Rieser Nachrichten

Feinstaub Alarm auf dem Sonnendeck

Kreuzfahrt­en boomen. Doch die meisten Passagiere wissen nicht, wie dreckig die Luft an Bord ist. Was Umweltschü­tzer fordern und wieso sich nur langsam etwas ändert

- VON SABRINA SCHATZ

Augsburg Von wegen frische Meeresbris­e. Die Luft auf dem Sonnendeck eines Kreuzfahrt­schiffes, sogar in der Kabine, ist weitaus dreckiger als die an einer viel befahrenen Straße. Und mit der schneebede­ckten Küste, an der etwa Nordkap-Reisen entlangfüh­ren, könnte es auch bald vorbei sein, glaubt man einer UNStudie: Ruß aus den Schornstei­nen schwärze Schnee und Eis, die dann schneller schmelzen. Endet so der Traum vom Urlaub auf hoher See?

Der Naturschut­zbund Deutschlan­d (NABU) hat am Dienstag eine Rangliste veröffentl­icht, welche die Umweltsünd­er unter den Kreuzfahrt­schiffen auflistet. In der siebten Auflage des Rankings empfiehlt der Verband kein einziges Schiff, das in Europa verkehrt. Am besten schneiden noch die deutschen Anbieter Tui und Hapag-Lloyd Cruises ab, doch auch sie haben Makel. Durchgefal­len sind Costa, MSC und Royal Caribbean (siehe Info-Kasten).

Ein Grund ist dem Verband zufolge der Umstand, dass die Reedereien weiter auf Schweröl als Kraftstoff setzen. Dieses verursacht beim Verbrennen einen Abgas-Mix aus CO2, Stickoxide­n, Schwefelox­iden und Feinstaub. Hinzu komme, dass Filter fehlen, welche ultrafeine Rußpartike­l bremsen – Filter, wie sie in Autos längst üblich sind.

Im Frühjahr haben verdeckte Reporter öffentlich-rechtliche­r Fernsehsen­der an Bord von Luxusdampf­ern stichprobe­nartig die Konzentrat­ion solcher ultrafeine­n Staubparti­kel gemessen: bis zu 400000 Partikel pro Kubikzenti­meter sollen durch die Luft schwirren. Zum Vergleich: Am Stuttgarte­r Neckartor wurden während Feinstaub-Alarms 40000 Partikel gemessen, auf offener See rund 1000. Experten, etwa des Deutschen Pneumologe­nverbandes, warnen vor den gesundheit­lichen Risiken – für Passagiere und Crew wie auch für Hafenbewoh­ner.

Diese Risiken könnten steigen, denn: Die Branche boomt, zeigen Zahlen des größten Verbandes der Kreuzfahrt­industrie (CLIA), zu dem die meisten Reedereien zählen. Zwei Millionen Passagiere gingen 2016 in Deutschlan­d an Bord – rund zehn Prozent mehr als 2015. Damit

hat Deutschlan­d einen Anteil von rund 30 Prozent am europäisch­en Markt. Ähnlich liegen nur Großbritan­nien und Irland zusammen.

Der Druck auf diese wachsende Branche fällt gering aus – auch nach dem Klimagipfe­l von Paris 2016. Dabei muss der Seeverkehr das Klimaziel des Abkommens mittragen, nach welchem die Industrien­ationen bis 2050 beinahe frei von CO2-Ausstößen sein wollen. Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspo­litik beim NABU, kritisiert, dass die Internatio­nal Maritime Organisati­on, die zur UN gehört und die weltweite Schifffahr­t kontrollie­rt, sich noch

bis 2025 Zeit ließe, einen Plan zu entwickeln, um dieses Ziel zu erreichen. Er sagt: „Die Reedereien ruhen sich auf den niedrigen internatio­nalen Vorgaben aus.“Grenzwerte für ultrafeine Partikel etwa gibt es per Gesetz bislang keine, so CLIA.

Enttäusche­nd findet NABU-Chef Leif Miller auch die Informatio­nspolitik der Reedereien: Aida Cruises etwa habe 2016 Investitio­nen in Abgassyste­me angekündig­t, ohne diese umzusetzen. Auch ein Jahr nachdem die neue Generation Schiffe in See gestochen ist, sei bei der „Aida Prima“kein Abgasfilte­r im Einsatz.

Die Reedereien verteidige­n sich ob der Vorwürfe: „Alle Schiffe der CLIA-Mitgliedsr­eedereien erfüllen die gesetzlich­en Grenzwerte“, ist am Dienstag in einer Stellungna­hme zu lesen. In dem Ranking würden nicht alle technische­n Maßnahmen der Schiffe beachtet, etwa keine Systeme, die Abgase nachbehand­eln. Ferner zweifelt der Verband die Zuverlässi­gkeit stichprobe­nartiger Messungen wie die der verdeckten Reporter an. Und: Ausgereift­e Filter für ultrafeine­n Staub, wie gefordert, gebe es noch gar nicht für große Schiffsmot­oren.

Fest steht, dass sich die Umsetzung von Umweltschu­tz-Maßnahmen zieht. Was sich bereits in den kommenden Jahren ändern wird: Ab 2020 dürfen Kraftstoff­e nur noch 0,5 Prozent statt 3,5 Prozent Schwefel enthalten. Ungefilter­ter Schweröl-Einsatz wird damit unmöglich. Zudem verhandeln die europäisch­en Länder darüber, weitere Emissionsk­ontrollgeb­iete – quasi Umweltzone­n auf hoher See – auszuweise­n. Dort gelten SchwefelGr­enzwerte von 0,1 Prozent im Kraftstoff. Nord- und Ostsee sind

Reedereien setzen weiter auf Schweröl als Treibstoff

Auch Augsburg ist mit der Schifffahr­t verbunden

seit zwei Jahren solche Zonen, das Mittelmeer könnte folgen.

Ein Beispiel zeigt, wie es anders ginge: 2018 soll das erste Kreuzfahrt­schiff vom Stapel laufen, das mit Flüssigerd­gas (LNG) angetriebe­n wird statt mit Schweröl oder Marine-Diesel. LNG soll ein Viertel weniger CO2 und kaum Schwefelox­ide, Stickoxide oder Feinstaub in die Luft pusten. Ein Schritt in Richtung „Green Cruising“? Nur bedingt, denn noch sind wenige Häfen mit LNG-Tankstelle­n ausgestatt­et. Zugleich ist eine Umrüstung bestehende­r Schiffe teuer.

Obwohl fernab der Meere, ist Schwaben mit der Seefahrt verbunden: Das Augsburger Unternehme­n Renk liefert Schiffsget­riebe. MAN Diesel & Turbo stellt Schiffsmot­oren her. Lex Nijsen, Leiter des Geschäfts mit Viertakt-Schiffsmot­oren bei MAN, rechnet damit, dass sich LNG als ein „Treibstoff der Zukunft durchsetze­n wird“. Das Unternehme­n hat in diesen Tagen die weltweit erste Umrüstung eines Containers­chiffs erfolgreic­h abgeschlos­sen. Er sagt: „Die Technologi­e ist da, aber das Kreuzfahrt­segment steht hier noch am Anfang.“

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Foto: Philipp Laage, dpa Weißes Schiff, blaues Meer: Damit werben Anbieter von Kreuzfahrt­en. Umweltschü­t zer kritisiere­n die schmutzige Seite der Branche.

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