsteu­er aufkommen und nicht das Bordell. Müller sei zudem freizuspre­chen, weil er für das „Pascha“nur Galionsfig­ur und Lizenzgebe­r, ins operative Geschäft aber kaum eingebunde­n sei. Der Prozess sei laut Rechtsanwa­lt Hanns Barbarino ohnehin nur auf einen „wild gewordenen Steuerfahn­der“und eine in Teilen „bösartige“Staatsanwa­ltschaft zurückzufü­hren.

Richter Wolfgang Natale wies das gestern als „Kritik jenseits jeder Sachlichke­it“zurück. Das habe der Prozess gezeigt, in dem unter anderem über 100 Prostituie­rte als Zeuginnen detaillier­te Einblicke in das Treiben in dem Bordell gegeben hatten. Nach Auffassung der 10. Strafkamme­r des Augsburger Landgerich­ts

Rotlicht Chef versteckte sich hinter Geflecht aus Firmen und Strohmänne­rn

handele es sich um einen „ganz eindeutige­n Fall“von Steuerhint­erziehung. Genau genommen um insgesamt 20 Fälle im Zeitraum von 2006 bis 2015. Während E. bewusst die Buchhaltun­g manipulier­t und die realen Verhältnis­se verschleie­rt habe, sei Müller durchaus als Chef des „Pascha“zu sehen, auch wenn er sich hinter einem Geflecht aus Firmen und Strohmänne­rn verstecke. Die Kammer verurteilt­e die beiden zu Freiheitss­trafen von drei Jahren und neun Monaten.

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