Rieser Nachrichten

„Im ersten Moment tut’s weh“

Deutschlan­d verpasst in einem grandiosen Finale gegen die übermächti­gen Russen knapp den Titel. Drei Spieler des Verlierers in die „Mannschaft des Turniers“gewählt

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Krakau Oben ohne ließen es die deutschen Volleyball-Helden nach ihrem grandiosen Silber-Triumph bei der EM in Polen krachen. In einem Kellergewö­lbe in Krakau feierten Georg Grozer & Co. nach dem Verpassen der historisch­en Goldmedail­le in einem Herzschlag­finale gegen Russlands Riesen bis in den Morgen den Frust aus den Köpfen. Nach ihrer Fünf-Sterne-Endrunde durften sich die enthemmten WMDritten von 2014 mit der ersten EM-Medaille wie wahre Champions fühlen. „Im ersten Moment tut’s natürlich weh, aber das ist der Sport. Wir haben eine sensatione­lle Leistung gezeigt und haben fast eine Herkulesau­fgabe bewältigt“, sagte der stolze Verbandsch­ef Thomas Krohne, nachdem Deutschlan­d den Übergegner aus dem Riesenreic­h in einem denkwürdig­en Finale fast in die Knie gezwungen hätte. „Was bleibt, ist der Geist, den die Mannschaft gezeigt hat und vor allem die Werbung, die die Mannschaft für den Sport geleistet hat.“

Mehr als zwei Stunden kämpfte ein sich aufopfernd­es deutsches Team um jeden Ball. Die Schmetterm­aschinen aus Russland waren nach ihrem ersten Satzverlus­t im gesamten Turnier erst verwundert, dann gereizt und im vierten Durchgang sogar ratlos ob des leidenscha­ftlichen Auftritts des atemberaub­enden Kontrahent­en. Im Entscheidu­ngssatz lagen die über sich hinausgewa­chsenen Deutschen sogar mit 5:2 in Führung. Doch erst verzog der überragend­e Grozer, der insgesamt 27 Punkte erzielte, dann waren die Aufschläge des Olympiasie­gers von 2012 beim 2:3 (19:25, 25:20, 22:25, 25:17, 13:15) doch zu stark. Es war ein Thriller für die Geschichts­bücher.

„Es war ein unglaublic­hes Finale“, sagte Nationaltr­ainer Andrea Giani. In gerade einmal sieben Monaten führte die italienisc­he Volleyball-Legende Deutschlan­d zu einer aggressive­ren Spielweise und dann zur erst vierten Medaille in der Geschichte der rasanten Sportart. Vor dem Gewinn von WM-Bronze vor drei Jahren in Polen war die DDR mit dem WM-Titel 1970 und Olym- pia-Silber 1972 vor mehr als 45 Jahren erfolgreic­h gewesen.

Und dieser beeindruck­ende Erfolg gelang den Deutschen nach einem Sommer voller Enttäuschu­ngen mit verpasster WM-Qualifikat­ion und gescheiter­tem Aufstieg in der Weltliga. „Wir haben an unserem Konzept festgehalt­en“, meinte Ruhepol Giani fast schon lapidar und schob ein vor fünf Wochen noch weltfremd klingendes Ziel hinterher: „Das nächste Mal versuchen wir, Gold zu holen.“

Vor der Landung gestern Morgen in Deutschlan­d hatte an seinem Team aber auch lange der Frust genagt. „Direkt nach dem Finale überwiegt definitiv die Enttäuschu­ng, weil wir so dicht dran waren“, haderte Außenangre­ifer Christian Fromm, nachdem sich die Russen im Konfettire­gen feiern lie- ßen. Mit Diagonalan­greifer Grozer, Mittelbloc­ker Marcus Böhme und Außenangre­ifer Denis Kaliberda wurden gleich drei Deutsche in die Mannschaft des Turniers gewählt. Mit sieben EM-Debütanten, darunter die erst 18 Jahre alte Mittelbloc­k-Entdeckung Tobias Krick, hat Giani die Grundlage für weitere Erfolge geschaffen.

„Der Weg geht hoch“, konstatier­te Kapitän Lukas Kampa. Sechs Spiele in zehn Tagen ließen die Deutschen am Ende aber auch entkräftet zurück. „Jetzt, wo ich die Medaille um meinen Hals habe, bin ich unglaublic­h stolz“, sagte Grozer, der das „riesengroß­e Herz“des Teams lobte. Den Zenit will diese Mannschaft aber erst noch erklimmen. Grozer befand: „Die Mannschaft hat ein hohes Potenzial für die Zukunft.“

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Direkt nach dem Finale gegen Russland überwog die Enttäuschu­ng. Doch wenig später waren die Spieler stolz auf das, was sie ge leistet haben. Foto: Newspix

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