Wie Laien Leben retten können
Der Leiter der Rettungswache Nördlingen und ein ehrenamtlicher Retter und Kursleiter fassen die Grundlagen der Ersten Hilfe zusammen. Was ihnen neuerdings häufig die Rettung erschwert
Nördlingen Ein zerbeultes Auto am Straßenrand, am Steuer sitzt eine verletzte Person. Ansprechen, rütteln – keine Reaktion. Was tun? Der Erste-Hilfe-Kurs ist Jahre her. Womöglich könnte man mit seinem Laienwissen ja noch Schaden anrichten ...
„Handeln ist in jedem Fall besser als Nichtstun“, sagt Jürgen Braun, der Leiter der Rettungswache Nördlingen. Seit 21 Jahren arbeitet er im Rettungsdienst. Er stellt klar: „Im Ernstfall läuft die Zeit gegen den Patienten.“Jede Minute zähle, um dem Menschen das Leben zu retten. Deshalb sei es so wichtig, dass Ersthelfer die Zeit überbrücken, bis die Profis eintreffen.
„In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in der Ersten Hilfe schon viel getan“, sagt Friedrich Ackermann. Der Ehrenamtliche arbeitet seit fast 50 Jahren neben seinem Beruf im Rettungsdienst und gibt Kurse für das Rote Kreuz. „Früher haben die Leute einfach gar nichts gemacht und auf den Rettungsdienst gewartet“, sagt er. Obwohl es heute besser sei, gebe es noch reichlich Luft nach oben. Grundsätzlich sei man verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten – „Selbstschutz geht aber immer vor.“Ein Ersthelfer müsse und solle sich nicht selbst in Gefahr bringen. Einen Notruf könne man aber in jedem Fall absetzen.
Ackermann erklärt, wie man im Notfall vorgehen sollte, wenn man einen hilfebedürftigen Menschen vorfindet. Erst muss geprüft werden, ob er bei Bewusstsein ist. Dazu spricht man den Patienten an. Im Zweifel prüft man, ob er auf Berührungen reagiert. Sofern der Patient bei Bewusstsein ist und sprechen kann, leistet man nach seinen Wünschen Hilfe. Schwieriger wird es, wenn er bewusstlos ist. Dann muss man zuerst im Mund des Patienten nachschauen. „Manchmal entdeckt man da schon die Ursache der Bewusstlosigkeit, etwa verschluckte Fremdkörper“, erklärt Ackermann.
Anschließend prüft man die Atmung. Dazu legt man den Patienten auf den Rücken und überstreckt den Kopf in Richtung Nacken, um die Atemwege freizuhalten. Man legt das Ohr in den Bereich von Mund und Nase des Bewusstlosen, währenddessen beobachtet man seinen Oberkörper. „Wenn der Patient atmet, sieht man die Bewegung des Brustkorbs, spürt den Atem und bei Stille hört man ihn auch“, sagt Ackermann. Ist die Atmung in Ord- nung, legt man den Patient in die stabile Seitenlage. Wirklich ernst werde es, wenn die Atmung nicht normal sei und Lebenszeichen fehlen: Dann müsse man umgehend mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnen.
Dafür legt man den Patienten auf einen harten Untergrund, macht seinen Oberkörper frei und platziert beide Handballen in der Mitte seines Brustkorbs. Dann drückt man 30 Mal mit hoher Frequenz (100 bis 120 Mal pro Minute). Anschließend muss der Verletzte zweimal mit dem Mund beatmet werden, danach wiederholt man die Abfolge. Die Reanimation muss fortgesetzt werden, bis der Rettungsdienst eintrifft. Bei Erwachsenen drückt man den Brust- etwa sechs Zentimeter ein, bei Säuglingen nur drei und bei Kindern über zwei Jahren etwa vier Zentimeter. Außerdem benutzt man bei Säuglingen nur zwei Finger, bei Kindern eine einzelne Hand. „Pro Minute schwindet die Chance auf eine erfolgreiche Wiederbelebung um zehn Prozent“, mahnt Ackermann, nach zehn Minuten stünden die Chancen also bereits sehr schlecht. Allerdings sei noch Sauerstoff im Blut des Bewusstlosen – deshalb beuge eine frühe Reanimation Hirnschäden vor, auch wenn sie nicht unmittelbar Erfolg zeige.
Immer öfter gebe es in öffentlichen Gebäuden, Banken und größeren Unternehmen sogenannte Defibrillatoren, sagt Wachleiter Braun. Mithilfe der „Rot Kreuz Defi App“des Kreisverbands Nordschwaben könne man mit dem Smartphone einfach den nächstgelegenen „Defi“finden. Die Kästen sind mit einem Blitz in einem Herzsymbol auf grünem Hintergrund gekennzeichnet. „Die Defis sind so ausgelegt, dass jeder ohne vorherige Schulung damit umgehen kann“, sagt Braun. Sie geben dem Benutzer per Sprachausgabe Anweisungen und ergänzen die Herz-Lungen-Wiederbelebung.
Ist der Patient einigermaßen stabil, muss er in die stabile Seitenlage bewegt werden: Dazu kniet man neben ihn und legt den Arm des Patienten, der einem selbst näher ist, im rechten Winkel nach oben. Anschließend legt man den Handrükorb cken des anderen Arms auf die gegenüberliegende Wange. Nun kann der Patient mit einem Griff in die Kniekehle mit wenig Kraftaufwand gedreht werden.
Zwar leisten Menschen heute besser und häufiger Erste Hilfe, Braun beobachtet aber auch eine sehr negative Entwicklung: „Es kommt immer häufiger vor, dass Gaffer am Einsatzort stören und manchmal sogar die Einsatzkräfte behindern.“Einmal hätte er erlebt, dass Eltern in den sozialen Medien vom Tod ihres Kindes erfahren hatten, noch bevor ein Spezialteam ihnen die schreckliche Nachricht überbringen konnte. „Das ist unbegreiflich für mich“, sagt Braun und schüttelt den Kopf.