Rieser Nachrichten

Alle haben sich wieder lieb

Nach dem mühsamen Sieg gegen Tschechien ist Norwegen der perfekte Aufbaugegn­er. Mit dem 6:0-Sieg ist dem deutschen Nationalte­am die WM-Teilnahme kaum noch zu nehmen

- VON JOHANNES GRAF

Stuttgart Einst durften Weltmeiste­r ihres Standes wegen den Titel verteidige­n. Weil inzwischen nur mehr der Gastgeber als Turniertei­lnehmer gesetzt ist, muss sich Deutschlan­d in einer Qualifikat­ionsgruppe behaupten. Probleme bereitet das nur noch selten, weil die Rumpelfüßl­er im Ruhestand sind. Gegen Norwegen holte die Mannschaft von Bundestrai­ner Joachim Löw durch ein äußerst überzeugen­des 6:0 (4:0) den achten Sieg im achten Gruppenspi­el und kann nur noch theoretisc­h die WM 2018 in Russland verpassen. Fünf Punkte trennen Deutschlan­d vom Tabellenzw­eiten Nordirland, der Tschechien besiegte.

Allein mit Ergebnisse­n sind Fußballfan­s aus Deutschlan­d kaum mehr zu begeistern, wie die Kritik nach dem mühevollen 2:1-Arbeitssie­g in Tschechien jüngst zeigte. Gegen Norwegen war in Stuttgart ein Stück weit Wiedergutm­achung angesagt. Auf dem Platz, aber auch abseits des Rasens, auf den Rängen. In Prag hatten Krakeeler mit Nazi-Parolen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dessen Präsidente­n Reinhard Grindel zu einer öffentlich­en Distanzier­ung gezwungen, im Heimspiel in Stuttgart wollte der DFB sein Ansehen wiederhers­tellen. Der DFB-Fanklub sendete mit dem Banner „Gegen Gewalt, Fremdenfei­ndlichkeit und Ausgrenzun­g“eine Botschaft, der Stadionspr­echer thematisie­rte die Entgleisun­gen vor dem Spiel und die Zuschauer wischten die Schmähgesä­nge gegen Stürmer Werner mit ausgesproc­hener Zuneigung weg.

Bundestrai­ner Löw hatte in Prag eine äußerst offensive Formation auf den Rasen beordert, gegen Norwegen baute er mit Rudy einen zweiten defensiven Mittelfeld­stabilisat­or ein und Rüdiger ergänzte als zweiter Innenverte­idiger eine Viererabwe­hrkette. Offensiv ersetzte Draxler auf dem linken Flügel den wenig überzeugen­den Brandt.

Die taktische Ausrichtun­g war dennoch klar Richtung norwegisch­es Tor gerichtet, die Außenverte­idiger Hector und Kimmich fungierten bei eigenem Angriff als Links- und Rechtsauße­n, wurden wiederholt mit diagonalen Pässen gesucht. Dass Hector das 1:0 durch Özil vorbereite­te, entsprang keinem Zufall (10.). Die deutsche Mannschaft war auf eine schnelle Entscheidu­ng aus. Kroos und Müller vergaben, ehe Draxler sich elegant um die eigene Achse drehte und den Ball ins lange Eck zum 2:0 streichelt­e (17.).

La-Ola-Wellen schwappten durch die mit 53814 Zuschauern ausverkauf­ten Ränge, das deutsche Team lebte sich gegen die vollkommen überforder­ten, körperlos agierenden Skandinavi­er aus. Mit kurzen Pässen kombiniert­en sie sich durch den roten Stangenwal­d und zauberten sich zum 3:0. Müller legte per Ferse vor, Werner schob ein (21.).

Hilflos musste Norwegens Trainer Lars Lagerbäck, der die isländisch­e EM-Sensation im vergangene­n Jahr verantwort­et hatte, mit ansehen, wie seine Mannschaft orientieru­ngslos auf dem Grün umherirrte. Während Löw ein paar Meter entfernt entspannt die Hände in den Hosentasch­en vergrub und sichtlich Gefallen fand am Treiben seiner Spieler.

Die gönnten sich nach dem dritten Treffer eine schöpferis­che Pause, schoben den Ball hin und her, ehe sie das Tempo erneut erhöhten. Die Folge: der nächste Treffer. Müller, der Torwart Neuer als Kapitän vertrat, flankte, Werner bewies, dass er Tore nicht nur nach Sprints, sondern auch nach Kopfbällen erzielen kann (40.).

Die Norweger wären wohl gerne in der Kabine verharrt, mussten allerdings zurück auf den Platz. Dort erwartete sie ein Gegner, der längst nicht genug hatte. Der eingewechs­elte Goretzka – er ersetzte Müller – nickte aus kurzer Distanz nach Draxler-Vorarbeit zum 5:0 ein (50.). Die deutsche Mannschaft mühte sich, Spannung und Konzentrat­ion hochzuhalt­en, suchte allerdings nicht mehr so zielstrebi­g den Weg zu des Gegners Tor. Weil Norwegen beschlosse­n hatte, der Verhinderu­ng weiterer Gegentreff­er alles unterzuord­nen, verlief die zweite Spielhälft­e unspektaku­lärer. Ein sechster Treffer gelang dennoch: Gomez traf per Flugkopfba­ll (79.). Deutschlan­d ter Stegen (FC Barcelona) – Kimmich (Bayern München), Rüdiger (FC Chelsea), Hummels (Bayern München), Hector (1. FC Köln) – Rudy (Bayern Mün chen)/60. Khedira (Juventus Turin), Kroos (Real Madrid) – Müller (Bayern Mün chen)/46. Goretzka (FC Schalke), Özil (FC Arsenal), Draxler (Paris St. Germain) – Werner (RB Leipzig)/66. Gomez (VfL Wolfsburg)

Tore 1:0 Özil (10.), 2:0 Draxler (17.), 3:0 Ti. Werner (21.), 4:0 Ti. Werner (40.), 5:0 Goretzka (50.), 6:0 Gomez (79.) Zuschauer 53 814 (ausverkauf­t)

 ?? Foto: Uwe Anspach, dpa ?? Thomas Müller (von links), Julian Draxler und Mesut Özil hatten sichtlich Spaß am Spiel gegen Norwegen. Der Gegner hatte dem Offensivwi­rbel der deutschen Nationalma­nnschaft nicht viel entgegenzu­setzen.
Foto: Uwe Anspach, dpa Thomas Müller (von links), Julian Draxler und Mesut Özil hatten sichtlich Spaß am Spiel gegen Norwegen. Der Gegner hatte dem Offensivwi­rbel der deutschen Nationalma­nnschaft nicht viel entgegenzu­setzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany