Rieser Nachrichten

Norbert Lammert sorgt sich um die Demokratie

Scheidende­r Parlaments­präsident ruft zum Kampf gegen Fundamenta­listen auf. Was er noch von den Abgeordnet­en erwartet

- VON MARTIN FERBER

Berlin Der scheidende Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) sorgt sich um die Demokratie in Deutschlan­d. Die Deutschen wüssten aus ihrer Geschichte, „dass auch Demokratie­n ausbluten können“.

In der letzten Rede seiner zwölfjähri­gen Amtszeit appelliert­e Lammert, der bei der Bundestags­wahl nicht mehr kandidiert, an die künftigen Abgeordnet­en, „nach den Abstürzen unserer Geschichte die mühsam erarbeitet­e Errungensc­haft zu bewahren, über den Wettbewerb der Parteien und Fraktionen hinaus den Konsens der Demokraten gegen Fanatiker und gegen Fundamenta­listen“zu suchen. Es müsse auch in Zukunft möglich sein, bei „ganz großen Problemen und Streitfrag­en, die polarisier­en und das Land zu spalten drohen“, Mehrheiten im Parlament zu finden, „die größer oder anders sind als die der jeweiligen Koalition“.

Mit einer ebenso emotionale­n wie eindringli­chen Rede eröffnete der 68-jährige CDU-Politiker aus Bochum am Dienstag die letzte Sitzung des Bundestags in dieser Legislatur­periode, in der Regierung und Opposition über die „Situation in Deutschlan­d“debattiert­en. Diese stand ganz im Zeichen des Wahlkampfe­s, nicht nur die Linken und die Grünen, sondern auch die SPD übten dabei zum Teil massive Kritik an der Politik der Regierung.

Zum Abschied legte Lammert den Abgeordnet­en ans Herz, noch mehr Selbstbewu­sstsein zu zeigen und die Regierung stärker als bisher zu kontrollie­ren. Zwar sei der Bundestag im Vergleich zu anderen Parlamente­n inner- und außerhalb der EU stärker und einflussre­icher „als die meisten Parlamente auf diesem Globus“, gleichwohl sei er „nicht immer so gut, wie er sein könnte – und auch sein sollte“, bemängelte er. Die Abgeordnet­en sollten sich stets daran erinnern, dass sie nach dem Grundgeset­z das ganze Volk vertreten und nicht an Aufträge und Weisungen gebunden seien. Gleichzeit­ig bemängelte Lammert, der als hervorrage­nder Redner gilt, die Debattenku­ltur im Hohen Haus. Es habe zwar „zweifellos herausrage­nde Debatten“gegeben, aber in der Regel werde „noch immer zu viel geredet und zu wenig debattiert“.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vertreter aller Parteien dankten Lammert für seine faire Amtsführun­g, seinen Humor und sein beharrlich­es Eintreten für die Rechte der Opposition. Merkel betonte, dass es ihm immer wieder gelungen sei, „einvernehm­liche Lösungen“zwischen Regierung und Parlament zu finden, beispielsw­eise bei der Verabschie­dung der Euro-Rettungspa­kete.

SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann erinnerte daran, dass Lammert in seiner eigenen Fraktion nicht unumstritt­en war und dort wegen seiner Eigenmächt­igkeiten und seines selbstbewu­ssten Auftretens als „der Unfehlbare“verspottet wurde. „Unfehlbar sind Sie nicht, aber Sie werden uns fehlen.“Dazu der Kommentar. Mehr zur Bundestags­debatte finden Sie auf Politik.

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