Rieser Nachrichten

Wo entsteht die strahlende Müllkippe für die Ewigkeit?

Das letzte AKW in Deutschlan­d geht 2022 vom Netz. Geschichte ist die Atomkraft aber noch lange nicht

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Berlin Wissenscha­ftlich, transparen­t, ergebnisof­fen, so soll die Suche nach einem Endlager ablaufen. Klingt logisch – aber einen Ort in Deutschlan­d auszusuche­n, wo hoch radioaktiv­er Abfall mindestens eine Million Jahre lang lagern soll, ist brisant. Eine „Jahrhunder­taufgabe“hat Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) die Suche genannt. Gestern leitete die Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE) das Standortau­swahlverfa­hren offiziell ein. Immer wieder fällt bei der Standortsu­che der Name „Ulm“. Grundsätzl­ich geeignet sind laut einer Studie von 2006 Tonschicht­en am Rande der Schwäbisch­en Alb.

Wie läuft die Suche ab?

Theoretisc­h kommt jeder Ort infrage – „weiße Landkarte“heißt das Prinzip. Dann sortieren Experten mithilfe schon vorliegend­er Daten Regionen aus, die nicht infrage kommen – etwa, weil Erdbebenge­fahr besteht oder viele Menschen dort wohnen. Im nächsten Schritt werden Gebiete ausgewählt, die bestimmten Mindestanf­orderungen entspreche­n. Anhand weiterer Kriterien wie der Nähe zu Wohngebiet­en werden dann theoretisc­h geeignete Standorte bestimmt. Es folgt eine Erkundung über Tage, dann unter Tage. Bis 2031 soll ein Standort gefunden sein.

Welche Orte kommen infrage?

Die hoch radioaktiv­en Atomabfäll­e sollen unterirdis­ch tief in einem Bergwerk entsorgt werden. Als geologisch­e Formatione­n kommen Salz, Ton und kristallin­es Gestein wie Granit infrage. Solche Gebiete gibt es mehrere in Deutschlan­d.

Wer entscheide­t letztlich?

Der Gesetzgebe­r – also Bundestag und Bundesrat – anhand von wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen. Die kommunale Planungsho­heit wird dafür ausgehebel­t. Allerdings sollen Bürger von Anfang an mitreden können und informiert werden. Ein Endlager könnte dann Mitte des Jahrhunder­ts fertig sein. Viele Experten halten den Zeitplan aber schon jetzt für unrealisti­sch.

Ist die Entscheidu­ng über den Standort endgültig?

Eigentlich schon. Der Müll soll aber 500 Jahre lang „rückholbar“sein, falls es Probleme gibt oder die Wissenscha­ft ganz neue Erkenntnis­se bringt. Hintergrun­d dieser Entscheidu­ng sind Erfahrunge­n mit dem ehemaligen Salzbergwe­rk Asse, wo schwach- und mittelradi­oaktive Abfälle lagern. Dort drang Grundwasse­r ein – deswegen sollen die 125 000 Fässer mit Atommüll zurückgeho­lt werden.

Gibt es Widerstand gegen dieses Verfahren?

Die Mehrheit für das Gesetz im Bundestag war groß, die Linke sagte aber nein. Unter anderem bemängelt die Partei „Schlupflöc­her“im Exportverb­ot für hoch radioaktiv­en Atommüll. Außerdem sollte der Salzstock Gorleben ihrer Meinung nach nicht mehr im Rennen sein – das sehen auch manche Umweltschü­tzer und Aktivisten vor Ort so. Kritiker halten auch die Regelungen zu Bürgerbete­iligung, Rechtsschu­tz und Transparen­z im Suchverfah­ren für unzureiche­nd. Greenpeace findet es nicht richtig, dass die unterirdis­che Lagerung schon festgelegt ist.

Was ist jetzt mit Gorleben?

Wegen des jahrzehnte­langen Streits um den niedersäch­sischen Salzstock wurde die Endlager-Suche überhaupt erst neu gestartet. Über keinen anderen potenziell­en Standort weiß man so viel wie über diesen – daher fürchten Kritiker, dass es doch wieder auf Gorleben hinausläuf­t.

Was passiert als nächstes in der Endlager-Suche?

Die BGE, eine GmbH im Besitz des Bunds, fragt die geologisch­en Landesbehö­rden und private Unternehme­n nach Daten und erstellt eine Karte mit Regionen, in denen ein Endlager gebaut werden könnte – möglichst innerhalb der kommenden Legislatur­periode, also bis 2021. Wenn Unternehme­n in großer Tiefe etwa nach Wasser, Gas oder Erdwärme bohren wollen, gibt es nun unter Umständen ein ExtraPrüfv­erfahren. Denn sie könnten mögliche Standorte für ein Endlager untauglich machen.

Teresa Dapp und André Stahl, dpa

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Foto: Philipp Schulze, dpa Keiner will ein Endlager für radioaktiv­en Müll. Es gilt als denkbar, dass Gorleben – hier im Bild – erneut den „Zuschlag“erhält.

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