Rieser Nachrichten

Ein Mann der unbequemen Wahrheit

Al Gore wäre beinahe Präsident der USA geworden. Danach fand er seine wirkliche Berufung: den Kampf für das Klima. Was ihn optimistis­ch stimmt

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Im Jahr 2000 ging er in den Ruhestand. Nicht ganz freiwillig, sondern nach einer Entscheidu­ng des obersten Verfassung­sgerichts, das nicht ihm, sondern George W. Bush im Nachzähl-Drama von Florida die Schlüssel zum Weißen Haus in die Hand drückte. Seitdem hat sich im Leben des Al Gore, der bis dahin Vizepräsid­ent gewesen war, viel verändert.

Es blieb ein traumatisc­hes Ereignis, das den heute 70-Jährigen lange Zeit nicht losließ. „Ich war mal der nächste Präsident der Vereinigte­n Staaten“, stellte sich Gore in dem Film „An Inconvenie­nt Truth“(Eine unbequeme Wahrheit) vor, der vor elf Jahren seinen neuen Status als Kreuzritte­r gegen den Klimawande­l begründete. Der Streifen holte den Oscar und spielte 50 Millionen Dollar ein. Dass Gore ein Jahr darauf den Friedensno­belpreis verliehen bekam, hat gewiss auch mit dem Erfolg seines Weckrufs auf der Leinwand zu tun.

Ein Jahrzehnt später illustrier­t Hurrikan „Harvey“in Houston kurz vor dem Kinostart des zweiten Teils seiner Klima-Aufklärung­skampagne, wie realistisc­h die Warnungen von damals waren. Dazu gehören allen voran die Extremwett­er-Ereignisse, die weltweit Starkregen und Überschwem­mungen gebracht haben, aber auch Hitzewelle­n und Dürren. Unübersehb­ar sind auch die rapide schmelzend­en Gletscher und der Anstieg des Meeresspie­gels. Längst sind nicht mehr nur Eisbären bedroht. Menschen werden zu Klimaflüch­tlingen.

Gore bleibt trotz seines gescheiter­ten Versuchs, Donald Trump vom Ausstieg aus dem Klimaabkom­men von Paris abzuhalten, optimistis­ch. „Wir müssen um Trump herum arbeiten“, empfiehlt der prominente Klimaschüt­zer jetzt. In den USA sei es ermutigend, wie Städte und Bundesstaa­ten an den Klimaziele­n festhielte­n und Unternehme­n in erneuerbar­e Energien investiert­en. Internatio­nal habe der Austritt aus dem Klimaabkom­men nicht zu einer Kettenreak­tion geführt, sondern genau das Gegenteil erreicht. Trump sei mit seiner Haltung ziemlich isoliert. Gore setzt auf die junge Generation und die Technologi­e, die im Bereich der erneuerbar­en Energien Umwälzunge­n vom Ausmaß der industriel­len Revolution brächten. Gerne weist der Investor in grüne Technologi­en darauf hin, dass die Solarbranc­he in den USA 17 Mal so schnell gewachsen sei wie der Rest der Wirtschaft.

Auch in seinem Privatlebe­n blickt der 2014 zum Veganer gewordene Gore nach vorn. Zwei Jahre nach der Trennung von Ehefrau Tipper, die der Sohn eines US-Senators beim Abschlussb­all seiner Highschool in Washington kennengele­rnt hatte und mit der er vier erwachsene Kinder hat, lernte der Harvard-Absolvent 2012 seine neue Partnerin Elizabeth Keadle kennen. Mit der schritt er im Mai dieses Jahres beim Filmfestiv­al in Cannes erstmals gemeinsam über den roten Teppich. Der Anlass: Die Vorstellun­g des Streifens „Immer noch eine unbequeme Wahrheit“, der am Donnerstag auch bei uns in die Kinos kommt. Thomas Spang

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Foto: dpa

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