Ein Hitler Video und seine Folgen
Ein junger Mann hat in einer Chat-Gruppe die Datei verschickt, nicht wissend, dass er sich damit strafbar macht. Richter Andreas Krug verlangt: das „Tagebuch der Anne Frank“lesen
Nördlingen Weil ein junger Erwachsener aus dem südlichen DonauRies-Kreis ein Hitler-Video an eine Handy-Chatgruppe versendet hat, hat ihn der Vorsitzende Richter am Jugendgericht des Nördlinger Amtsgerichts eine nicht alltägliche Weisung mit nach Hause gegeben. Der junge Mann, der nicht wusste, dass er sich mit dem Versenden strafbar macht, muss nun „das Tagebuch der Anne Frank“lesen und Richter Andreas Krug bei einem erneuten Treffen vom Inhalt berichten. „Aus Mangel an Kenntnissen der Geschichte.“
Das Buch, von dem der Angeklagte nach eigenen Angaben bis gestern noch nie gehört hatte, handelt von den Erlebnissen der jungen Anne Frank, die sich mit ihrer jüdischen Familie in einem Hinterhaus in Amsterdam vor den Nationalsozialisten versteckt hat. Die Geschichte des Mädchens steht als Sinnbild für den Holocaust, zählt zur Weltliteratur und soll den jungen Mann dahingehend sensibilisieren, dass das Versenden von HitlerVideos oder ähnlichem Material keinesfalls witzig ist. Es ist gesetzlich verboten, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu verwenden.
Das „Kopfbild“Adolf Hitlers wird laut Rechtssprechung ebenfalls als Kennzeichen im Sinne des Paragrafen 86a des Strafgesetzbuches betrachtet. Grund dafür ist nach Auffassung der Justiz, dass solche Fotos während der Zeit des Nationalsozialismus’ „massenhaft als Symbol der NSDAP und des NS-Staats versendet worden seien“. Strafbar ist auch, wenn Material scherzhaft verwendet wird.
Genau so soll es sich bei dem 18-jährigen Azubi zugetragen haben, der seine Tat gestand. Das Video diente nach seinen Angaben nur der Belustigung. „Ich weiß jetzt aber, dass es falsch war“, fügte er hinzu. In der Chat-Gruppe seien lediglich Freunde gewesen.
Einen Aufsatz über das Dritte Reich und die Verfolgung der Juden musste er bereits vor der Verhandlung anfertigen. Das hatte ihm die Jugendgerichtshilfe aufgetragen. Weil die Angelegenheit laut Staatsanwalt dem jungen Mann sichtlich unangenehm erscheine und er auch nicht in die rechte Szene einzuordnen sei, stufte er die Tat als „Jugendverfehlung“ein, die allerdings nicht unerheblich sei. Immerhin dauerte das Video zwölf Sekunden und er hätte sich einen Spaß aus dem damaligen Leid der Menschen gemacht. Vor der Urteilsverkündung betonte der junge Mann noch einmal, dass ihm die Sache sehr leidtue.
Durch Zufall auf das Video gestoßen
Dass sich das Video überhaupt auf dem Handy des 18-Jährigen befand, haben Ermittler in Zusammenhang mit einem anderen Fall herausgefunden, der kürzlich in Nördlingen verhandelt wurde. Das Smartphone eines Prozess-Beteiligten wurde untersucht, woraufhin die Polizei auf das Hitler-Video des jungen Mannes gestoßen war.
„Ich werde Sie dann abfragen. Wenn ich den Eindruck habe, dass Sie das Buch nicht gelesen habe, droht Arrest“, sagte Richter Krug am Ende der Verhandlung.