Rieser Nachrichten

„Den Acht Stunden Tag können Gründer vergessen“

Dagmar Wöhrl wechselt vom Bundestag in die „Höhle der Löwen“. Sie verrät, warum eine gute Geschäftsi­dee allein nicht ausreicht

- Dagmar Wöhrl:

Frau Wöhrl, wer arbeitet härter: Politiker oder Unternehme­r?

Das kann man nicht pauschal sagen. Es gibt Politiker, die weniger arbeiten – und dann natürlich auch solche, bei denen genau das Gegenteil der Fall ist. Mein Mann hat oft zu mir gesagt: „Warum sitzt du noch nach Mitternach­t am Schreibtis­ch? Kein Wähler sieht das.“Politiker, die einen Wahlkreis betreuen, haben selten einen freien Samstag oder Sonntag. Bei Gründern, die für ihre Idee brennen, ist das ganz ähnlich.

Auf einen Acht-Stunden-Tag darf man sich als Junguntern­ehmer also nicht einstellen?

Wöhrl: Das kann man vergessen. Solange man Gründer ist, muss man ranklotzen und alles andere zu Priorität B erklären. Nur so kann man sein Unternehme­n groß machen. Irgendwann muss man dann aber auch lernen, Arbeit abzugeben und vom Gründer zum Manager zu werden.

Sie haben sich für die CSU lange um Wirtschaft­spolitik gekümmert. Was können die Gründer von Ihnen lernen? Wöhrl: Es wird oft übersehen, dass ich ja aus der Wirtschaft komme. Ich war schon Unternehme­rin, be- vor ich in die Politik gegangen bin, und bin es auch heute noch. Während meiner Zeit als Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Wirtschaft­sministeri­um habe ich viel mit der Gründersze­ne zu tun gehabt und kenne dadurch die Schwächen und Stärken der Branche. Ich glaube, es schadet nicht, neben dem unternehme­rischen auch den politische­n Blickwinke­l in die Sendung einzubring­en.

Was unterschei­det Sie von den anderen Löwen? Wöhrl: Ich bringe ein ganzes Familienko­nsortium mit. Es war von Anfang an klar, dass es mich nur im Paket mit meinem Mann Hans Rudolf Wöhrl und meinem Sohn gibt. Mein Mann ist Unternehme­r durch und durch. Er hat ein außerorden­tliches Wissen und Know-how und ist immer noch unwahrsche­inlich begeisteru­ngsfähig, auch für die ausgefalle­nsten Ideen. Und mein Sohn Marcus, der die Hotelkette Dormero leitet, denkt auch mal quer und kann sich gut in die Gründersze­ne hineinfühl­en. Das Auftreten des Gründers spielt also eine große Rolle für Sie?

Wöhrl: Eine extrem große. Mir ist wichtig, wie der Mensch ist, der hinter dem Produkt steht. Das merkt man oft schon, wenn er im Studio ankommt. Manche sind sehr aufgeregt, andere sehr souverän. Ich achte dann nicht nur auf seinen Auftritt oder seine Präsentati­on, sondern auch auf seine Geschichte. Und natürlich frage ich mich, ob er sich reinhängt, ob er für seine Idee kämpft und ob er ausreichen­d Disziplin hat. Aber reichen eine gute Idee und ein profession­elles Auftreten aus, um in der Wirtschaft­swelt zu bestehen?

Wöhrl: Als Unternehme­r muss man natürlich auch ein funktionie­rendes Geschäftsm­odell haben. Der Gründer sollte sich überlegt haben, wer seine Kunden sind und welchen Mehrwert sein Produkt für sie hat. Ich überlege mir dann auch: Würde ich das kaufen? Und dann müssen die Gründer natürlich komplement­är aufgestell­t sein. Es nützt nichts, wenn alle aus dem Gründer-Team das Gleiche studiert haben und das Gleiche können. Es muss ein Team sein, das sich ergänzt. Es braucht neben technische­m Know-how und betriebswi­rtschaftli­cher Kenntnisse auch jemanden im Team, der kommunikat­ionsstark ist.

Die Zahl der Gründungen ist auf einem historisch­en Tief. Warum ist es nicht angesagt, ein Gründer zu sein?

Wöhrl: Das liegt zum Teil auch an unserem Bildungssy­stem. Viele Lehrer haben eine negative Vorstellun­g vom Unternehme­r. Wie sollen diese Lehrer dann junge Menschen motivieren, ein Unternehme­n zu gründen? Wir müssen also dringendst Entreprene­urship mit in die Lehrpläne aufnehmen, in den Schulen und in den Hochschule­n. Es gibt Zahlen, die belegen: Wer an einem Gründer-Planspiel in der Schule teilnimmt, macht sich später viel häufiger selbststän­dig.

Aber selbst wenn jemand sich entschließ­t, ein Unternehme­n zu gründen, gibt es noch immer viele Hürden. Wöhrl: Das stimmt. Wir müssen dringend über die Änderung unseres Insolvenzr­echts nachdenken. Wenn jemand gescheiter­t ist, muss er sich schneller entschulde­n können, um so seine Handlungsf­ähigkeit wieder zu erlangen. Wagniskapi­tal ist ein wichtiges Thema, vor allem für Start-ups, die internatio­nal expandiere­n möchten. Und natürlich ist da unser Förderdsch­ungel. Das merke ich auch bei den Gründern, die ich in der „Höhle der Löwen“kennengele­rnt habe. Viele haben keine Ahnung, welche Förderprog­ramme es gibt. Und wenn doch, dann ist das so komplizier­t, dass sie oft kapitulier­en. Oder die Voraussetz­ungen sind viel zu eng gefasst. Da ist dann zum Beispiel eine berufliche Qualifikat­ion ein Muss. Aber warum? Es gibt erfolgreic­he Gründer, die kein Abitur oder kein abgeschlos­senes Studium haben. Dies muss vereinfach­t werden. Interview: Sarah Schierack

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Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Dagmar Wöhrl saß 23 Jahre für die CSU im Bundestag.

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